Die Serapions-Brüder (Hörspiel)

Als Gesamtwerk sind die "Serapions-Brüder" von E.T.A. HOFFMANN heute wohl kaum noch bekannt. Einzelne Erzählungen daraus erfreuen sich dagegen größerer Beliebtheit, "Nußknacker Und Mäusekönig" oder "Das Fräulein Von Scuderi" etwa, die erste deutsche Kriminalnovelle. Die vier Bände mit insgesamt 27 Erzählungen, rund 1200 Seiten dick, erschienen zwischen 1819 und 1821. Für diese Sammlung griff HOFFMANN überwiegend auf bestehende Texte zurück, schrieb aber auch einige neue und dachte sich eine Rahmenhandlung aus, die alle Geschichten miteinander verknüpfte: Eine Gruppe von befreundeten Literaten trifft sich und liest selbst verfasste Texte vor, diskutiert zwischendurch über deren literarische Qualität. Vorbild und namensgebend für diese Idee waren die 'echten' Serapions-Brüder, ein literarischer Kreis um HOFFMANN, dem unter anderem FRIEDRICH DE LA MOTTE FOUQUÉ angehörte und der sich ebenfalls regelmäßig traf – nach längerer Pause auch am 14. November 1818, dem Tag des Heiligen Serapion.
Schon dieser minimale Überblick macht HOFFMANNs Freude an der Vermischung von Realität und Fiktion auf mehreren Ebenen deutlich: Im realen Leben treffen sich echte Literaten unter dem Namen Serapions-Brüder und sprechen über fiktive Werke, im literarischen Pendant treffen sich fiktive Autoren, teils den realen nachempfunden, um über reelle Werke – diejenigen von E.T.A. HOFFMANN – zu philosophieren. Auch während der fast 12 Stunden dauernden Hörspielversion verschwimmen Grenzen immer wieder, zwischen Dialogen und Erzählungen zum Beispiel. (Ein Hörauszug findet sich am Ende der Besprechung.)

Regisseur und Komponist KLAUS BUHLERT, der die "Serapions-Brüder" im Auftrag des BAYERISCHEN RUNDFUNKS als Hörspiel umsetzte, ist schon für andere Monumental-Werke – wie "Moby Dick" auf zehn CDs – bekannt und ausgezeichnet. Von 15 Erzählungen des Originals hat er sich getrennt, die restlichen zwölf unter anderem danach ausgewählt, dass der Wortanteil der sechs Erzähler ungefähr gleich ist. Um die komplizierte Struktur und Mischung verschiedener Formen aufzubrechen, entschied sich BUHLERT für Musik. Aus dem zeitlichen Umfeld von HOFFMANN wählte er sechs Komponisten aus, von denen er einzelne Motive den Sprechern zuordnete, teilweise auch dezent in die Erzählungen einbaute, so dass ein (Zitat) "akustischer Raum" für jeden Schauspieler (unter anderem MANFRED ZAPATKA und FELIX VON MANTEUFFEL) entsteht. Die Dialoge als Scharniere sind – als weitere Hilfe – auch in der Vertonung durchnumeriert.
Die komplexe, verschachtelte Sprache des Autors erscheint bei den sechs Protagonisten erstaunlich natürlich, gelassen – sie haben wohl auch intensivst geübt, erklärt KLAUS BUHLERT in einem Interview. Die zwölf Geschichten wirken auf diese Art und Weise wohltuend erzählt, nicht übertrieben geschauspielert oder gar überfrachtet mit Effekten und Geräuschen, was zur Atmosphäre eines verräucherten Debattier- und Erzählclubs in einem Berliner Hinterzimmer gut passt.

Trotz aller Entschlackung und Strukturhilfen ist "Das literarische Sextett der Fantasten", so der Untertitel, kein leichtes Hörvergnügen. Erzählungen von E.T.A. HOFFMANN fordern den Leser von jeher, und die Orientierung ist gerade am Anfang nicht ganz einfach. Bei etwas Konzentration aber entwickelt sich "Die Serapions-Brüder" zu einem Fest der Erzähler, Dichter und Philosophen. Das nun im Hörverlag erschienene mp3-Album, aufgemacht als schöne Doppel-CD mit umfassendem Booklet, packt die Vertonung in eine handliche Box, deren 690 Minuten Spielzeit auch Lust machen, sich in den Originaltext hineinzuwühlen und die ausgelassenen Erzählungen zu entdecken.

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