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Endsal

FAUNA: Avifauna

Von Vögeln, Menschen und Wäldern Cascadias ...


FAUNA: Avifauna
Genre: Black Metal
Verlag: Pesanta Urfolk
Vertrieb: Pesanta Urfolk
Erscheinungsdatum:
17. Dezember 2012
Medium: CD / 2xLP
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Für all diejenigen, denen FAUNA noch kein Begriff sind, einige einleitende Worte: Die Band gehört quasi zur Ursuppe jener speziellen Spielart des Black Metal, welche seit geraumer Zeit unter dem Begriff "Cascadian Black Metal" durch die einschlägigen Meinungsmultiplikatoren mäandert und deren prominenteste Vertreter wohl WOLVES IN THE THRONE ROOM sind. Das, – die Entscheidung, ob zu recht oder zu unrecht, sei dem geneigten Konsumenten selbst überlassen – in orthodoxen BM-Kreisen gerne als mehr oder weniger verkapptes Hippietum geschmähte Genre leitet seinen Namen von jener großflächigen Landschaft im pazifischen Nordwesten des amerikanischen Kontinents ab, die durch die Gebirgskette der Kaskaden von den angrenzenden, trockeneren Klimaregionen abgeschirmt wird und Teile British Columbias in Kanada sowie die US-amerikanischen Staaten Oregon, Washington bis hin zum äußersten Norden Kaliforniens umfasst. Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Versuche, diese Region als eigenes, von den USA und Kanada unabhängiges Staatsgebilde zu etablieren, und so steht die bioregionalistische Protest- und Sezessionsbewegung, die heute ebenfalls unter dem Namen "Cascadia" firmiert und der sich die Musiker von FAUNA tief verbunden fühlen, in einer Tradition, deren früheste Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.

Vor diesem Hintergrund erscheint Cascadian Black Metal zuerst einmal als primär regional definiertes Genre – denn auch andere Epigonen wie AGALLOCH, ASH BORER oder FELL VOICES kommen von dort –, insofern der Begriff darüber hinaus aber auch spezifische künstlerisch-musikalische Ausdrucksformen bezeichnet, können auch Künstler, die nicht der umrissenen Region entstammen – so z. B. die Iren von ALTAR OF PLAGUES –, darunter subsumiert werden: Stilistisch präsentiert sich das Genre grob gesagt als ein Hybrid aus Post Rock – dem die epische Länge der einzelnen Stücke sowie die Vorliebe für sattes Pathos entlehnt sind –, Black Metal – hier sind vor allem der genretypische krächzig-kreischige Gesang und die rohe Brutalität der Uptempopassagen hervorzuheben – und einer Prise Neo bzw. Apocalyptic Folk. Der Eindruck einer Affinität zu letzterem drängt sich schon angesichts der philosophisch-weltanschaulichen Implikationen auf, die die Vertreter des Genres im allgemeinen sowie FAUNA im Besonderen verarbeiten: Antimodernismus, expliziter Fortschrittsskepsis, radikaler Naturzugewandtheit und Rückbesinnung auf traditionale Strukturen begegnen wir hier ebenso wie einer dezidierten Vorliebe für paganistische und – dies gilt für FAUNA im speziellen – schamanistische, quasi-religiöse Konzepte. Exemplarisch für den beschriebenen Habitus seien hier die Selbstcharakterisierung der Musiker als „seekers and shamans“ sowie die entsprechende Angewohnheit genannt, musikalische Live-Darbietungen als "Live Rituals" – und nicht etwa schnöde  als Konzerte – zu bezeichnen. Wer einschlägiges Fotomaterial sichtet, wird jedoch zugeben müssen, dass insbesondere diese letztere Differenzierung mit einigem Grund erfolgt.

Auch der aktuelle Tonträger, als CD und Doppelvinyl bei PESANTA URFOLK erschienen, trägt jener Grundhaltung Rechnung, die die zentralen FAUNA-Akteure ECHTRA und VINES in ihrem  Werk zum Ausdruck bringen und in ihren – überaus raren – Interviews formulieren: Der Titel "Avifauna", der Geozoologie entlehnt und dort die Gesamtheit aller, in einer bestimmten Region lebenden Vögel bezeichnend, soll, insofern Flug und geflügelte Kreatur das Moment der Transzendenz symbolisieren, die mystisch-mythische, schamanische Reise als Grundthema des Albums zum Ausdruck bringen. Dies zeigt sich schon am Cover, dessen Vorderseite ein geflochtener, strahlenförmig mit Federn bestückter Kranz und dessen Rückseite ein Rabenschädel mit Blatt im Schnabel zieren; klappt man das Cover auf, so erblickt man linker Hand einen von Farn umrahmten Federkreis, in dessen Zentrum ein Eulenkopf positioniert ist, und rechter Hand ein rotierendes, mutmaßlich ebenfalls aus Gefieder gebildetes, Sonnenrad. – Überhaupt, das Cover! Fester, robuster Karton, solide verarbeitet, angenehm reduziert gestaltet, der mittels Spot-Lackierung hervorgehobene Schriftsatz betont den edlen Gesamteindruck noch einmal nachhaltig. Produkte aus dem Hause PESANTA URFOLK bestechen durch ein ungewöhnliches Maß an Qualität und Liebe zum Detail, was sich bei der Doppel-LP-Version zusätzlich in den massiven, jeweils 200g schweren Vinylplatten niederschlägt, auf welchen das Werk daherkommt.

