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Thomas L.

SOL INVICTUS: The Blade

Ein Stück Neofolkgeschichte


SOL INVICTUS: The Blade
Genre: Neofolk
Verlag: Prophecy
Medium: CD
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Nach der großartigen „In The Rain“ wandelte TONY WAKEFORD zunächst einmal mehr auf Solo-Pfaden und veröffentlichte das theatralische und in Ansätzen neoklassische Album „Cupid & Death“. Maßgebliche Unterstützung erfuhr er hierbei von MATT HOWDEN (SIEBEN) und ERIC ROGER (GAE BOLG), die mit ihrem Können an der Geige und Trompete für Neofolk-Verhältnisse schon beinahe für orchestrale Zustände sorgten. So war es nahe liegend, beide in das Hauptprojekt SOL INVICTUS zu überführen und ihnen auf dem 1997er Album „The Blade“ den Spielraum zu geben, den zuvor das Duo MELLOR/BRADSHAW ausfüllte. Waren HOWDEN/ROGER auf „The Blade“ für die musikalische Neuerfindung zuständig, so sorgte WAKEFORD selbst mit seinem zu jener Zeit wiedererwachten Interesse am Odinismus für eine inhaltliche Rückkehr zu den Wurzeln. Waren zuvor Geistergeschichten, Zynismus und die Denker Europas auf dem Vormarsch, so ist „The Blade“ ein dezentes Bekenntnis zum nordischen Mythos. Dieses drückt sich zum einen im fantastischen Artwork von ENRICO CHIARPARIN aus, das vier Klingen in einem Meer aus Blut zu einer Binderune vereint. Und zum anderen in der Gastrolle von HEIMGEST, dem britischen Goden des Odinic Rite, der in dem Stück „Gealdor“ die Runen des Futhark intoniert. Hier kehrt WAKEFORD zu seinen Wurzeln zurück, ohne dass er dabei rückschrittlich wirkt. Die Hinwendung zum Heidnischen fällt hier anders aus als in den Frühwerken; das Parolenhafte  ist dem Persönlichen gewichen.
Schon das Intro und Titelstück ist hymnisch und bombastisch; Paukenschläge, Snare, ERIC ROGERs hymnengleiches Trompetenspiel, Flöte und der knarzende Bass von KARL BLAKE – beinahe nebensächlich dabei das Gitarrenspiel WAKEFORDs, das sonst Hauptmerkmal der Band war, ist zumindest im Intro nur ein kleiner musikalischer Farbtupfer.
„In Heaven“ zeugt von WAKEFORDs Vorliebe für klassische Frauenstimmen im Refrain. Überraschenderweise gibt er aber auch seit IAN READs Ausstieg erstmals wieder die männliche Stimme ab und so wird „Time Flies“ primär von einem männlichen Mitmusiker vorgetragen, bei dem es sich wohl entweder um MATT HOWDEN oder um einen sehr sanft singenden KARL BLAKE handeln muss (weder das aktuelle noch das Originalbooklet geben Auskunft über den Träger dieses Gesangsparts). Dem Hörgenuss kommt diese Abwechslung allemal zugute, zumal man kritischerweise sagen muss, dass WAKEFORDs Gesangsleistung auf „Trees In Winter“ und „The Killing Tide“ ihren Höhepunkte fand. „The House Above The World“ ist ein langsames und schleppendes Stück, das von Geige und Trompete getragen wird und durch den mehrstimmigen Gesang im Refrain besticht.
„Laws And Crowns“ ist wiederum ein zynisches Stück in bester „The Fool“- Manier: „The war of creator and destroyer, the laws of life need no lawyers.“ Eine treibende Gitarre, HOWDEN fiedelt elektronisch verzerrt im Hintergrund und ein griffiger Refrain zum Mitschunkeln; ein echter Hit, der auch einmal mehr die Bedeutsamkeit der Beiträge von HOWDEN und ROGER bei „The Blade“ verdeutlicht.
„Once Upon A Time“ beginnt mit zarten Flöten- und Trompetenklängen, die sich dann zu einer typischen SOL-Ballade entwickeln. Überall Verfall und Hoffnungslosigkeit – und darüber der wohl brachialste Bass, der jemals bei SOL INVICTUS zu hören war.
„See How We Fall“ beginnt mit den Zeilen Eternal hopelessness of being, forever looking but never seeing“ und bringt daher gut die Grundstimmung jener Jahre zum Ausdruck; ähnlich wie auf „The Killing Tide“ präsentiert er einen Nihilismus, der mit paneuropäischer Identität und Religion erträglich gemacht wird. Das Wechselspiel zwischen Hoffnung und Zerfall wird gezeichnet durch den krassen Widerspruch lieblicher Melodien und zynischer Texte und auch durch die Abfolge der Stücke: Trägt das Stück „Gealdor“ durch die rituelle Intonation der Runen den hoffnungsvollen Part der Religiosität, so geht dieses nahtlos in das instrumentale „From The Wreckage“ über; begleitet von lieblichen, sich beinahe endlos wiederholenden Flöten, dringt EZRA POUNDs Stimme drohend und mahnend aus dem Abgrund und geleitet über in das nächste Stück „Nothing here“: „There's nothing here, there's nothing there, oh, there's nothing anywhere“. Religion und Kultur als kurzes Zwischenspiel zwischen der absoluten Hoffnungs- und Sinnlosigkeit. KARL BLAKEs tiefe Stimme verleiht dem Refrain etwas Bedrohlich-Düsteres und kaschiert zudem, dass WAKEFORDs Gesangsleistung über die Jahre eher ab- als zunahm. Wieder geht es nahtlos über in das Stück („Remember And Forget“) und dieses schließt wiederum an WAKEFORDs Soloalben an: Eine hohe weibliche Frauenstimme intoniert sakrale lateinische Verse, begleitet von wunderschönen Flötenmelodien. Scheitert WAKEFORD auf seinen späteren Solo-Alben („Eleven“) manchmal am eigenen Anspruch, so gelingt hier die Annäherung an den neoklassischen Bereich grandios. Hier verlässt er das Terrain des musikalisch überschaubaren Neofolks und wird zum ambitionierten Orchesterchef.
Das zwölfte Stück ist schließlich die zweite Version des Titelstücks und meinem Empfinden nach einer von Tony WAKEFORDs schönsten und anspruchsvollsten Texten: „On My horizon I see a shimmering light, As certain as sure as the night, I walk on black sands, towards a sea of ice, my fate is inscribed on the blade of a knife.“ Die dem Stück innewohnende Verzweiflung und die Fremdheitsrolle des Beobachters gegenüber den Blutbädern der Geschichte werden von MATT HOWDEN entsprechend musikalisch umgesetzt und bilden einen der gemeinsamen Schaffenshöhepunkte dieser beiden Künstler.

