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Endsal

DISAPPEARS: Era

Alte Besen kehren gut


DISAPPEARS: Era
Genre: Independent
Verlag: Kranky
Erscheinungsdatum:
26. August 2013
Medium: CD
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Zuerst einmal möchte ich klarstellen, dass ich zu dieser Rezension komme wie die berühmte Jungfrau zum Kinde, denn DISAPPEARS waren mir bis dato vollkommen unbekannt – der einzige Grund, warum ich "Hier!" gerufen habe, als "Era" zum Besprechen feilgeboten wurde, ist das federführende Label: Ich kannte KRANKY aus Chicago, Illinois, bislang primär als Heimat solch illustrer, dronig-entspannter Acts wie STARS OF THE LID, THE DEAD TEXAN oder LOSCIL. Damit haben DISAPPEARS, wie ich zu meinem Bedauern feststellen musste, nicht das Geringste zu schaffen. Die machen nämlich zuerst einmal Rock. Punkt. Will man dann doch etwas konkreter werden, packt man sie wohl in solch schwammige Schubladen wie Indie Rock oder – noch etwas konkreter – Shoegaze. Auf jeden Fall: Alternative. Und obendrein ein bisschen angegotet. Etwa so ist also die musikalische Gemengelage beschaffen, in der wir uns bewegen, wenn wir von DISAPPEARS im Allgemeinen sowie dem vorliegenden, vierten Album "Era" im Besonderen sprechen.

Nun ist Indie Rock ja beileibe nicht mein präferiertes musikalisches Tummelfeld, und so hatte ich schon, während noch der zweite Track durchlief, den Entschluss gefasst, das Ding wieder in den Redaktionspool zurückzureichen: Irgendwie war mir die ganze Geschichte entschieden zu rockig, obendrein – insbesondere was den Gesang betrifft – auch noch mit so einem leichten funky Einschlag versehen, der meine Skepsis zusätzlich vertiefte. Ich sann also schon über den Kommentar nach, den ich meiner Retoure beizufügen gedachte, und da, plötzlich ... – kam Track Numero drei. Und der nahm mich gefangen: "Ultra" erweist sich als ungemein treibender, reduziert instrumentierter Beinahe-Zehnminüter, der ohne jeden Zweifel auch auf den Tanzflächen einschlägiger Veranstaltungen funktioniert. Und es ist keineswegs nur diese geschickt portionierte Prise Monotonie, die an einschlägige 80er-Jahre-Epigonen erinnert, nein, es ist der ganze Sound, die Art, wie man sich der Instrumente – insbesondere Bass und Schlagzeug – bedient, der Assoziationen zu JOY DIVISION, NEW ORDER, THE DANSE SOCIETY, mitunter gar den WIPERS und vielen weiteren Artverwandten wachruft, die mir jetzt ad hoc nicht präsent sind. Der Gesang – ich muss gestehen, mit dem hab' ich insgesamt gesehen immer noch so ein bisschen meine Probleme – im Speziellen lässt mich an goth-affine deutsche Indiebands dieser Ära wie BELFEGORE oder THE BEAUTY CONTEST denken: Die trugen nämlich auch so eine gewisse, prätentiöse Expressivität in ihrem Gesang spazieren, die mir schon anno dunnemals auf die Nerven ging. So auch hier. Das machen jedoch die durchwegs flotten Arrangements wieder vollumfänglich wett: Durch das komplette Album weht ein frischer, leicht melancholisch eingefärbter Sommerwind (dieser spezielle Eindruck mag freilich auch daher rühren, dass mir, während ich dies schreibe, bei gefühlten 38 Grad der Ventilator den Wind um die Ohren pustet – aber wurscht!), der hin und wieder sogar mal in Richtung "steife Brise" tendiert, ohne deshalb gleich hart im engeren Sinne zu klingen. Für mein Empfinden handelt es sich bei "Era" um ideale Musik zum Mitpfeifen, während man an einem sommerlichen Spätnachmittag über grünendes Land fährt.

Mithin präsentiert sich die aktuelle Veröffentlichung als Album, das man guten Gewissens Leuten empfehlen kann, die auch INTERPOL und EDITORS mögen, wenngleich es etwas weniger Coolness aufweist als deren typischer Output, doch das scheint mir eine – geschmacksabhängig zu bewertende – Folgeerscheinung der bereits erwähnten, diffusen Funkiness zu sein. Die "Hits" sind für mein, wie bereits angemerkt, einigermaßen fachfremdes Empfinden das bereits erwähnte "Ultra" sowie das betont ruhige, doch nicht minder hypnotische Abschlussstück "New House", dessen 80er-Stallgeruch schon alleine seines Basslaufs wegen schwerlich zu überbieten ist. Immer wieder kommen zwischendurch auch elektronische Gimmicks und Einsprengsel zum Einsatz – "New House" verblüfft in dieser Hinsicht am meisten in Form von Anklängen an extrem genrefremden Stoff wie NOCTURNAL EMISSIONS: Ich kann mich jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren, da so einen komisch verzerrten, gutturalen Laut wahrzunehmen, den ich von deren "Mouth Of Babes" kenne.

Insgesamt ein ebenso abwechslungs- wie anspielungsreiches Stück Musik, das keine innovativen Sensationen bereithält, doch auch nicht mit diesem Anspruch auftritt. Hier setzt man auf ein solides Menü aus altbewährten Zutaten. Dementsprechend serviert die Band aus Chicago, übrigens seit 2008 aktiv, soliden, energiegeladenen Indie Rock mit deutlichen 80er-Post-Punk-Pre-Darkwave-Reminiszenzen, die ungeachtet der nachdrücklichen Entschlossenheit, mit der sie zelebriert werden, zu keinem Moment zu nerven beginnen. Um an dieser Stelle den Promotext zu zitieren: "It harks back to the early 80's post punk period, when almost anything seemed possible with the classic two guitar, bass and drums lineup"; - das trifft's punktgenau: Eine 80er-Retro-Postpunk-Shoegaze-Indierock-Melange, die – mit Ausnahme des Gesangs – unaufgesetzt und authentisch klingt, und dabei ziemlich nach vorne losgeht. Ach ja, stimmt, eine abschließende Randbemerkung zum Line-Up sei an dieser Stelle noch ausgeplaudert: um den besagten Reminiszenzen nämlich das Krönchen aufzusetzen, mischt seit 2011 STEVE SHELLEY von SONIC YOUTH bei DISAPPEARS an den Drums mit. Noch Fragen?


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» DISAPPEARS-Homepage 1
» DISAPPEARS-Homepage 2
» KRANKY-Homepage


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Zusammenfassung
Schmissiges, kompaktes Album, für alle, die 80er-Sound irgendwo zwischen NEW ORDER, WIPERS, EDITORS oder INTERPOL mögen. Hier wird das Rad nicht neu erfunden, dafür jedoch mit Schmackes in flotte Rotation versetzt.

Inhalt
01 Girl
02 Power
03 Ultra
04 Era
05 Weird House
06 Elite Typical
07 New House
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