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Endsal

YRSEL: Abraxas

Gnostischer Zeremonialdrone direkt aus dem Pleroma


YRSEL: Abraxas
Genre: Drone
Verlag: Tuguska
Vertrieb: Tuguska
Erscheinungsdatum:
17. August 2013
Medium: CD / 2xLP
Preis: ~18,00 €
Kaufen bei: Bis aufs Messer


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Nachdem YRSEL 2010 gleich mit zwei fulminanten Veröffentlichungen auf AURORA BOREALIS debütierten – die erste läutete im Januar das Jahr ein, die zweite ließ es im Dezember ausklingen –, ließen sich JULIEN JOUVET – besser bekannt als THE AUSTRASIAN GOAT bzw. 14:13/2:13 PM – und CARL-JOHAN LARSGÅRDEN – u. a. Betreiber des TUGUSKA-Labels, auf dem "Abraxas" auch erschienen ist – erst einmal drei Jahre Zeit, um die Welt mit einem neuen Werk ihres sinistren Drone-Projekts zu beglücken. Und obwohl insbesondere die LP "Sacrifice" bereits mit überdurchschnittlich hochqualitativem, atmosphärisch-flächigem Drone-Sound zu überzeugen wusste, so gilt anerkennend zu konstatieren, dass sich das lange Warten durchaus gelohnt hat, setzen die beiden mit "Abraxas" nun doch noch einen obendrauf und legen ein Konzeptalbum vor, das die Richtung der beiden Vorgänger konsequent weiterentwickelt, veredelt, von letzten Schlacken reinigt und dergestalt auf eine neue, außergewöhnlich hohe Qualitätststufe hebt: mit allem Nachdruck grenzt sich der vorliegende Tonträger von jenem, ebenso ubiquitären wie belanglosen Einheitsbrei ab, der dem Publikum gerade in den letzten Jahren so gern unter dem Deckmäntelchen "Drone" vorgesetzt wird.

Dass wir es hier dezidiert mit einem Konzeptalbum zu tun haben, wird schon anhand von Titel und Covergestaltung deutlich, illustrieren die beiden, sich schneidenden, weißen Kreisbögen auf schwarzem Hintergrund doch jenes schillernde, Einheit, Dualität und Vielheit in sich vereinigende Konzept sehr sinnfällig, welches in dem, genuin aus der spätantiken Gnosis stammenden Namen bzw. Begriff "Abraxas" seinen Ausdruck gefunden hat. Ohne an dieser Stelle nun allzutief in gnostische Theoriebildung einsteigen zu wollen, sei es dennoch in gebotener Kürze skizziert: die Formel "Abraxas" bezeichnete für ihren Schöpfer, den im 1./2. Jh. n. Chr. lebenden, ägyptischen Gnostiker Basilides im Grunde weniger einen Gott oder eine Gottheit im engeren Sinne, als vielmehr das, jenseits aller Differenzierung stehende, metaphysische Urprinzip schlechthin, aus dem alles andere – die Welt der Götter, Dämonen, Geister, Menschen, Tiere, ja: aller Phänomene – in der Folge erst hervorgeht. Abraxas repräsentiert somit das absolut Allgemeine und ist der biblischen Initialzündung des "Fiat Lux" vorgeordnet, wenn es auch letztlich sinnlos ist, hier mit den Kategorien Raum und Zeit zu operieren, da auch diese im Prinzip des Abraxas ihre Quelle haben.  Insofern steht Abraxas in der Tat jenseits von Gut und Böse, Licht und Dunkel, Wahr und Falsch. Alle Polaritäten gehen aus ihm hervor, und so steht er/es paradoxerweise für Statik und Dynamik, Ruhe und Wirkkraft gleichermaßen. Insofern der Zahlenwert der griechischen Buchstaben, aus denen sich der Name zusammensetzt, in der Summe 365 ergibt, symbolisiert er das Jahr – die Zeit, die die Sonne benötigt, um den Tierkreis einmal zu durchwandern. Insofern sein Name aus sieben Buchstaben besteht, repräsentiert er die sieben Planeten der klassischen antiken Kosmologie. Der Mythos des Abraxas kombiniert unterschiedliche religiöse, mystische und philosophische Konzepte der Spätantike: dem, der sich mit solch vagen Andeutungen nicht zufrieden geben, sondern den Dingen auf den Grund gehen will, sei u. a. die Beschäftigung mit dem Neuplatonismus des Plotin ans Herz gelegt, dessen Einfluss auf das Abraxas-Konzept kaum überschätzt werden kann. Oder er möge einfach mal C. G. Jungs "Septem sermones ad mortuos" auf sich wirken lassen: aus denen hat schließlich schon weiland BOYD RICE im SCORPION WIND-Stück "The Cruelty Of The Heavens" – einer veritablen Abraxas-Hymne  – mit gutem Grund so extensiv zitiert.

