CAN: The Lost Tapes

1968-1977: zwischen Mooney, Suzuki und allem zwischendurch.

Genre: Psychedelic Rock
Verlag: Mute
Vertrieb: Mute
Medium: 3xCD
Preis: ~32,00 €
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Kategorie: Rezension
Erstellt: 05.09.2012
Wörter: 642
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CAN bedarf an dieser Stelle wohl keiner näheren Vorstellung. Ich möchte sogar behaupten, dass 90% unserer Leser mit dieser Band etwas anfangen können, oder zumindest eine Vorstellung davon haben, welchen Einfluss sie auf Musikströmungen der letzten Jahrzehnte bis heute haben. Und vielleicht sollte man auch fast schon froh darüber sein, dass es CAN – in welcher Besetzung auch immer – so nie wieder geben wird. Es gibt schon weitaus genug Reunion-Zombies, welche unsere Gehörgänge mit Altem und neu Aufgekochtem strapazieren. Nicht, dass CAN je in die eine oder andere Kategorie fallen würden. 
Umso dankbarer dürfen wir jedoch dafür sein, dass IRMIN SCHMIDT die CAN-Archive auf Anraten seiner Ehefrau Hildegard – unbestreitbar die Person, die im Hintergrund immer schon die Strippen gezogen hat –, abgestaubt und ausgemistet hat und so für die Nachwelt nun einige Perlen aus dem schier unüberschaubaren Wust an bis dato unverwendetem Material zugänglich macht.

CAN haben immer alles aufgenommen! Dies verrät uns IRMIN SCHMIDT im reich illustrierten Booklet der „Lost Tapes“ jener einflussreichen Ausnahmeformation. Aufgrund Geldmangels wurden in den ersten Jahren nur die interessanten Passagen verwendet und die eher unpassenden Elemente aussortiert oder schlicht und einfach auf den Tonbändern überspielt. Was davon erhalten blieb, landete im Archiv oder wurde zum Teil für die offiziellen Veröffentlichungen verwendet.
Keinesfalls darf man „The Lost Tapes“ nun als Müllhalde von dazumal unbrauchbarem Material betrachten, denn die Qualität der Aufnahmen ist – wie alles von CAN – einwandfrei und zeitlos. JONO PODMORE aka KUMO, ein langjähriger musikalischer Partner von IRMIN SCHMIDT, zeichnete für die Feinarbeit verantwortlich. Akribisch editierte, mixte und sortierte er die rund 50 Stunden des vorhandenen Materials aus und setzte einzelne Fragmente des Puzzles zusammen. Sein Einfluss kann nicht genügend gewürdigt werden, zumal er selbst bei der finalen Songauswahl ein Wörtchen mitzureden hatte. So wurde der letzte Song der ersten CD (Studio Recordings), „Bubble Rap“, auf seinen ausdrücklichen Wunsch inkludiert. IRMIN SCHMIDT hätte dieses Stück  gnadenlos aussortiert. Das wäre schade gewesen, denn dieser knapp 10-minütige Beitrag ist unbestreitbar einer der Höhepunkte des ersten Silberlings. Die zweite und dritte CD versammeln unveröffentlichte Soundtrack-Beiträge und bisher unverwendete Liveaufnahmen.
Fast möchte ich behaupten, dass diese 10-Zoll-Box sich als Einstieg für alle CAN-Neulinge eignet, die bisher noch nicht mit dieser Band in Berührung gekommen sind (was an und für sich unverzeihbar ist). Diese Box umfasst letztlich alle wesentlichen Aspekte der Band, die zu einem großen Teil eben aus Improvisationen, Filmmusik und live-in-concert Darbietungen bestand. „Tago Mago“, der legendäre Longplayer von 1971, wäre die zweite Empfehlung – jüngst erst wiederveröffentlicht.
Das sehr informative 28-seitige Booklet rundet diese feine Sammlung ab. In zweisprachigen Liner Notes erfahren wir mehr über jeden einzelnen Titel und über die Entstehungsphase dieses „Lost Tapes-Projekts“. Leider wird nicht deutlich, inwiefern die übrigen Bandmitglieder HOLGER CZUKAY und JAKI LIEBEZEIT bei dieser Zusammenstellung beteiligt waren. Vermutlich liegt das Erbe der Band nun endgültig in den ehrenwerten Händen der Familie Schmidt.

Für Fans ist die „Lost Tapes-Box“ ein unverzichtbares Sammlerstück. Für alle anderen ist es vielleicht der erste Schritt ins sagenhafte und experimentelle CAN-Universum. Die Anschaffung lohnt allemal und um es abschließend in Anlehnung eines Klassikers der Band mit anderen Worten zu sagen: „You can’t doo wrong“.
Ein geradezu köstliches Zitat von HOLGER CZUKAY unterstreicht die Bedeutung dieser vorliegenden Veröffentlichung, welches er immer dann äußerte, wenn JAKI LIEBEZEIT sich wieder einmal vehement für das „Löschen“ der Aufnahmen einsetzte: "Das wird später mal eure Rente sein, ihr werdet es mir noch danken."