Wenn ein Album rund zwölf Monate nach seinem Erscheinen noch bei
NONPOP besprochen wird, muss die Begeisterung des Autors ziemlich groß sein. "Meadow Rituals" erschien im Mai 2011, und seit ich die Platte vor ein paar Wochen für mich entdeckt habe, bin ich tatsächlich ziemlich euphorisch, was LÜÜP angeht. Auslöser war eine ausführliche Besprechung der (immer noch) aktuellen LÜÜP-Produktion im
MAGPIE MAGAZINE #5 (
MAGAZINE-5&type=special&area=1&p=articles&id=2193">NONPOP-Artikel), einem professionell gemachten, britischen Folk-Fanzine.
Das Projekt mitsamt seinem ersten Album aus dem Jahr 2008 ist bislang an mir vorbeigegangen, obwohl es zahlreiche folkige Querverweise auf
NONPOP-Bands gibt. Zum Beispiel gehören dem Kollektiv LISA ISAKSSON von
LISA O PIU, ANDRIA DEGENS von
PANTALEIMON oder Saxophonist DAVID JACKSON von
VAN DER GRAAF GENERATOR an. Insgesamt umfasst LÜÜP 19 internationale Musiker, meist klassisch ausgebildet. Sie versammeln sich rund um den studierten Flötisten STELIOS ROMALIADIS, geboren 1981 in Athen. Entlang ihrer Instrumente, zu denen neben Flöte und Saxophon zum Beispiel Cello, Zither, Harfe, Geige und Oboe gehören, präsentieren LÜÜP eine Mischung aus Ambient- und Folkmusik, stets langsam, gedehnt und mit einem ungeheuer präsenten, spürbaren Naturbezug.
"Meadow Rituals" ist das zweite Album dieser AG, und wie der Titel verrät, sind Rituale das Thema, im Sinne einer Stärkung der Verbindung zwischen Mensch und Natur. Jedes der acht Stücke soll dabei für ein anderes Ritual stehen.
"Horse Heart" (01) gibt die sehr geheimnisvolle, verwunschene Atmosphäre für das gesamte Album vor. Der Blick scheint sich stets in Richtung Vergangenheit zu wenden, die Instrumente – obwohl auch sehr moderne dabei sind – verbreiten ein historisches Flair. Die Arrangements klingen oft klassisch, wie in "Horse Heart" die Streicherparts. Die zarte Stimme, die im Verlauf des Songs einsetzt, ist schlicht umwerfend, erinnert an
LOREENA MCKENNITT, einschmeichelnd, sirenenhaft. "Taurokathapsia" (02) startet mit einer recht aufregenden, rein streicherdominierten Passage aus ganz wenigen Instrumenten, vergleichbar mit
JULIA KENT oder
HILDUR GUDNADÓTTIR. Die Flöte bringt etwas Progressives ins Geschehen, insgesamt bleibt der Sound der ersten Lieder aber sehr klassisch. "Cream Sky" (03) ist dann eher Ambient mit akustischen Instrumenten, die männliche Stimme zieht unweigerlich Vergleiche mit
DEAD CAN DANCE nach sich. Die Musik dazu scheint improvisiert, wirkt sehr nach innen gewandt, konzentriert, ja eben rituell. Und "Spiraling" (04) schließlich, der Abschluss der ersten Seite – wenn wir von der LP ausgehen –, ruft mit seiner Flötenimprovisation mehr denn je Bilder von weiten, grünen Landschaften ins Gedächtnis. Ganz langsam, nach drei Minuten, setzt die entrückte Stimme ein, ebenfalls in Zeitlupe. Alles fein und versponnen, nach Frühling und Wiese duftend, nach einer anderen Zeit.
Die nächsten vier Stücke bilden die etwas 'rockigere' Fortsetzung. "Roots Growth" (05) wartet zum ersten Mal mit deutlich hörbarem Schlagzeug plus E-Gitarre auf, das Saxophon könnte auch von einem neueren
JAN GARBAREK-Album stammen. Generell ist diese zweite Hälfte experimenteller, arbeitet auch – wie in "See You In Me" (06) – mit geloopten, verschachtelten Stimmen. Die Oboe in "Ritual Of Apollo & Dionysus" (07) verweist auf ähnlich klassische, narrative Instrumentalstücke wie etwa in "Peter Und Der Wolf" oder "Bilder Einer Ausstellung". Und die Flöte im abschließenden "Northern Lights" (08) sorgt für einen asiatischen Einschlag; ein sehr ruhiges, fast solistisches Stück.
Dass Musik zu einer Reise im Kopf einlädt, ist ein ziemlich abgedroschenes Ende für eine Rezension, aber Verzeihung, so ist es bei "Meadow Rituals". Vermutlich kann sich jeder das Ziel aussuchen; die grünen Hügel von Irland sind sicher nicht verkehrt. LÜÜP verweben auf eine einzigartige Weise Ambient-, New Age- und Folk-Bestandteile und sind damit, wie schon das
MAGPIE MAGAZINE bemerkte, weit weg von der modernen Welt. Wohltuend weit.
Ich empfehle übrigens die erwähnte LP als Medium der Wahl, nicht nur aus reaktionären Gründen. Erstens ist das Cover wunderschön (da sind sie doch, die Hügel!). Zweitens bekommt der Käufer per Code alle Songs zusätzlich als Downloads. Und drittens beinhaltet das File-Paket noch acht Remixe von ausgewählten Songs des Albums. Diese bleiben teilweise sehr nah am Original, gehen teilweise mehr in Richtung elektroakustische Ambient-Musik. Der naturverbundene, rituelle Charakter bleibt jedenfalls immer bestehen, selbst wenn sich einer der Mixe sogar dezent in Richtung Tanzfläche bewegt.
Lüüp: "Through Your Woods" (live @ LEFKOSIA LOOP FESTIVAL)