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Michael We.

IN MY ROSARY: Retro

Nehmt uns oder lasst es ...


IN MY ROSARY: Retro
Genre: Electronic Wave / Folk-Rock
Verlag: Syborgmusic
Erscheinungsdatum:
Juli 2010
Medium: CD
Preis: ~15,00 €
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Vermutlich ist es ihr bestes, aber auch letztes Album. "Nach 18 Jahren schließen IN MY ROSARY nun den einst begonnenen Kreis", heißt es im Infotext zu "Retro". 1992 ist der Name des Projektes entstanden – übrigens durch einen Tippfehler auf der Hülle des ersten Tapes, denn eigentlich sollte es ROSERY heißen –, nun denken die beiden Karlsruher zurück, was sich auf den ersten Blick vor allem in der Wahl der Ausrüstung äußert: Alle Demos "sind allein mit Stimme, Gitarre und einem 4-Spur-Recorder geschrieben worden", auch für die späteren Studioaufnahmen haben RALF JESEK (Gesang und Instrumente) und DIRK LAKOMY (Lyrics) weitgehend auf Midi und elektronische Effekte verzichtet. Erlaubt waren eine Rhythmusmaschine (stereo), zwei Keyboards und Gitarren. Diese Reduzierung hat, um gleich auf einen der vielen positiven Aspekte zu sprechen zu kommen, einen äußerst reinen, klaren Klang zur Folge, analog und handgemacht. Die 14 Songs sind nicht verwaschen, sondern durchscheinend, in allen Einzelteilen wahrnehmbar. Tauchte die Stimme von RALF früher zum Beispiel häufiger in den Hintergrund ab, erscheint sie nun gleichwertig neben den Instrumenten.

Abwechslung, wie sie NONPOP-Kollege TONY F. in der Besprechung des guten Vorgängers "15" (hier) an manchen Stellen eingefordert hat, bekommt der Hörer nun reichlich, und zwar in Stimmung und Sound – der nächste Punkt auf einer langen Positivliste. Einige der Songs würde ich als 'typisch IN MY ROSARY' bezeichnen. Es sind die traurig-romantischen, nachdenklichen, gitarrenbasierten Lieder, zu denen der stimmungsvolle Opener "And This Emptiness Hurts" gehört, mit verzweifeltem Text ("My mouth is full of rubbish …"), dunklem Gesang, melancholischen Streichern und einer russischen Rezitation (dazu gleich mehr), ebenso wie das ruhige "A Kiss To You" oder das kurze Zwischenspiel "Splinter" mit Sprechgesang. Andere Stücke sind, nun ja, beinahe Disco-Kracher, tanzbare Elektrohits (und das mit wenig Elektronik!), wie etwa "Pills" mit seinen derben Schreien oder das flächige "Get Me". Neu für mich ist eine sehr kühle und bedrohliche Atmosphäre, welche Tracks wie "Wild Chase" und "At Home" ausstrahlen. Letzterer ist einer meiner Favoriten, der auch als 'Angst Pop' bei GALAKTHORRÖ laufen könnte: stoisches Schlagzeug und Bass, dazu RALFs leicht paranoide Flüsterstimme.

Zu dieser unglaublichen Bandbreite tragen sicher auch die vielen Gäste – mehr als auf jedem anderen IMR-Album – bei, was (leider) die These der Abschieds-CD stützt: MARTIN VON ARNDT (PRINTED AT BISMARCK'S DEATH) ist der Shouter in "Pills", der oben erwähnte Russe hört auf den Namen STAN_I (STILLIFE), der Karlsruher Keyboarder TOBIAS BIRKENBEIL (zusammen mit DIRK LAKOMY bei LAKOBEIL) ist ebenso dabei wie WOLFGANG KOCH (TORS OF DARTMOOR und Chef des IMR-Labels SYBORGMUSIC). Besonders der Einfluss von PAUL ROLAND, mit dem beide befreundet sind, ist unüberhörbar. Nicht nur hat er für "Fallow" sein allererstes Gitarrensolo eingespielt, manche "Retro"-Lieder klingen gar wie eine Hommage an die besten Jahre des Briten (etwa "A Trap"), also die 1980er, was zu einer weiteren Hypothese führt: Das Duo spielt sich durch seine eigene musikalische Sozialisation. Schon das Intro erinnert an CUREsche Nebelwälder, "Get Me" verbeugt sich vor HUMAN LEAGUE, das Mann/Frau-Duett in "Day Fly" winkt Richtung PHILLIP BOA. (Lieber Plattengott, solltest Du jemals erwägen, einen Song von IMR in die Charts zu bringen – hör' Dir doch mal diesen an).