Musikalisch wie thematisch steht "Avifauna" in einer klaren, ungebrochenen Linie mit seinen beiden Vorgängern "Rain" und "The Hunt" – beide 2006/07 von der Band privat aufgelegt sowie 2008/09 durch AURORA BOREALIS wiederveröffentlicht und so erst einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Hier wie dort finden sich die typischen, melancholischen, meist durch akustische Gitarren getragenen Eingangspassagen, welche schließlich in energetisch dichte, stakkatoartig vorwärtstreibende Parts münden, deren nachgerade hypnotischer Sog insbesondere dem stark in den Vordergrund gemischten, dampfhammergleich vorantreibenden Schlagzeug geschuldet ist. Das erscheint – insbesondere mit Blick auf den explizit naturreligiösen Kontext, in dem FAUNA ihre Arbeit verorten – nur konsequent, nimmt der durch Trommeln erzeugte, monoton-repetitive Rhythmus doch gerade in schamanistischen Ritualen eine konstitutive Rolle hinsichtlich der Ausrichtung auf das Transzendente ein. Der dezidierte Bezug auf die Welt der Vögel als vermittelndem Reich zwischen den Sphären kommt zudem in dem, immer wieder zwischen und während der einzelnen Teile anhebenden Gezwitscher zum Ausdruck, das, so hat man den Eindruck, gefühlvoll-ruhige, brachial-brutale, ambient-droneartige und schleppend-doomige Passagen miteinander zu harmonisieren trachtet. Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist "Avifauna" nahezu perfekt produziert, der Klang tönt noch voller und ausgereifter, ohne deshalb zu glatt zu wirken; die ungeschliffene, brachiale Brutalität von "The Rain" wurde etwas zurückgefahren, wohingegen die leichte Orientierungslosigkeit, die noch auf "The Hunt" angesichts stilistischer Manöver zwischen Drone, Dark Ambient, Neo Folk, Post Rock und Black Metal bisweilen spürbar wurde, nunmehr komplett beseitigt ist. Mag sein, der eine oder andere findet "Avifauna" deshalb etwas zu eingängig – meiner bescheidenen Ansicht nach hat die Band erst mit diesem Werk ihren künstlerischen Ausdruck zu voller Blüte entfaltet. So gesehen kann "Avifauna" mit Fug und Recht als FAUNAs bisheriges opus magnum bezeichnet werden – es führt die Stränge, die bereits auf "Rain" und "The Hunt" eindrucksvoll entwickelt wurden, zu einem nahezu perfekten Ganzen zusammen.

Um zu guter Letzt auch ein kleines Wort der Kritik nicht zu verschweigen: "nahezu" sage ich an dieser Stelle aus einem ganz konkreten Grunde, und das ist die beinahe unerträglich süße Kitschorgie, in die mein – an und für sich – erklärtes Lieblingsstück der Scheibe zu seinem bitteren Ende hin ausläuft. Auf "Syrinx" wird über weite Teile etwas – ja: zelebriert möchte man schon sagen, das dem chthonisch-tellurischen Transzendenzanspruch, mit dem FAUNA antreten, in nahezu vollkommener Weise Ausdruck verleiht – um dann in den letzten zwei Minuten ebenso unnötiger- wie unfassbarerweise durch einen irgendwie schunkeligen, von ätherischem Elfengesang begleiteten Grundgroove totgedudelt zu werden. Das ist zwar einigermaßen ärgerlich, da die Passage aber vergleichsweise kurz und alles davor so unfassbar grandios ist, tut es der Gesamtwirkung keinen nennenswerten Abbruch.


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» FAUNA @ Bandcamp
» FAUNA @ wordpress
» FAUNA-Interview


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Zusammenfassung
"Avifauna" bringt das bisherige Schaffen der Band in einer fulminanten Gesamtschau auf den Punkt und macht mit dem Anspruch auf Transzendenz qua musikalischem Parforceritt durch die Wälder Cascadias ernst: Mystisch-schamanischer Post-Rock-Black Metal im besten Sinne des Begriffs!

Positiv aufgefallen
Perfekte Produktion
Luxuriöse Verpackung
Musikalisch ausgereift

Negativ aufgefallen
Minimaler (!!) Kitsch-Drall

Inhalt
Die 2xLP ist auf allen Seiten schlicht "Avifauna" (I-IV) betitelt; die CD benennt die einzelnen Stücke hingegen genauer:

01. Soaring Into Earth (29:23)
02. Interlude (2:29)
03. Syrinx (22:44)
04. Interlude (2:15)
05. The Harpy (17:02)

2xLP-Version im aufklappbaren, gleichermaßen solide wie luxuriös anmutenden Cover mit Spot-Lackierung; CD-Version im Digipack mit leicht variierender Covergestaltung.
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