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Michael We.

ORCHESTRA NOIR: What If...

"A land of tea and toast"


ORCHESTRA NOIR: What If...
Genre: Neo - Klassik
Verlag: Neuropa
Erscheinungsdatum:
Juli 2010
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
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"Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!" Mit dieser vielzitierten Warnung aus der "Göttlichen Komödie" könnte auch "What If..." überschrieben sein, das erste Vollzeitwerk von ORCHESTRA NOIR nach der Umbenennung. "Aber wenigstens liefern wir schöne Musik zum Weltuntergang", dürfte TONY WAKEFORD ergänzen.
Mitte der 1990er-Jahre von ihm gegründet, war das damalige L'ORCHESTRE NOIR – zu dessen Mitgliedern unter anderem ERIC ROGER zählte – die Spielwiese für WAKEFORDs Interesse an klassischen Arrangements. Mit "Cantos" (1997) und "Eleven" (1998) erschienen zwei Alben, dann war Funkstille. Vor zwei Jahren tauchte das Projekt in, bis auf den verbliebenen Chef selbst,  gänzlich anderer Besetzung wieder auf, durch den Buchstabentauch 'E' gegen 'A' zwar internationalisiert, aber nach wie vor gut mit der Bezeichnung 'Neoklassik' vereinbar. Auch am filmischen Konzept – pro Veröffentlichung ein spezielles Thema – hatte sich wenig geändert. Die EP "The Affordable Holmes" (2008, NONPOP-Besprechung) beschäftigte sich natürlich mit dem Meisterdetektiv beziehungsweise dem britischen Schauspieler JEREMY BRETT, der HOLMES in einer seit Mitte der 80er produzierten Fernsehserie darstellte.

Auf "What If...", eben erschienen beim belgischen Label NEUROPA, sind nun doch einige Änderungen spürbar, die das Album zu etwas Besonderem machen. Sowohl die martialischen als auch die bedrohlichen, oft synthetischen Elemente des ehemaligen Orchesters, welche zum Teil noch auf der "Holmes"-EP vorhanden waren, haben sich in Luft aufgelöst. Auch der gregorianisch anmutende Frauengesang der 90er fehlt. Dagegen bekommt die klassische Instrumentierung so viel Raum wie noch nie. WAKEFORD hat die Besetzung weiter aufgestockt, einige weibliche Background-Stimmen sind zum Beispiel neu dabei, alte Bekannte wie GUY HARRIES an der Flöte oder SOL INVICTUS-Schlagzeuger 'M' (REEVE MALKA) ebenfalls.
Ein allen Liedern gemeinsames Thema ist schwer zu fassen; generell geht es häufig um Zerfall, vor allem den Zerfall Englands, wie wir später noch sehen werden. Die Texte sind dabei von einer Hoffnungslosigkeit, wie ich sie beim schwarzen ORCHESTRE/A selten empfunden habe. Zwar treten Puppen oder Clowns auf, aber das macht den Rest nur umso trostloser. Wenn die Sonne überhaupt je scheint, dann – wie in "A View From A Hill" – auf bleiche Knochen. Ein Gegensatz zur Musik, denn die Instrumente verströmen lediglich eine traurige Milde, tragen alle Singstimmen zart und weich.

Nach einem schrägen, kurzen Intro aus Geige und Oboe offenbart sich zum ersten Mal die fast makellose Schönheit, welche weite Teile des Albums auszeichnet (1). Holzbläser, eine Art Cembalo im Hintergrund und später Geigen unterstützen zart eine der mädchenhaften Frauenstimmen, die mich mehrfach auf "What If..." an ROSE MCDOWALL erinnern und zu der hier in der zweiten Songhälfte TONY WAKEFORD stößt. Wehmütig, verträumt und verspielt so wie auf der gesamten CD klingen die Instrumente, der Text dazu ("Pull out Christ's nails...") zynisch. Auch "Bedlam" (2) beginnt klassisch und traurig mit Piano und Oboe, letztere übrigens gespielt von dem hervorragenden MARK BAIGENT, der auch schon auf der "Holmes"-EP mit an Bord war. WAKEFORDs typische, leicht brüchige Stimme übernimmt zunächst solo, wird im Verlauf begleitet von tranceartigen weiblichen Vocals und lautmalerischem Gesang, unterbrochen nur von einem der typischen, langen instrumentellen Zwischenspiele.
"Nightjar" (3) liefert passend zur kammermusikalischen Zerbrechlichkeit und Emotionalität feenhafte Spinnweben-Vocals (mal ein anderer Vergleich: wie früher bei 4AD), zum stark impressionistischen Klavierlauf gesellen sich dann – auch dies ein immer wieder auftauchendes Stilmittel – improvisiert klingende Instrumente, deren Zusammenspiel sich verdichtet und mit einer Art Soundchor am Ende in Vogelgezwitscher mündet. Überraschung in "A Second Before" (4): Man meint, LISA GERRARD a capella singen zu hören. Daraus wird ein romantisches, fast kitschiges Duett mit WAKEFORD, Mann und Frau schreiten dem Sonnenuntergang entgegen, ein letztes Date; im Text dazu geht passenderweise die Welt unter.

