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Endsal

CONTROL: Transgression

Never change a winning team ...


CONTROL: Transgression
Genre: Power Electronics
Verlag: Ant-Zen
Vertrieb: Ant-Zen
Erscheinungsdatum:
18. September 2013
Medium: CD
Kaufen bei: Tesco Germany


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"Transgression", das neue Album von CONTROL, erscheint, wie schon der Vorgänger "The Resistance" aus dem Jahr 2012, auf ANT-ZEN – einem Label mithin, dessen eigentlicher Schwerpunkt in den letzten Jahren eher weniger auf orthodoxen PE-/Noise-Outfits lag. Und als ein solches muss man das seit 1999 aktive Projekt des THOMAS GARRISON unbedingt bezeichnen: Hier wird klassischer Noise US-amerikanischer Prägung geboten, und es ist wohl nicht zuletzt der klaren Linie geschuldet, die der schwerst tätowierte und gepiercte Mann aus Santa Cruz seit seinen Anfangstagen unbeirrt wie ein Bulldozer verfolgt, dass CONTROL sich im Laufe der Jahre zu einem der ganz großen Namen der US-Noiseszene gemausert hat und in einem Atemzug mit SLOGUN, NAVICON TORTURE TECHNOLOGIES oder PRURIENT genannt wird. Die Rede von der klaren Linie hebt auf den typischen CONTROL-Sound ab, der sich in erster Linie durch sich kontinuierlich verdichtende Übereinanderschichtungen verschiedenster Noise-Patterns auszeichnet, um schließlich in einen massiven, raumgreifenden Wall Of Sound zu kulminieren. Immer wieder werden diese extrem harschen Geräuschskulpturen von aggressiven, genretypisch durch den akustischen Fleischwolf gedrehten Vocals zerschnitten, die den Eindruck dezidierter Destruktivität, der beim Hörer generiert wird, noch intensivieren. Zudem fanden in den letzten Jahren zunehmend mehr Anleihen aus dem Dark Ambient-Bereich Eingang in den Sound, die ihm noch mehr Tiefe und Atmosphäre verleihen – et voilà: Fertig ist das CONTROL-Konzept, und das zieht Mister GARRISON auch auf "Transgression" knallhart durch.

Eins kann insofern schon mal fürs Protokoll festgehalten werden: Wer originelle Innovationen oder experimentelle Klangforschungen sucht, ist hier definitiv an der falschen Adresse. Wer hingegen den intensiven Wunsch hegt, seinen Gehörgängen für eine knappe Stunde lang den totalen Krieg zu erklären, der wird solide bedient und bekommt geliefert, was er bestellt hat: Lassen die ersten Minuten in ihrer relativen Strukturiertheit und vergleichsweise ruhigen, Dark Ambient-affinen Monotonie noch aufhorchen, verschiebt sich das Programm mit voranschreitender Laufzeit immer stärker in die, ebenso bekannten wie bewährten, CONTROL-typischen Gefilde flächigen, von schleifend-kreischenden Frequenzen durchbrochenen Monumentalgedröhnes, das sich immer weiter steigert, um irgendwann – zumeist einigermaßen unvermittelt – abzuebben und auszuklingen. Und im Hinblick auf dieses grundlegende, strukturelle Grundmuster unterscheiden sich die einzelnen Stücke auf "Transgression" ebenso marginal wie die CONTROL-Veröffentlichungen der letzten Jahre untereinander. So gesehen ist zweifelsohne ein ausgeprägtes "MOTÖRHEAD-Syndrom" ("Kennste eine, kennste alle") zu diagnostizieren – das muss für sich genommen allerdings keineswegs schlecht sein, schließlich gehen jene Herrschaften, die für den Begriff Pate standen, seit Jahrzehnten mit bestem Beispiel voran.

