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Michael We.

HAUS ARAFNA: You

"We have a war to fight!" (aus "Independent")


HAUS ARAFNA: You
Genre: Angst Pop
Verlag: Galakthorrö
Erscheinungsdatum:
Dezember 2010
Medium: CD / LP
Preis: ~14,00 €
Kaufen bei: Galakthorrö


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Wenn es im GALAKTHORRÖ-Universum so etwas wie Charts gäbe, wäre "You" das Hitalbum. HAUS ARAFNA arbeiten sechs Jahre nach "Butterfly" (2003) zwar mit denselben Mitteln wie immer: "Analog-Elektronik", "sägende Angst-Synthesizer-Ensembles" und "Schrei-, Sprech- und Zerrgesang im Takt von Rausch und Stahl" werden treffend im HAUSeigenen Promotext genannt. Allerdings setzen MR. und MRS. ARAFNA so sehr wie noch nie auf Rhythmus; alles Knirschen, Krachen, Zerren, Surren, Schlagen und Schaben fügt sich auf "You" inklusive Stimme in Pakete voll strukturierter Energie. Eine gewisse Faszination für das Phänomen 'Techno' (siehe dazu auch unser NONPOP-Interview) können manche der Songs, stampfend und peitschend, nicht verleugnen. "Avancierter, direkter zum Ziele hin dirigiert" sei "You", so formuliert es das Paar. 'Zugänglicher' wäre ebenfalls eine treffende Umschreibung; weit entfernt jedenfalls vom puren, harschen und brutalen Noise-Sound der Debütsingle "Sex U Mas" aus dem Jahr 1993. Nur ein einziger Song ("Fallen") schwebt, kommt auf dem neuen Album ohne Takt und hörbare Struktur aus. Eine folgerichtige Entwicklung, vergleicht man die ARAFNA-Veröffentlichungen der vergangenen 17 Jahre.

Die ersten der neuen Songs erwecken den Eindruck einer Fusion von NOVEMBER NÖVELET – dem Angstpop-Alter Ego der beiden Musiker – und HAUS ARAFNA. "Pain To Love" (01) ist anbetend, manisch und melodisch, allein in einer düsteren Kammer mit Kerze, die (männliche) Stimme kaum verfremdet. Auch "You Don't Believe Me" (02) nutzt die industriellen Sounds, um einen ungeheuer treibenden und flotten, aber dennoch geisterhaften Song zu erzeugen. Ein kurzes, von Geräuschschleifen dominiertes Stück (03) mit rezitiertem Text ("There is no logic in your suffering") birgt eine Tür in die andere, alte ARAFNA-Welt. "You" (04), der Titeltrack, ist brutaler, ein gefühlter Steinregen aus knallenden Blechen, der schreienden Stimme von MR. ARAFNA und Verzerrungen allerorten. "Judas Kiss" (05) wiederum mischt beides in Zeitlupe, industrielle Sounds – dazu gehört auch das fiese Zirpen im Hintergrund – und den betörenden, beschwörenden Gesang; eines der besten und hypnotischsten Stücke. Sowohl "Today You Died" (06) als auch "Lucifer" (07) und "The Woman You Are" (08) bleiben in diesem Fahrwasser, wobei vor allem "Lucifer" wieder sehr rhythmisch und mitreißend daherkommt, trotz oder gerade wegen der leicht besessenen anmutenden Vocals. (Hier fiel mir beim ersten Hören übrigens eine – musikalische, nicht stimmliche – Ähnlichkeit zu alten HUMAN LEAGUE-Songs ein, allerdings auf 33 statt 45 rpm gespielt.)
"Fallen" (09) ist der Song ohne vordergründige Struktur, höhlige Klänge zu verzweifelt wütenden Schreien. Auch "Alive Through Pain" (10) bleibt auf der derben Seite, wie wütende Hubschrauber drechseln sich fiese Frequenzen, Glocken und Schreie in die Ohren. "Colony Collapse" (11) ist ein Brecher, dessen gleichmäßiges Wummern und Schreien ihn für den Clubabend vor der nächsten 'Pain Party' prädestiniert. Der größte, ein Überhit aber ist mit "Independent" (12) ausgerechnet der letzte Song des Albums. Alles fließt hier ein: der Pop von NÖVELET, die teuflischen Vocals von ARAFNA, der zwingende Rhythmus beider Projekte sowie – ausnahmsweise – beide Stimmen, denn MRS. ARAFNA hält die betörende Einführungsrede, bevor ihr Partner intensiv und lockend übernimmt.

Textlich geht es – wie gewohnt bei HAUS ARAFNA – sehr körperlich um den Menschen; um Sehnsüchte, Verbotenes, Mord, Abhängigkeit, Abgründe und immer wieder um Schmerz und Tod. Das "You" des Albumtitels springt aus der ersten Textzeile eines jeden Songs. Der Gesang ist erstaunlich klar und in vielen Liedern auch als solcher zu bezeichnen; die Männerstimme hat ein deutliches Übergewicht. Bis auf wenige Einsprengsel hält sich MRS. ARAFNA zurück, was bei NOVEMBER NÖVELET ja genau umgekehrt ist. Musikalisch scheinen die ARAFNAs und die NÖVELETs oft zusammen gearbeitet zu haben: spooky sounds gab es zwar schon auf dem bis dato letzten ARAFNA-Album "Butterfly" und dessen Vorgängern, aber noch nie in solcher Dichte, was ebenso für die rhythmusbetonten Lieder gilt. (Ich spinne jetzt mal rum: Eine Art Fusion wird auch auf dem Cover angedeutet, denn der kopflose Männerkörper in Jesusstellung hat eindeutig eine Vagina.)
Diese intensive und hörbar analoge Achterbahnfahrt durch das menschliche Gehirn dürfte allen Fans von NOVEMBER NÖVELET spontan ans Herz wachsen und von dort nur schwer wieder zu entfernen sein. ARAFNA-Anhänger der ersten Stunde(n) könnten ein Untergewicht an harschen Tracks diagnostizieren. Da ich zur ersten Spezies zähle, ist "You" für mich Anwärter auf einen der vordersten Plätze in den imaginären GALAKTHORRÖ-Charts.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» GALAKTHORRÖ @ myspace
» ARAFNA @ myspace
» NÖVELET @ last.fm
» GALAKTHORRÖ @ discogs

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Zusammenfassung
Textlich geht es wieder sehr körperbetont um den Menschen. Musikalisch scheinen ARAFNA und NÖVELET zu kooperieren: Spooky sounds und Rhythmus in hoher Dichte, weniger harsches Material. Eine intensive und hörbar analoge Achterbahnfahrt durch das menschliche Gehirn, ein ARAFNA-Hitalbum.

Inhalt
CD unlimited
LP lim. 906

01. Pain To Love
02. You Don't Believe Me
03. Learned Helplessness
04. You
05. Judas Kiss
06. Today You Died
07. Lucifer
08. The Woman You Are
09. Fallen
10. Alive Through Pain
11. Colony Collapse
12. Independent
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