Der besagte, antik-gnostische Hintergrund spiegelt sich in den Titeln, die das schwedisch-französische Duo für die einzelnen Tracks – neun an der Zahl – gewählt hat, explizit wider und auch auf der Bandcamp-Seite lässt man nicht den geringsten Zweifel, wes Geistes Kind das vorliegende Werk ist: YRSEL präsentieren mit "Abraxas" quasi einen Soundtrack zu klassischen Ideen der spätantiken Gnosis und bleiben dieser Agenda in jeder Hinsicht treu: so begegnen uns auf den Innenhüllen der beiden Schallplatten neben Texten und Credits ein magisches Siegel sowie ein Bildnis des Abraxas, wie man es typischerweise auf antiken Gemmen findet: mit Hahnenkopf, Schlangenbeinen und Menschenleib sowie mit Peitsche und Schild bewehrt. Die Titel evozieren Simon Magus, den ersten Häretiker der Kirchengeschichte, der sich noch mit Sankt Petrus höchstpersönlich in Rom einen quasi-magischen Wettstreit lieferte, und natürlich auch den, oben bereits erwähnten, Vater des Abraxas-Konzeptes, Basilides; man thematisiert das Pleroma, macht sich Gedanken über "The Origin Of Evil", meditiert über das "Secretum Templi" usw. usf. – wir sehen also: vor bedeutungsschwangerer Überfrachtung hat man im Hause YRSEL keine Angst. Und alles in allem geht der Plan vortrefflich auf – sämtliche möglichen Fettnäpfchen und Peinlichkeiten werden ebenso souverän wie weiträumig umschifft.