Experimentell startet die zweite Hälfte (5): Bläser üben, Vögel kreischen, dann setzt wieder ein untröstliches Klavier ein, und WAKEFORD, dessen zweifelnde Stimme einfach perfekt zu der Atmosphäre dieser Scheibe passt, landet im Duett. Der Titelsong "What If..." (6) ist wahrhaft ergreifend: Wieder ein niedergedrückter WAKEFORD, der alles und jeden auf der Welt in Frage stellt, dazu herzzerreißend Piano, Oboe und die Flöte von GUY HARRIES. Mit "A View From A Hill" (7) steht zum ersten und einzigen Mal ein Stück unter psychedelischem Einfluss, vielleicht die Handschrift von RICHARD MOULT (UNITED BIBLE STUDIES), der auf "What If..." neben der Covergestaltung auch musikalischen Einfluss ausübte. Jedenfalls sinniert der Chef vor waberndem, blubberndem Frauengesang. In "Spitfire" (8) geht endgültig die Sonne unter, ein gefühltes Liebeslied im Wechsel Mann/Frau. Vor allem aber ist der Song bemerkenswert, weil er klare politische Statements liefert, den Zerfall Englands konstatiert und – wenn ich das richtig interpretiere – die militärische Beteiligung der Briten an internationalen Auslandseinsätzen kritisiert. Eine Stellungnahme zu aktuellen Themen, auf die WAKEFORD bislang immer bewusst verzichtet hat.

"What If..." ist ein britisches Album geworden, in einer Linie mit "Into The Woods" (WAKEFORD) und "The Affordable Holmes" (ORCHESTRA NOIR). Es beschäftigt sich mit England (wie angenehm un-narzistisch!), wir taumeln voller Hedonismus (Musik) durch edwardianische Zeiten in die Katastrophe (Texte). Die Mixtur aus sich bereits auflösender klassischer Schönheit und tiefer Hoffnungslosigkeit ergibt eine seltsam surreale, aber sehr berührende Atmosphäre. Ähnlichkeit zur Wirkung von PAUL ROLAND ist festzustellen, allerdings bleibt dessen Humor auf der Strecke.
Einige der weiblichen Stimmen erinnern an britischen Folk, ansonsten hat kaum je ein Album das Prädikat 'neoklassisch' so verdient wie dieses. Vielleicht brauchen die Lieder gerade wegen der ausgiebigen Instrumentalstrecken mit Oboe, Piano und Geige etwas länger im Anlauf, gewinnen aber bei zunehmendem Hören an Tiefe und Zauber. Im Wettbewerb der alten Helden liegt WAKEFORD mit diesem neuen Werk klar vorne.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» TURSA (WAKEFORD-Label)

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Zusammenfassung
Die Mixtur aus sich auflösender, klassischer Schönheit (Musik) und tiefer Hoffnungslosigkeit (Texte) ergibt eine surreale, sehr berührende Atmosphäre. Kaum ein Album war je so neoklassisch wie dieses mit seinen ausgiebigen Instrumentalstrecken. Gewinnt bei zunehmendem Hören an Tiefe und Zauber.

Inhalt
01. The House On The Hill (5:26)
02. Bedlam (3:49)
03. Nightjar (6:24)
04. A Second Before (7:03)
05. Circus (6:49)
06. What If (6:31)
07. A View From A Hill (6:49)
08. Spitfire (2:45)
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