Zum Bonusmaterial: „Time To Meet The King“ von der „In Europa“-CD ist ein typischer SOL INVICTUS-Hit mit ebensolcher Thematik. Während WAKEFORDs alter Weggefährte, IAN READ, dem sakralen Königtum mit „John Barleycorn“ huldigte, besingt WAKEFORD in diesem Stück die rituelle Tötung des Königs im Hochsommer, um die Felder mit dessen Blut fruchtbar zu machen. ROGERs Trompete ist präsenter und etwas schräger und erinnert daher nicht nur aufgrund des Inhaltes ein wenig an den Soundtrack zum „Wicker Man“.
„Nothing Here & Remember And Forget“ tragen den Zusatz „early mix“ und so klingt es auch. Was WAKEFORDs Gesangsleistung angeht, so hätte man auf dieses Stück zweifellos verzichten können, SOL INVICTUS-Fanatiker  aber werden sich an den disharmonischen Klängen erfreuen, die HOWDEN im zweiten Teil des Stückes produziert. Aber insgesamt will auch der schlechte Klang dieses Stückes nicht so ganz zur restlichen CD passen (Bonus hin oder her). „Only I Know“ ist ein unveröffentlichtes Stück; auch hier gilt: für Fans interessant, für den Rest zweifellos verzichtbar.
In God We Trust“ ist eine frühe Version des später auf dem „Thrones“-Album zu findenden Stückes. Während in der regulären Version KARL BLAKE das Stück singt, ist hier eine folkige, von WAKEFORD gesungene Version zu hören. Auch wenn die BLAKE-Version die bessere ist, so ist das Stück schön anzuhören, zumal es auch aufgrund der künstlichen Drums an alte SOL INVICTUS oder eben auch DIJ zu „To Drown A Rose“-Zeiten erinnert. Klanglich auch keine Glanzleistung, aber ein schönes Dokument !
Aber man sollte hier nicht zu kritisch werden; das Bonusmaterial ist eine schöne Dreingabe zu einem ohnehin fantastischen Album. Fans werden das Zusatzmaterial mögen und schätzen, aber eben auch wissen, warum es niemals regulär veröffentlicht wurde.