Für eine Musikbesprechung am zentralsten ist nun freilich die überaus interessante Frage, wie sich das umrissene, einigermaßen spezielle Sujet eigentlich konkret in der musikalischen Umsetzung niederschlägt: Wie bereits erwähnt, hat man sich für "Abraxas" ja reichlich Zeit gelassen – der Promotext gibt als Zeitraum für die Arbeit am Album 2011-2013 an – und so antizipiert der Hörer bereits im Vorfeld mit einiger Berechtigung Außergewöhnliches. Diese Erwartung wird nicht enttäuscht: Auch wenn man sich konsequent weiter in jenen Drone-Gefilden bewegt, die der Hörer bereits von "Sacrifice" und "Requiem For The Three Kharites" kennt, so wird auf "Abraxas" eine profunde Tiefe, meditative Ruhe und souveräne Klarheit realisiert, die mir so in diesem Genre schon lange, lange nicht mehr begegnet ist. Und auch, wenn das, immerhin mehr als 80 Minuten umfassende Opus über weite Strecken durchaus unsperrig, ja, man möchte fast sagen: eingängig daherkommt – was wohl auch der partiellen Einbindung von Texten/Vocals geschuldet ist, die für YRSEL ja durchaus ein Novum darstellt – so ist das hier in keiner Weise von Nachteil, soll insofern also keinesfalls als euphemistische Bemäntelung von Beliebigkeit oder gar Langeweile verstanden werden, nein: "Abraxas" entfaltet sich organisch-kohärent, konsequent, souverän und in majestätischer Ruhe, so dass günstigenfalls ein beinahe meditativer Zustand generiert wird, der sich durch ein Höchstmaß an sensorischer Offenheit und Aufmerksamkeit auszeichnet. "Abraxas" atmet eine zeremoniell-feierliche und doch zutiefst natürliche, gänzlich unprätentiöse Stimmung, ja man könnte, wäre der Begriff nicht gar so abscheulich abgeschmackt, von einer – im positivsten Sinne – mystischen Atmosphäre fernab irgendwelchen Esoterikbimmelbrummgedudels sprechen. Die Sounds, die die einzelnen Tracks konstituieren, sind primär gitarrenbasiert und durch elektronische Elemente ergänzt, hin und wieder werden auch mal Sitar- oder Glockenklänge eingebunden – das Ergebnis ist in seiner tiefen Konzentriertheit und internen Stimmigkeit beinahe durchgängig faszinierend und beeindruckend. Allein: das Wörtchen "beinahe" signalisiert eine, wenn auch sehr subtile, Relativierung, und die ist vom Rezensenten durchaus intendiert, bereitet ihm doch als einziger Kritikpunkt das eigentlich innovative Element auf "Abraxas" ein wenig Kopfzerbrechen: der Gesang. Nun soll an dieser Stelle zwar mitnichten Grundsätzliches gegen die versierten Sangeskünste der ALICE DOURLEN eingewandt werden, doch scheint mir ihr Gesang ganz generell nicht recht in die Gesamtarchitektur von "Abraxas" hineinpassen zu wollen. Mag sein, dass mich die fragile Süße ihrer Stimme einfach zu sehr an LOUISE RHODES von LAMB erinnert (deren Timbre ich in diesem musikalischen Kontext übrigens durchaus zu schätzen weiß), mag sein, dass mir Vocals im Drone-Genre ganz generell suspekt sind – wie dem auch sei: meiner Ansicht nach hätte ein Verzicht auf Vocals die Grandezza dieses Albums noch mehr gesteigert. Stört letztlich allerdings nicht weiter, denn: phänomenal ist es auch so geworden.

Wer ein ausgereiftes, atmosphärisch dichtes Stück Musik sucht, um an den, nun ins Haus stehenden dunklen Herbst- und Winterabenden heimische Lektüresitzungen stimmungsvoll zu untermalen oder einfach entspannt seinen Gedanken nachzuhängen, der mag sich voller Vertrauen und Zuversicht der Fülle und dem Reichtum von "Abraxas" zuwenden, denn – um mit einem Worte C. G. Jungs zu schließen: "Der Abraxas ist Wirkung, ihm steht nichts entgegen, als das Unwirkliche, daher seine wirkende Natur sich frei entfaltet."

Ach ja, eins noch: Man muss die Katze nicht im Sack kaufen, sondern kann sich das gesamte Album vorab auf der Bandcamp-Seite von YRSEL als Stream zu Gemüte führen und sich dergestalt ein eigenes Bild machen. – In diesem Sinne: Es ist angerichtet.

 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» YRSEL: Abraxas @ bandcamp
» YRSEL @ discogs
» THE AUSTRASIAN GOAT-Homepage
» YRSEL @ tuguska
» YRSEL @ facebook


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Zusammenfassung
Souverän konzipiertes, organisch aufgebautes und in sich stimmiges Konzeptalbum, das trotz seiner - relativen! - Eingängigkeit eine Tiefe und Komplexität erreicht, die ihresgleichen sucht. Bemerkenswerte Weiterentwicklung der beiden Vorgängeralben.

Inhalt
A1 Pleroma
A2 Simon Magus
A3 Basilides
B1 Asat
C1 The Origin Of Evil
C2 Secretum Templi
C3 Nequaquam Vacuum
D1 365
D2 Sat
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