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Thomas L.
UWE NOLTE: Du warst Orplid, mein Land!
Genre: Sonstige
Wörter: 1085
Medium: Buch
Kategorie: Rezension
Erstellt: 22.03.2013
Artikelbewertung:
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UWE NOLTE dürfte den meisten Lesern kein Unbekannter sein, ist der gebürtige Merseburger doch als umtriebiger Kulturschaffender und -förderer seit nunmehr zwei Jahrzehnten aktiv. Das bekannteste und herausragendste seiner Projekte dürfte das gemeinsam mit FRANK MACHAU initiierte Musikprojekt ORPLID sein, das seit 1996 im Bereich Neofolk im deutschsprachigen Raum stets neue Maßstäbe setzte, sowohl in musikalischer und als auch in textlicher Qualität. Bereits das Debütalbum wartete mit fragiler Lyrik auf, die sich fernab von den mitunter plakativen Texten der deutschen Neofolkszene bewegte. Die Texte gewannen zunehmend an Bedeutung und ein Wendepunkt stellte die EP „Barbarossa“ dar, mit der sie sich endgültig als eigenständige und ernstzunehmende Künstler des Wortes und der Musik etablierten. In dem Maße, in dem die Musik fragiler, ruhiger und komplexer wurde, stieg der Anspruch von UWE NOLTEs Lyrik, die sich zwischen HÖLDERLIN, der Romantik und neuen deutschen Dichtern wie ROLF SCHILLING oder UWE LAMMLA bewegt. ROLF SCHILLING ist sicherlich wegweisend für NOLTE, setzt er sich doch seit Jahren aktiv für eine breitere Wahrnehmung des großen Mythendichters aus der Goldenen Aue ein. Aus der Zusammenarbeit resultierte eine Freundschaft, sodass es naheliegend ist, dass jener ROLF SCHILLING in diesem Gedichtband nun auch ein kurzes Geleitwort an den Leser spricht und UWE NOLTE aufgrund seiner Doppelfunktion als Dichter und Sänger als Barden bezeichnet. Gegliedert in drei Kapitel, denen jeweils ein Bild und ein Dichterzitat vorangestellt sind, gibt dieser hübsch aufgemachte und kartonierte Gedichtband nun Einblick in das Dichterschaffen NOLTEs. Ausgewählt wurden dazu vorrangig Texte, die er für seine verschiedenen Musikprojekte wie eben ORPLID oder aber auch BARDITUS oder SONNENTAU geschaffen hat. Nun bin ich niemand, der über korrekt eingehaltenes Versmaß urteilen kann, sodass mir nur die Fragen bleiben, wie es auf mich wirkt, was es in mir auslöst und wie und ob sich mir die Inhalte der Dichtung eröffnen. Inhaltlich lassen sich drei große Themen erkennen, denen man die meisten seiner Verse zuordnen kann. Da ist zum einen die melancholische, von der Romantik inspirierte Naturbetrachtung, die sich in Gedichten wie „Am Abend“, „Winternacht“ oder „Des Sommers letzter Falter“ widerspiegelt. Ganz im Sinne der Romantik stehen hinter vordergründigen Schönheit auch immer der Tod oder die Nacht, die jedoch nicht als Bedrohung verstanden wird, sondern vielmehr als Krönung der Melancholie, ohne die jedes Erblühen sinnlos wäre. Die zweite Quelle, aus der NOLTE schöpft, ist der Mythos. Er nutzt dabei bevorzugt Begriffe aus der nordisch-germanischen Mythologie, wird dabei jedoch nie plakativ, sondern nähert sich subtil den alten Sagen und Legenden. Sei es eine Vertonung der Sage um den mythischen Schmied Wieland, der sich, verraten und eingekerkert von König Nidung gerade makaber an diesem und dessen Sippe rächt oder die „Totenesche“, die einmal mehr in die nordisch-germanische Unterwelt führt. Hier ist er dem Dichterfreund und ROLF SCHILLING am nächsten: Die wiederkehrenden Symbole wie der Falke und der Falter wirken wie Widmungen an den lyrischen Mentor, den man im Hintergrund dazu dies bejahend erahnen kann. Wandelt man auf ähnlichen Pfaden, ist Verwechselbarkeit oder Vorwurf des Abschreibens naheliegend. Bei NOLTE kann man dies nicht gelten lassen, wird doch deutlich, dass er mit Dichtern wie SCHILLING oder