Im Jahr 2011 ein Album aus dem Jahr 1997 zu rezensieren, erlaubt nicht nur eine bessere Einordnung ins Gesamtwerk des Künstlers, es stimmt in diesem Fall leider auch wehmütig, da zwar WAKEFORD weiterhin gute Alben wie „In A Garden Green“ geliefert hat, aber dennoch „The Blade“ mit „In The Rain“ und „Trees In Winter“ den Schaffenshöhepunkt von TONY WAKEFORD darstellt, diese Qualität, musikalische und textliche Reife, Klanqualität und Hörbarkeit wurden leider nie wieder erreicht. Großartige Alben gab es seitdem nicht mehr, allenfalls gute („In A Garden Green“, „In Europa“) und leider auch schlechte („Hill Of Crosses“, „The Devils Steed“). Auch mag man das Wegbrechen der Musiker HOWDEN, ROGER und BLAKE bedauern – mit dieser Besetzung hätte WAKEFORD zweifelsohne noch weitere Alben von gleicher Qualität einspielen können. Schlussendlich ist „The Blade“ ein Pflichtkauf für jeden Neofolk-Hörer und ohnehin für jeden, der dramatische und ergreifende Musik mag. WAKEFORD gelingt mit „The Blade“ ein riesiger Schritt; er kann das Orchestrale von „In The Rain" steigern, ohne dabei an Eingängigkeit zu verlieren. Er gewinnt das Kämpferische der frühen Jahre zurück, ohne jedoch den Floskeln der Jugend und der Plakativität zu verfallen, er ist idealistisch, aber nicht missionarisch. Ein ergreifender und bewegender Abschluss der Hochphase des Neofolks; eben eines der besten Neofolk-Alben der 90er Jahre. Will man diese Szene mit all ihren Inhalten und Emotionen verstehen, so ist „The Blade“ sicherlich eines der maßgeblichen Referenzwerke.


 
Thomas L. für nonpop.de


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Zusammenfassung
Eines der besten Werke von TONY WAKEFORD und ein Stück Neofolkgeschichte.

Musikalisch eines der anspruchsvollsten Alben, was vorrangig dem Duo MATT HOWDEN und ERIC ROGER zu danken ist.

Auch gesanglich abwechslungsreicher als jemals zuvor; Wakeford nimmt sich zurück...

Inhalt
1. The Blade
2. In Heaven
3. Time Flies
4. The House Above The World
5. Laws And Crowns
6. Once Upon A Time
7. See How We Fall
8. Gealdor
9. From The Wreckage
10. Nothing Here
11. Remember And Forget
12. The Blade

Bonus:

13. Time To Meet The King
14. Nothing Here & Remember And Forget
15. Only I Know
16. In God We Trust
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