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Michael We.

ANTLERS MULM: Lost Brigade

Fast wie Weihnachten


ANTLERS MULM: Lost Brigade
Genre: Minimal
Verlag: Sonderübertr...
Erscheinungsdatum:
1. Dezember 2010
Medium: Kassette
Preis: ~10,00 €
Kaufen bei: Sonderübertr...


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Kaum ein Musiker gehört für mich so zum Winter wie HANS JOHM mit seinem Ein-Mann-Projekt ANTLERS MULM. Verschiedene Gründe dafür sind in vielen NONPOP-Besprechungen nachzulesen; hauptsächlich liegt diese Tatsache wohl in der wunderbaren "Weihnachtsfunk"-Serie begründet (Besprechung Vol. 3), auf deren vierten Teil ich seit 2006 warte und deren minimale Sounds, Klicks und Beeps sprühen wie die Funken eines Kaminfeuers. Immerhin – das soll nicht despektierlich klingen – ist dieses Jahr im Dezember eine AM-Kassette mit sieben bislang unveröffentlichten Songs und drei neuen Versionen schon bekannter Stücke erschienen. "Lost Brigade", sehr streng limitiert auf 80 Exemplare, fasst diese Lieder der vergangenen drei Jahre zusammen, die (noch) nicht den Weg auf ein Album gefunden haben. Es liegt also ein ähnliches Konzept zugrunde wie bei der "Lone Songs"-Zusammenstellung aus dem Jahr 2008. HANS will die zehn Stücke musikalisch zwar nicht als Ausblick auf zukünftige Arbeiten verstanden wissen, kündigt aber dennoch für das kommende Frühjahr ein neues Album an, dessen Sonderausgabe (exklusives Artwork etc.) der Käufer mit dem Erwerb von "Lost Brigade" vorbestellt, sofern er das möchte.

Die erste Seite des neuen Tapes offenbart eine erstaunliche Entwicklung: ANTLERS MULM klingt hier kühler, technischer, einsamer als gewohnt. Das wärmende Weihnachtsgefühl ist einer eisigen, kalten und klaren Wintersternennacht, der lyrische, rezitative Vortrag früherer Lieder Gesang gewichen. Gleich "Something I Could Be" (01) startet reduziert und klar, durch einen tuckernden Beat auch schneller als üblich. Die Stimme liegt deutlich und wie kristallisiert in der Luft, allerdings sind viele Sounds immer noch sofort ANTLERS MULM zuzuordnen. In diesem minimalen Kosmos ist "Harbourheads" (02) schon beinahe Techno. Ein Konzert aus Akkuschraubern und Bohrmaschinen treibt den Song, ruhig bleibt die Stimme. Zu diesem Track gehört Nebel auf die Tanzfläche eines schummerigen Clubs, der vorwiegend Cold Wave spielt. Aber auch das Kaminfeuer flackert noch, eines dieser typischen 'Plings' funkelt immer wieder. "Hollow Heart" (03) ist im Original – übrigens auf dem letzten regulären Album "Of Withered Sparks" (Besprechung) aus dem Jahr 2007 – ruhig, schwebend und glitzernd, allerdings existiert auch schon eine fülligere, dunklere Version als Remix. Nun wird das Stück mit noch deutlicherem Beat und einer nüchternen, fast maschinellen Stimme versehen. Das lange "Be A Receiver" (04) scheint zunächst eine analoge Synthesizer-Spielerei nach KRAFTWERK-Art zu sein, merkwürdig verloren darin, wie vom Körper losgelöst die Stimme. In der Mitte findet Verdichtung statt, Klang um Klang schichtet sich, um sich dann wieder abzuschälen. Auch "Heaven Is Wide" (05) ist bekannt (als Demoversion auf "Funkfeuer 3"), ein gedämpfter, mit weichen und warmen Synthiedrones als Träger versehener Song. Viel von dieser Stimmung behält das Update, nur etwas kräftiger gestaltet steht mit ihm in der Mitte der Zusammenstellung einer der schönsten Momente, welcher außerdem gemeinsam mit "Treasures" (06) den Übergang zu den 'wärmeren' Songs bildet.
Zwar bleibt es rhythmisch und flirrt und zirpt weiterhin im Takt, dennoch passt zum nächsten 'Remix' – "Treasures" befindet sich im Original auf der "Lone Songs"-CD – wieder einmal das Bild vom Wattebausch; die zweite Version ist auf jeden Fall lieblicher als ihr Vorbild. Im "Spring Song" (07) hüllen uns weiche Synthiedrones ein. Reduziert auf die Stimme und eine Art Trommel ist dieses Stück sehr melancholisch, höchstens das trillernde, hüpfende Begleitgeräusch hat was von einem Frühlingsvogel. Es folgen, zum Schluss, die beiden stärksten Stücke: "Woundcreeper" (08) führt neue Klänge ins MULM-Universum ein (Marimba?), aber auch hier klingelt wieder ein leises Glöckchen. Sehr melodiös, fast jubilierend, die Stimme weit entfernt, äußerst 80er-like. "Eat Yourself" (09) berichtet dagegen, traurig und nach innen gekehrt ("nobody cares for anybody"), von einem unstillbaren Hunger. Die Stimme wird nur von einem synthetischen Bass unterstützt, ein minimales Kleinod. "Something I Could Use" (10) schließlich ist die Reprise des ersten Tracks, analoge 'Boings' wie aus einem PC-Spiel und spacige Stimme beenden das Band.

Auch wenn "Lost Brigade" kein Ausblick sein soll, so gibt die Zusammenstellung doch die Entwicklung der vergangenen Jahre wieder, was das Warten auf das neue Album besonders spannend macht. Noch mehr Wave als auf "Of Withered Sparks", mehr Kühle und Beat wie auf Seite A? Oder doch die weiche, die Weihnachts(B)seite? So oder so sind hier erneut eine Reihe schöner, minimalelektronischer Songs versammelt, auch die kühleren ein wohliges Gefühl hinterlassend. Die Kassette kommt mit CD-R, allen Texten und zwei Aufklebern – womöglich noch rechtzeitig zum 24. Dezember. Wer neugierig geworden ist und aufgrund der kleinen Auflage nicht mehr zum Zuge kommt, kann mit dem erwähnten letzten Album aus dem Jahr 2007 oder der Neuauflage von "Weihnachtsfunk 1&2" (Besprechung) auf CD beginnen. Oder voller Vorfreude auf das neue Werk im Frühjahr warten.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» AM @ myspace
» AM @ last.fm
» HANS JOHM im NONPOP-Interview
» die beste "Weihnachtsfunk" (III) @ NONPOP

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Zusammenfassung
Zehn Songs aus den vergangenen drei Jahren, die (noch) auf kein Album gepasst haben. Die erste Seite überraschend kühl, die zweite gewohnt weich und 'winterlich'. Erneut eine Reihe schöner, minimalelektronischer AM-Stücke. Spannend die Frage, in welche Richtung sich das kommende neue Album bewegt.

Inhalt
Kassette mit Texten plus CD-R
lim. 80

A
01. Something I Could Be
02. Harbourheads
03. Hollow Heart - EF08
04. Be A Receiver
05. Heaven Is Wide - 09

B
06. Treasures - V02
07. Spring Song
08. Woundcreeper
09. Eat Yourself - Treasures PT2
10. Something I Could Use
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