Und so tut THOMAS GARRISON auf "Transgression" eben das, was er am besten kann: klassischen, unverkennbaren CONTROL-Sound generieren – und der ist brachial, massiv und kompromisslos. Sonderlich abwechslungsreich, innovativ oder gar subtil ist er hingegen weniger – was eine Besprechung en detail im Grunde genommen einigermaßen überflüssig macht, denn das skizzierte Muster wiederholt sich bei jedem einzelnen Track und wird nur hier und da mehr oder weniger (zumeist weniger) beherzt variiert. Mal funktioniert das besser, wie auf dem fulminanten Abschlusstrack "The New Death" – einem ultramassiven und –brutalen Noise-Inferno, das das fragliche Prinzip ins absolute Extrem treibt und dem Zuhörer mit seiner schieren Intensität fast den Atem raubt –, mal schlechter, wie bei den irgendwie uninspiriert und einigermaßen beliebig zusammengeschustert wirkenden Mitteltracks "Constructive Destruction" und "Arise Lies". Im Übrigen ist das Album, wie von ANT-ZEN gewohnt, qualitativ hochwertig produziert, die Sounds klingen klar konturiert, harsch, schneidend, sind perfekt ineinander verzahnt und insbesondere während der jeweiligen Final-Passagen hat man bisweilen das Gefühl, man könne den Sound fast mit Händen greifen, so massiv kommt er daher. Die Vocals sind ebenfalls ausgesprochen gelungen ins Gesamtgetöse integriert, erinnern mich allerdings streckenweise wirklich ein bisschen arg an LEE M. BARTOW aka LEECH von NAVICON TORTURE TECHNOLOGIES. Was schließlich den thematischen Aspekt der Stücke betrifft, so legt bereits der Blick auf die Titelliste den Eindruck nahe, der Künstler verfüge auch in dieser Hinsicht über keinen nennenswerten Ehrgeiz, den Themenkatalog um untypische, originelle Themenbereiche zu erweitern: Hier ist solide, aus den üblichen Schlagworten zusammengerührte Hausmannskost angesagt – wie man diese traditionellen Ingredienzien allerdings gelungen kombiniert, um am Ende ein ebenso grundsolides wie effektives Menü präsentieren zu können, das hat GARRISON aus dem Eff-eff gelernt.

Noch ein, zwei lobende Worte seien übrigens im Hinblick auf die Covergestaltung verloren, die, wie schon beim Vorgängeralbum, auf Fotografien des ANT-ZEN-Haus-und-Hofphotographen SALT basiert. Wurden auf dem 2012er-Opus "The Resistance" noch allerlei Fleischfetzen stylish ins Bild gesetzt, so finden sich auf "Transgression" Fotos von einer oder mehreren, leidlich martialischen Skulpturen, über deren Schöpfer bzw. künstlerischen oder historischen Kontext man sich auf dem Cover und im Promotext leider gleichermaßen ausschweigt. "To justify any crime you have to make your victim your enemy" lesen wir hier lediglich und sind gehalten, uns unseren Reim darauf zu machen. Das dürfte angesichts des Albumtitels allerdings nicht allzu schwer fallen: Der, der übergriffig wird und Grenzen überschreitet, begibt sich ja immer in einen Rechtfertigungszwang. Die Umdeutung vom Opfer zum Feind, die das in der Konsequenz notwendig macht, wird durch die schlichten, streng komponierten und doch seltsam entrückt wirkenden Fotos beeindruckend illustriert.

Summa summarum erweist sich "Transgression" als eine, im Rahmen der genre- und projekttypischen Standards gelungene und insofern durchaus empfehlenswerte Veröffentlichung für all diejenigen, die CONTROL ohnehin schon mögen. Wer dem körpermodifizierten Herrn mit den suppentellergroßen Tunnelohren und seiner Kunst bislang allerdings eher indifferent oder sogar ablehnend gegenüberstand, den wird auch dieses Werk mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schwerlich zum Konvertiten machen, denn was die einen als Eindimensionalität und Monotonie bemäkeln mögen, bejubeln andere wiederum als künstlerische Stringenz und/oder musikalische Konsequenz. Über Geschmack lässt sich nun mal trefflich streiten. Eins allerdings ist sicher: CONTROL ist CONTROL ist CONTROL … und bleibt auch CONTROL – da gibt’s nicht viel zu deuteln.

Noch ein Tipp zum Abschluss: CONTROL kommt im September und Oktober im Rahmen seines "7th Crusade" u. a. nach Deutschland – ich bin mir einigermaßen sicher, dass dieser Sound als Live-Darbietung ein Ereignis ist.

 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» CONTROL @ discogs
» CONTROL-Interview (2005) @ industrial.org
» Transgression @ ant-zen-mailorder
» SALT-Photography @ flickr

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Zusammenfassung
Brachiales, intensives Album, das den typischen CONTROL-Sound konsequent & ohne nennenswerte Variationen oder gar Innovationen fortsetzt. Die klare Linie, die verfolgt wird, mag polarisieren: Was der eine als massiv empfindet, empfindet der andere als monoton. Intensiv jedoch ist das Ganze allemal.

Inhalt
01 Anoxia (5:41)
02 Society's Decline (7:20)
03 Cruel Intent (6:36)
04 Constructive Destruction (6:19)
05 Arise Lies (7:10)
06 Transgression (7:08)
07 Mechanical Suffocation (6:40)
08 The New Death (7:10)
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