eben auch LAMMLA (zumindest was seine frühen Werke angeht und nicht die mitunter kuriosen Spätwerke in Form von Dramen über drohende Rauchverbote) die gleichen Vorbilder teilt. Zudem durchdringt NOLTEs Lyrik auch stets das eigene Erleben in Form von Reisen und Erfahrungen, die sich schlichtweg nicht kopieren lassen. Da NOLTE selbst unermüdlich und stets neugierig durch die Welt zu wandeln scheint, werden die Quellen der Kreativität auch so schnell nicht versiegen. Als dritte Kategorie sehe ich die idealistische Dichtung, die mitunter mit der mythischen einhergeht. Was SCHILLING im „Holden Reich“ in der Prosa beschreibt, fasst NOLTE hier in Reime. Das Ideal als letzter Anker in einer ansonsten dem Geistigen feindlich gesinnten Welt. Der Kampf und das Elitäre als Abgrenzung gegenüber der Moderne, die nur noch Form, aber keine Inhalte mehr kennt. Nicht nur in der „Myrmidonenklage“ und bei „Der letzte Ikaride“ werden die Schwerter daher ordentlich gewetzt und geführt. Auch „Barbarossa“ ergießt sich in Zorn, Wut und Verzweiflung; die hier exzessiv betriebene Nutzung einer aggressiven Klage und dem Drang nach Rache sammelt all das, was in der modernen Kunstwelt nicht sein darf. Während wir immer mehr Schwächen und Neigungen als nur allzu menschlich in den Alltag integrieren, so versuchen wir das Ursprüngliche und Instinktive, das NOLTE hier mitreißend vertont, zu verdrängen. Soviel Freude kann Antimodernismus machen! Neben diesen Kategorien findet sich jedoch auch ein Gedicht auf die große Liebe in diesem Band, „Schwertlilie“. Der Gefährtin im wahren Leben gewidmet, nutzt er hierbei Stilelemente aller Kategorien und entgeht der Gefahr des Kitsches allein dadurch, dass das, was beim Leser ankommt, dieser als ehrlich und authentisch erlebt. Nirgends ist die Gefahr beim Dichten zu scheitern größer, als wenn man sich dem Thema der Liebe widmet. NOLTE ist dabei erfreulicherweise nicht untergegangen. Aber was könnte letztendlich mehr überzeugen, als eine einfache Kostprobe des Dichters?
Totenesche
Einsam ragt sie in die Klage Aller Traumhimmel verzweigt. Stehen Tag und Nacht in Waage Starrt sie, rankend aus der Sage Räume in die Welt und schweigt.
Um sie Herbstfeuer nicht prasseln. Nur Verwesung herrscht im Staub. Wenn die Früchte nieder rasseln, Stören sie den Schlaf der Asseln Kaum im schimmelfeuchten Laub.
Süße Faulgerüche schweben Über Panzer von Chitin. Einer Biene Flügel kleben Starr vom Harz. Bald wird verweben Duft auch diesen Assassin.
Abschied will das Bild verheißen; Moos, das sonst nur westlich späht, Hat rundum den Stamm mit Schneisen Übertüncht, von moderweißen Flechtenschleiern mild umweht.
Morsch der Ast ist, an dem senkte Runenweisheit sich ins Herz. Weit, weit fort ging der Gehenkte. Wohin er die Schritte lenkte, Weiß die Krone; schattenwärts.
Nichts! kein Wunsch nach neuem Reifen Keimt im dunkelnden Myzel; Sporenflug in engen Schleifen Über Wurzeln kreist, die greifen Schon ins Nebelhaar von Hel.
Abendwind will noch betunken Golden alle Zweige, als Sänge letztmals er bewunken Von den Sommern, farbentrunken, Feierlieder des Verfalls.
Wer Lyrik achtet und liebt, die von etwas beseelt ist und begeistern will, die antimodern und idealistisch ist, die vom Leben selbst mit all seinen Erfahrungen berauscht ist und die im Mythischen und Symbolischen heimisch ist, der wird UWE NOLTEs Gedichte lieben. Wer die Werke von ROLF SCHILLING und das Frühwerk UWE LAMMLAs im Regal stehen hat, der muss weiterhin auch hier zuschlagen und UWE NOLTE einen Platz zwischen den genannten einräumen. Wenn der Verlag auch vom Abschluss einer Phase spricht, bleibt zu hoffen, das UWE NOLTE seine Dichtung fortsetzt.
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