Dass wir MENACE RUINE hier schon vorgestellt haben, ist untertrieben. 'Gefeiert' wäre treffender. Nur wenige Projekte haben einen so einzigartigen, sofort wieder erkennbaren Sound, der zugleich so schwer zu definieren ist. Black Metal-Wurzeln sind spürbar, allerdings mehr atmosphärisch denn klanglich. Das Zerren erinnert an Noise, die Stimme (mich) an eine weniger ätherische Version von DEAD CAN DANCE und und und. Mit "Alight In Ashes" ist nun das vierte offizielle Album des seit 2007 bestehenden Duos erschienen, wie auch alle anderen Werke der beiden Frankokanadier in ihrer Heimat Montreal komponiert und eingespielt. GENEVIÈVE ist die Stimme, SERPENT DE LA MOTH der Mann an den Tasten. Diese 'Tasten' sind umso erstaunlicher, weil die Klangwand sehr stark nach E-Gitarren tönt, aber angeblich ohne eine einzige echte Gitarre entsteht. Für mich persönlich kamen die Alben nach "The Die Is Cast" (2008, Besprechung) nie ganz an diesen großen, riesigen Wurf heran, was aber sicher auch mit der Wucht des Erstkontaktes zu tun hat. "Alight In Ashes" ist allerdings nah dran. Generell scheint das neue Album nicht ganz so wütend zu sein wie die Vorgänger, (noch) mehr nach innen gerichtet, dabei auch weniger verzerrt und sehr melodiös.
Sofort ist er da, dieser sägende, in der Luft stehende, vibrierende Sound, der dieses Mal tatsächlich etwas weniger nach Gitarre klingt. Eine an- und absteigende, orgelnde Melodie bestimmt "Set Water To Flames" (01), die Percussion ist überraschend deutlich vernehmbar. Dann setzt die einzigartige, einschneidende Stimme von GENEVIÈVE ein, entrückt, nicht von dieser Welt. Sie offenbart ihr Innenleben, singt ihre eigene Beschwörung. Im Einklang mit der sich immer wiederholenden Hintergrundmelodie tönt die Stimme ungeheuer hypnotisch. Der Gesang ist klarer als früher, deutlicher und wesentlich ausgereifter. Zwischendrin stehen krachende, wühlende Instrumentalpassagen, und wirklich auffällig bleiben die Drums, teilweise fast militärisch getaktet. Ein Mahlstrom aus Emotionen und Sound. Auch "Salamandra" (02) weist sehr differenzierte Klänge auf, wirklich nah an DEAD CAN DANCE. Wie die Strukturen aller Songs setzt auch dieser auf die Wiederholung von wenigen Tönen, was besonders beschwörend wirkt. Die Vocals kommen auf diesem Album eindeutig am besten zur Geltung, wirken sicher und umfassen mehrere Oktaven, wie klassisch ausgebildet. Eine sägende, kurbelnde Melodie, darin perfekt eingebettet die Stimme, begleitet von einer dunklen Trommel. "Burnt Offerings" (03) klingt nach mehreren verzerrten Gitarren, die versuchen, in Einklang zu kommen und eine Bestattungshymne zu spielen. Verschiedene Lagen mischen sich dazu, das Stück bleibt rein instrumental. Im Verlauf von "Arsenikon" (04) bekommt die Stimme Hall, wird spaciger, die Musik dazu noch 'gitarriger' und verzerrter. Sehr reduziert, ein Anschlagen von einzelnen Tönen, so dass erneut GENEVIÈVE im Vordergrund steht, gedoppelt mit sich selbst. Ein sakrales, persönliches Duett, berührend und verzweifelt, weil (für MENACE RUINE-Verhältnisse) zurückhaltend. Ab der Mitte scheint das Stück durch Verzerrung und schräge Töne, durch industrielles Scheppern aus dem Ruder zu laufen, bleibt aber immer noch melodisch. "Disease Of Fear" (05) beginnt wie die "Toccata" von BACH, gespielt auf einer singenden Säge. Wiederum eine sehr einfache, sich wiederholende Melodie, zu der spät und überraschend das klare Organ einsetzt, welches die Lücken dieser ineinander walzenden Zahnräder ausfüllt, dabei die Töne mit einem Vibrato versieht und unglaublich lange hält. Auf einem Scheiterhaufen aus Klängen singt die Frankokanadierin unbeeindruckt um ihr Leben. Aufgrund der Intensität ist die Länge der Songs übrigens trotz der sich wiederholenden Strukturen nie spürbar. "Cup Of Oblivion" (06) erweckt ganz besonders den Eindruck eines Kirchenliedes, unterstützt von mahlenden, schweren Trommeln. Sehr majestätisch und der mächtigste der sechs Songs, der lange ohne Vocals auskommt, bis diese nach vier Minuten dann doch hymnisch, schmetternd dazustoßen und bis an die Grenze zur Verzerrung gehen.
MENACE RUINE ruhen sich auf ihrem Sound nicht aus, sondern entwickeln ihn weiter. Sie bleiben erdig, dröhnen etwas dezenter als früher, wirken häufig sehr andächtig und sakral; rituelle Lieder zu einer virtuellen Beerdigung. Viele Melodien scheinen aus klassischen Epochen abgeleitet zu sein. Überraschend ist die Varianz der Percussion, aber überstrahlt wird ohnehin alles vom gewaltigen und kosmischen Gesang. Mit Abstand das vielfältigste und kompletteste Album der beiden Kanadier, die übrigens momentan auf Tour durch Europa sind. Termine siehe News und Konzertdatenbank. CD kaufen, Konzert besuchen!
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Zusammenfassung
MENACE RUINE entwickeln sich weiter. Sie bleiben erdig, dröhnen etwas dezenter als früher, wirken häufig sehr andächtig und sakral. Überstrahlt wird alles mehr denn je vom gewaltigen und kosmischen Gesang. Mit Abstand das vielfältigste und kompletteste Album der beiden Kanadier.
Inhalt
01. Set Water To Flames (12:40)
02. Salamandra (5:56)
03. Burnt Offerings (8:10)
04. Arsenikon (Faded In Discord) (12:31)
05. Disease Of Fear (12:14)
06. Cup Of Oblivion (10:47)