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Thomas L.

SOL INVICTUS: The Killing Tide


SOL INVICTUS: The Killing Tide
Genre: Neofolk
Verlag: Prophecy
Medium: CD
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Und wieder eine Wiederveröffentlichung von SOL INVICTUS. Nachdem TONY WAKEFORD mit „Trees In Winter“ im Jahre 1990 den ersten Höhepunkt im Bandschaffen veröffentlicht hatte, kam es zum Bruch mit seinem damaligen ideologischen und spirituellen Gefährten IAN READ, der zwar keine Texte für das Album beisteuerte, aber immerhin die Ausrichtung zu nordischen Mythen und der Geschichte Europas maßgeblich beeinflusste und auch gesanglich für rund die Hälfte aller SOL INVICTUS-Stücke verantwortlich war. Zwei Leitwölfe waren zuviel für eine Band und so zog IAN READ fortan mit FIRE & ICE durch die Lande um mit seinem Debüt „Gilded By The Sun“ musikalisch und inhaltlich nahtlos an „Trees In Winter“ anzuknüpfen. TONY WAKEFORD hingegen versammelte eine neue Mannschaft um sich und fand vor allem in DAVID MELLOR (Keyboard) und SARAH BRADSHAW (Cello) zwei Mitstreiter, die in den folgenden Jahren zum festen Kern der Band gehören sollten. Gemeinsam mit dem Trommler und Chaosmagier NICK HALL sowie dem Flötisten STEPHANE RUIZ entstand erstmals in der Bandgeschichte auch ein festes Livegefüge, das in der langen Historie der Band wohl auch spielerisch zum Besten überhaupt gerechnet werden muss. Über mehrere Jahre hinweg wurden gute Werke eingespielt und noch bessere Konzerte gegeben, bis auch dieses Gefüge auseinanderbrach und nach diversen Solowerken MATT HOWDEN und ERIC ROGER ihren Weg in die Band fanden und mit anderen Instrumenten die Lücke füllten, die der Weggang von MELLOR und BRADSHAW hinterließ.
„The Killing Tide“ ist also nicht nur ein Album, sondern auch das Dokument einer Umbruchphase. Das von READ geprägte heidnisch-kämpferische Bild weicht WAKEFORDs Passion für Geister- und Mördergeschichten, alte, von READ intonierte Stücke erobert sich WAKEFORD zurück, intoniert sie neu und vor allem lässt er DAVID MELLOR viel Raum für dessen Keyboardklänge – erstmals lebt WAKEFORD hier seine experimentelle Ader aus, die später vorrangig auf seinen Solowerken zu hören sein soll. Instrumentale Stücke wie „Figures On A Beach“ wären in dieser Ausprägung auf den vorherigen Alben nur bedingt möglich gewesen. Auch textlich geht WAKEFORD hier deutlich weniger plakativ zu Werke; die mythischen, okkulten und historischen Bezüge sind deutlich knapper gehalten.

Das Album beginnt mit dem „Like A Sword“, einem typischen, kämpferischen SOL INVICTUS-Stück, das musikalisch am ehesten an das Titelstück von „Trees In Winter“ anknüpft. Cello und Keyboard ersetzen Geige und Flöte, „Valhalla“ und „Europa“ als feste inhaltliche Komponente bleiben. Doch damit ist der Vergangenheit dann auch weitestgehend Genüge getan; „In A Silent Place“ ist eher von Keyboardtupfern getragene Ballade, die den neuen Sound vorgibt. Das folgende achtminütige „Let Us Prey“ schließlich letztendliches Zeugnis eines Wandels in WAKEFORDs Sound: Cello, dunkle Keyboardflächen und eine gezupfte Gitarre. Nach einer Weile gesellt sich Wolfsgeheul zum Klang; meditativ, experimentell und melancholisch. „The Killing Tide“ ist musikalisch wiederum an „Like A Sword“ orientiert und bietet einmal mehr stilsichere Misanthropie: „Save yourself – kill them all“. Eines der großen Stücke des Albums und ein Klassiker im Schaffen von SOL INVICTUS überhaupt, und das nicht zuletzt auch durch den dröhnenden Bass von KARL BLAKE.
„The Man Next Door Is Very Strange“ ist schließlich eine neue Version von „Sawney Bean“, bei der WAKEFORD den Gesangspart von IAN READ übernimmt und das Stück weitaus direkter und aggressiver interpretiert – für mich eindeutig die bessere der beiden Versionen des Stückes über den schottischen Kannibalen ALEXANDER BEAN.
„Our Lady Of The Missing Presumed Dead“ ist wieder ein Stück Ambient – eine monoton gezupfte Gitarre, ein verhalltes „Ave Maria“ und MELLORs Klangteppiche sorgen für eine neue Komponente im Schaffen von SOL INVICTUS. Einmal mehr bringt WAKEFORD hier seine Faszination für Heidentum und Katholizismus gleichermaßen zum Ausdruck; der Marienkult als Relikt der alten Naturreligion und das theatralische Element der katholischen Messe sind in diesem Weltbild nicht Gegner, sondern Symbole der Hoffnung in einer Welt, von der sich die Götter längst abgewandt haben. Nirgends wirkt TONY WAKEFORD auch authentischer und glaubhafter als in jenen Texten, die sich zunächst arg widersprechen und die dann doch versöhnt werden: Wer sonst könnte in einem Moment eine wunderbare Hymne auf die alten Götter schreiben um dann im nächsten Song zu beklagen, dass diese niemals antworten? Dass WAKEFORD diesen Zwiespalt textlich ausdrückt, lässt ihn als Künstler wachsen und führt das ideologische Zerrbild, das politische Extremisten seit jeher von ihm zeichnen, ad absurdum.
Nach etwa vier Minuten wandelt das Stück sich dann zu einer Neuvertonung von „English Murder“, die jedoch mit dem Original nicht ganz mithalten kann. WAKEFORDs Gesang ist stark verhallt und zu versetzt für einen richtigen Song, und zu präsent um als Akzentuierung im Hintergrund zu wirken.
„The Wild Hunt – Something Grim This Way Comes“ ist letztendlich nichts weiter als eine Instrumentalversion von „Sawney Bean“ oder eben „The Man...“. Nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt notwendig, da es die dritte Version eines Stückes ist und WAKEFORD sich somit den Praktiken von PATRICK LEAGAS annähert. Allerdings gewinnt diese Version durch die stimmigen Paukenschläge am Ende, die dann doch versöhnen.

