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Andreas X.

GENOCIDE ORGAN: Under Kontrakt

Die wollen nur spielen ...


GENOCIDE ORGAN: Under Kontrakt
Genre: Industrial
Verlag: TESCO
Erscheinungsdatum:
Mai 2011
Medium: CD / LP
Preis: ~14,00 €
Kaufen bei: Tesco


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Was für ein Paukenschlag von GENOCIDE ORGAN! Äußerlich sind die Mannheimer ihrer Linie ohnehin immer treu geblieben, so auch auf "Under Kontrakt", dem ersten Studioalbum seit sieben Jahren. Eine militärisch-provokative Optik, dieses Mal offenbar mit den Bandmitgliedern selbst im Focus, eventuell bewaffnet und von einem Hubschrauber bewacht. Alle Gesichter sind mit einem Balken unkenntlich gemacht, auch das eine bekannte Gewohnheit: Die Industrial-Gruppierung der 'zweiten Welle' (etwa ab Mitte der 1980er-Jahre) hält beharrlich an ihrem Inkognito-Status fest, zeigt keine Gesichter und benutzt Pseudonyme, gleichwohl im Netz längst Klarnamen und Verbindungen zum Mannheimer TESCO-Label zu finden sind, welches bislang auch alle GO-Alben herausgebracht hat. Inhalte, zahlreich und gesellschaftskritisch vorhanden, werden nach wie vor nicht kommentiert, was in der Vergangenheit immer mal wieder zu bestürzter Resonanz und Missverständnissen führte, so wie das bei Industrial gewollt ist und war.
Thematisch dreht sich im Jahr 2011 alles, verrät der kurze Infotext, um das Sujet 'Soldaten' und deren Rolle in der Gesellschaft, von den keltischen Kriegern bis hin zur Schweizergarde oder den Söldnern in Afghanistan, unabhängig von der jeweiligen Motivation und Religionszugehörigkeit. Das Foto einer trostlosen Landschaft im dünnen Booklet könnte übrigens in Afghanistan aufgenommen worden sein, ebenso möglich wäre aber tote Flora nach einem Vulkanausbruch.
Für mich waren GO übrigens nie frei von Ironie, im Gegenteil, die übertriebenen militärischen Posen sowie das beharrliche Festhalten an falschen Namen allein könnten durchaus für ein Schmunzeln sorgen, und passend dazu steht auf der Rückseite der neuen CD – sehr frei aus dem Englischen übersetzt – der Hinweis: "Wir wollen nur spielen ..."

Den Vergleich zum seltsam kraftlosen Vorgänger "In Konflikt" (2004, NONPOP-Besprechung) gewinnt "Under Kontrakt" haushoch. Das neue Studioalbum ist ein derbes, aggressives und niederschmetterndes Kraftpaket, dessen Energieniveau nahezu über die ganzen 40 Minuten hinweg hoch bleibt.
Ohne Schonzeit startet "Error" (01) gleich düster und bedrohlich mit an- und abschwellenden Noise-Zerrungen, in nahezu rhythmische, lange Loops gepackt. Dazu die typisch vibrierenden, wabernden, apokalyptischen GO-Vocals, die oft durch ihre Wiederholungen wie eingespielte Samples klingen. Die wüsten Loops in "It's Over" (02) haben durch ihre Abfolge – wie häufiger auf "Under Kontrakt" – etwas Sirenenhaftes, die Stimme beschwört, predigt fast aggressiv immer wieder den Songtitel. (Am Ende des Stückes fällt auf, dass sehr schnell ausgeblendet wird, so dass manche Tracks, die auf die selbe Art und Weise beendet werden, fast abgehackt wirken.) "Forever Whore" (03) ist ein Urknall: rhythmisches Schaben, ein Gewehrfeuer an Geräuschen, die tatsächlich der Soundkulisse bei Egoshootern nicht unähnlich sind. Erneut wird rezitiert und beschwört: "You and me forever more ... you and me forever whore ..." Mit zunehmender Hördauer scheint "Under Kontrakt" immer brutaler, noisiger und schreiender zu werden, bis einschließlich "Tamil Eelam" (übrigens ein Thementitel, denn das ist der Name eines eigenen Staates, den tamilische Separatisten in Sri Lanka fordern).
"Armour Group" (08) nimmt dann etwas Geschwindigkeit heraus, ist nicht nur langsamer, sondern auch dezenter in der Anmutung, dabei allerdings nicht weniger bedrohlich. Herausragend kurz vor Schluss: "The Lord Is My Light" (10) mit einem Geräusch zwischen Didgeridoo und Hubschrauber, welches immer wieder in Hall ausbricht. Eingeblendet wird der titelgebende Gospelsong, der den 27. Psalm vertont und für einige Sekunden sogar unverfremdet stehen bleibt. (Wer bei all den militärischen Posen immer an das Schlechte im Musiker denkt – warum hier nicht mal das Gute annehmen? Hallelujah!)

Die Ursprünge der verwendeten Sprachsamples kann ich beim ersten Hören nicht identifizieren, sie klingen aber durchweg militärisch, das Wort 'fight' ist mir im Ohr geblieben. Klanglich ist bei GO wie immer alles wunderbar sauber verarbeitet, auch und gerade die Samples; eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Trotz des harschen und verstörenden Eindrucks kann "Under Kontrakt" selbst mit empfindlichen Kopfhörern gut durchgehört werden, versucht nicht über allzu fiese Frequenzen und pure Lautstärke zu punkten, wirkt analog und handfest. "Under Kontrakt" ist ein originäres, durchdringendes und energiegeladenes, zerstörerisches Industrial-Album, gegen das viele andere Genre-Vertreter wie weichgespült klingen!

Das Album erscheint übrigens auch auf LP (18 Euro, Link zum Artikel im TESCO-Shop). Hier der offizielle Trailer zum Album:


 
Andreas X. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» GO @ Wiki
» GO @ discogs

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Zusammenfassung
Was für ein Paukenschlag nach sieben Jahren! Das neue Studioalbum ist ein derbes, aggressives und niederschmetterndes Kraftpaket, dessen Energieniveau nahezu über die ganzen 40 Minuten hinweg hoch bleibt. Eine Zerstörungskraft, die viele andere Genre-Vertreter wie weichgespült klingen lässt.

Inhalt
01. Error
02. It's Over
03. Forever Whore
04. Denard
05. Prince
06. I'm With You Alll Days
07. Tamil Eelam
08. Armour Group
09. S.low
10. The Lord Is My Light
11. We Are Here To Have A Good Time
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