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Thomas L.

SOL INVICTUS: La Croix


SOL INVICTUS: La Croix
Genre: Neofolk
Verlag: Prophecy
Medium: CD
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Nach dem SOL INVICTUS-Livealbum „Let Us Prey“ überraschte TONY WAKEFORD im Jahre 1993 seine Hörerschaft mit seinem ersten Solo-Album „La Croix“. Dass dieses Werk im Zuge der Wiederveröffentlichungen der SOL INVICTUS-Alben ebenfalls neu zum Zuge kommt, ist wenig überraschend, irritierend ist allerdings, dass es eben nicht unter dem Namen WAKEFORDs erscheint, sondern nun auch offiziell SOL INVICTUS zugeschrieben wird. Das mag zwar die Werkschau übersichtlicher und die Vermarktung einfacher machen, ist aber eine bandgeschichtliche Unkorrektheit, die zumindest jene Hörer verwundern dürfte, die schon damals als Hörer zugegen waren und die sich der – wenn auch dezenten – Unterschiede zwischen dem Band- und dem Soloprojekt durchaus bewusst sind.
Doch damit zunächst genug der Schelte, denn musikalisch gab es damals und gibt es heute wenig an diesem Album zu bemängeln. Wie zu erwarten sind die musikalischen Abgrenzungen zur Hauptband nicht groß, aber subtil. Es mag jenem Kreis von Musikern geschuldet sein, die WAKEFORD damals um SOL INVICTUS scharte (MELLOR, BRADSHAW, RUIZ), dass er sich zunehmend auch mit klassischer und experimenteller Musik auseinandersetzte. War „The Killing Tide“ schon ein Schritt in Richtung Ambient und atmosphärische Keyboardsounds, so sollte sein Soloalbum gleiches für die Klassik sein – ein erster Schritt in jene Richtung, die mit dem Jahre später veröffentlichten Solowerk „11“ ihren Höhepunkt fand. Eine klassische Instrumentierung, mehr Ensemble als Band und auch textlich geht WAKEFORD hier, und auch bei nachfolgenden Soloalben, klassischer und tiefgründiger zu Werke.
Das Album beginnt mit dem rund achtminütigen „La Croix“, welches, von französischen Sprachsamples und einem a capella vorgetragenen Intro einmal abgesehen, instrumental gehalten ist. Dominiert von einer dunklen, sich ewig wiederholenden Keyboardfläche DAVID MELLORs, holt SARAH BRADSHAW nahezu alles aus ihrem Cello heraus und treibt das Stück stetig seinem Höhepunkt entgegen. Bedrohlich und unruhig klingt dieses Stück, das deutlich macht, warum es eben nicht auf einem SOL INVICTUS Album gelandet ist – zumal hier keine Gitarre zu hören ist.
Das nächste Stück, „The Fool“, führt dann zurück auf altbekannte Pfade, und es ist wohl das einzige, das genau in dieser Gestalt auch auf einem SOL INVICTUS-Album hätte Platz finden können. Neu ist hier allerdings auch das differenziertere Gitarrenspiel; WAKEFORD spielt nicht mehr nur die Lagerfeuergitarre, sondern zupft dezent. Ein kurzes, aber griffiges Stück, das in den folgenden Jahren fester Bestandteil des Livesets werden sollte.
„Double Cross“ ist wiederum ein durch die Zupfgitarre geprägtes Instrumentalstück, das weniger durch seine Eingängigkeit, als vielmehr durch die Dokumentation von WAKEFORDs Entwicklung an der Gitarre überzeugt. Das folgende „Come The Horsemen“ paart diese dezente Instrumentierung mit der von SOL INVICTUS bekannten textlichen apokalyptischen Ausrufung; mit dem Zu-Sich-Winken der Endzeitreiter hat das Album dann auch einen seiner wenigen ironischen und augenzwinkernden Momente. Mit „The Wheel Of The Sun“ wird es dann auch gleich wieder klassischer und schwerer – und eben instrumental. In knapp sieben Minuten gelingt dem Stück nun das, was „Double Cross“ nicht gelingt; es fesselt und entwickelt trotz der spartanischen Instrumentierung eine hypnotische Spannung.
„The Yew“ ist stark keyboardbetont und umrahmt den massiv verhallten Gesang WAKEFORDs. Dann geht es schnell in die zweite Interpretation des Titelstücks über, die auch den Höhepunkt des Albums darstellt. Zu identischer Keyboardfläche gesellt sich ein Piano und diesmal WAKEFORDs Gesang, der einmal mehr mit mythischen Versatzstücken das Verlorensein in einer scheinbar sinnentleerten Welt thematisiert, in der die persönliche Bedeutungslosigkeit mit dem Untergang der Götter einhergeht – und TONY WAKEFORD wäre sich untreu, wenn er diesen Pessimismus nicht mit einem Freudenchor beenden würde: Am Ende mündet das Stück in eine hoffnungsvolle und fröhliche Beschwörung der Zukunft : „Ring out the old, ring in the new, ring out the false, ring in the true!“. Und mit diesem fantastischen Chor ist das Stück nach rund 13 Minuten zu Ende und in der Originalversion auch die gesamte CD (von den damals obligatorischen Stilleminuten abgesehen).
Als Bonus liegt hier aber eine kurze Liveversion von eben jenem „La Croix"-Finale vor, die durchaus überzeugt, die aber doch in Anbetracht der Fülle  des Bonusmaterials der anderen Veröffentlichungen etwas mager ausfällt. Doch sollte man diesen Bonus als das sehen, was er ist und nicht überbewerten. Unterm Strich ist und bleibt „La Croix“ ein großartiges Album, das nicht nur musikalisch überzeugt, sondern auch die gestiegenen Ansprüche WAKEFORDs jener Zeit dokumentiert. Hier ist vieles leiser, dezenter und erwachsener, als man es von WAKEFORD damals kannte. „La Croix“ war ein weiterer Schritt auf dem Weg aus der eingeengten Subkultur hinaus in die Welt der Kunst. Ein Weg, der dem Hörer mehr Konzentration abverlangt als die eingängigen Folkhymnen von SOL INVICTUS, da sich die – damals – neuen Klängen erst noch erarbeitet und erschlossen werden müssen. Wenn man aber dies getan hat, wird man in „La Croix“ und den späteren Solo-Alben sozusagen das Über-Ich von SOL INVICTUS vorfinden – erhaben, erwachsen und ambitioniert. Ärgerlich stimmt mich hier nur der kleine Etikettenschwindel, ansonsten ein Klassiker des Genres.

 
Thomas L. für nonpop.de


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