Würde ich von diesem Projekt nichts wissen, würde ich vermuten, dass es sich hier um eine 'Best Of' handelt, eine Sammlung aus 18 Jahren, so gut und variantenreich sind alle Songs; empathisch und stimmungsvoll trotz 'einfacher' Instrumentierung. Für langjährige Fans sind Wut und Ärger auffällig, die sich an manchen Stellen offenbaren. So beginnt "Retro" mit den Worten: "Die ganze heutige Jugend ist ein mieser Haufen". Auch die Lyrics von DIRK scheinen mir etwas düsterer, hoffnungsloser; voller Blut, Tod, und krankhafter Beziehungen. Vielleicht schließt sich auch hier ein Kreis, schließlich wurde das nie als Band geplante Karlsruher Projekt nicht gerade vom Glück verfolgt. Trotz fortwährend guter Besprechungen in allen 'schwarzen' Magazinen, trotz immer wiederkehrender Auszeichnungen wie 'Urgesteine des deutschen Darkwave' oder 'Pioniere des Darkfolk' haben IN MY ROSARY in Relation zum Lob in den vergangenen Jahren nur wenige Alben verkauft, Vertragspech kam noch obendrauf. Insofern könnte "Retro" auch die Reflektion der eigenen Geschichte sein.
"Nehmt uns, wie wir sind – oder lasst es!", so lautet der Appell am Ende des Infotextes. Auf dem passend schlichten Cover befinden sich DIRK und RALF als letzte Gäste in ihrer Lieblingskneipe, umgeben von hochgestellten Stühlen. Last Call. Ich empfehle: SCHNELL NEHMEN!

DISKOGRAFIE:

1992 - Black Friend (MC)
1993 - Esor (MC)
1993 - Flood (7inch)
1993 - Those Silent Years (EP CD)
1994 - Under The Mask Of Stone (CD)
1995 - Strange (EP CD)
1996 - Farewell To Nothing (CD)
1997 - Against The Grain (CD)
1999 - A Collection Of Fading Moments (CD)
2001 - First Exit (EP CD)
2002 - The Shades Of Cats (CD)
2003 - The First Tape (CD-R)
2003 - Under The Mask of Stone [Rerelease + bonus] (CD)
2004 - Your World Is A Flower (CD)
2004 - Greetings From The Past (CD)
2005 - Farewell To Nothing [Rerelease + bonus] (CD)
2007 - 15 (CD)
2008 - 15 [Russian issue + exclusive bonus tracks] (CD)
2010 - Retro (CD)

 
Michael We. für nonpop.de


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Zusammenfassung
Das Darkwave-Duo blickt zurück. Aufgenommen wurde wie vor 18 Jahren: wenige Effekte, viel Handarbeit. So ist ein sehr empathisches Album mit großer Bandbreite an Sound (Folk bis Elektro) und Stimmung (romantisch bis düster) entstanden. Vermutlich ihr bestes, wohl aber leider auch ihr letztes Album.

Inhalt
01 Entree
02 And This Emptiness Hurts
03 Keep Away
04 Devil's Kiss
05 Don't Cut These Veins Too Soon
06 Pills
07 A Kiss To You
08 Fallow
09 Splinter
10 She's At Home
11 Wild Chase
12 A Trap
13 Get Me
14 Day Fly

~ 46 Minuten
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