Angereichert ist die Wiederveröffentlichung mit Liveaufnahmen aus dem Jahr 1991 (die teilweise auch als Live-CD mit CURRENT 93 und DEATH IN JUNE unter dem Namen „Day Of Dawn“ veröffentlicht wurde – angeblich limitiert auf 500 Stück, was in Anbetracht der Tatsache, dass sie jeder Neofolk-Hörer zu besitzen scheint, als einigermaßen unglaubwürdig zu betrachten ist). Weiterhin ist eine alte Demoversion von „Somewhere In Europe“, die als limitierte Single erschien, als Bonus enthalten.
Ganz großartig wird es dann mit dem Bonusstück „The World Turns“, das dem „Lamp Of Invisible Light“-Sampler entsprang – hier stimmt alles: WAKEFORDs rauer Gesang, BRADSHAWs Cello, kurze und prägnante Trommelschläge und MELLORs geisterhafte Keyboardsequenzen: “The West Is Dead, The West Is Lost ...“ – eine Melange der alten und neuen SOL INVICTUS. Allerdings handelt es sich hierbei um die kurze und geschnittene Fassung des Stückes „A Palace Of Worms“, das in Kooperation mit MELLOR und BLAKE (EVIL TWIN) eingespielte Stück wurde auf den SOL-Part reduziert und BLAKEs Intonation von ALEISTER CROWLEYs „Hymn To Pan“ herausgenommen.
Das Album schließt mit einer Liveaufnahme von „Somewhere in Europe“, die 1991 als B-Seite der Single „See The Dove Fall“ erschien. Eine tolle Version, SARAH BRADSHAW darf ordentlich ihr Cello malträtieren und TONY WAKEFORD schreit sich die Seele aus dem Leib. Bedauernswert nur die Kratzgeräusche – die Vermutung liegt nahe, dass die Originalbänder verschwunden waren und hier eine mittelmäßig erhaltene Single digitalisiert wurde. Egal, Kult ist Kult!

Als eigenständiges Album hat „The Killing Tide“ für mich nie gänzlich funktioniert, dafür war es zu sehr Sammelsurium von alten und neuen Stücken und eben auch von Ambient-Klängen, die mitunter etwas zu lang geraten sind. Waren „Lex Talionis“ und „Trees In Winter“ in sich absolut schlüssige Alben, wirkte „The Killing Tide“ immer wie eine gute EP mit Bonusmaterial. Als Dokument einer musikalischen Neuausrichtung mit einigen großartigen Stücken funktionierte dieses Album aber allemal und tut es noch mehr in der Neuauflage, da das Bonusmaterial sich wunderbar in die verschiedenen Stilrichtung einfügt. Wer „The Killing Tide“ noch nicht besitzt, der sollte sich das Album daher umgehend zulegen. Und auch wer das Original besitzt, aber nicht „The World Turns“ in der Version des „Lamp Of Invisible Light“-Samplers sein Eigen nennt, für den lohnt auch der Kauf dieser CD, da sie jene vom Livealbum um Längen schlägt. Ein Stück Neofolkgeschichte und heute noch genauso faszinierend und fesselnd wie vor 20 Jahren.


 
Thomas L. für nonpop.de


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Zusammenfassung
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Inhalt
1. Like A Sword
2. In A Silent Place
3. Let Us Prey
4. The Killing Tide
5. Figures On A Beach
6. The Man Next Door Is Very Strange
7. Our Lady Of The Missing Presumed Dead
8. The Wild Hunt - Something Grim This Way Comes
9. A Figure On A Beach

Bonus:

10. The World Turns
11. English Murder
12. Fields
13. Raven Chorus
14. Black Easter
15. Death Of The West
16. Somewhere In Europe
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