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Roy L.

MI AMI: Cut Men 12"

"too much tension can cause chronic insomnia..."


MI AMI: Cut Men 12
Genre: No Wave / Dub
Verlag: Thrill Jockey
Erscheinungsdatum:
Dezember 2009
Medium: Vinyl 12''
Preis: ~11,95 €
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Die Worte „too much tension“ kommen mir neuerdings regelmäßig in den Sinn, wenn ich eine Platte des Friscoer Trios MI AMI auflege, gefolgt von dem etwas nervösen Gefühl antizipierter Benommenheiten, irgendwo zwischen Post-Adrenalin und Kopfschmerz. Auch verspürt man ein sich rasch intensivierendes Muskelzucken und die geheime Lust, die Lage alsbald eskalieren zu lassen. Dann sticht die Nadel ins schwarze Wachs und der ganze Laden fliegt in die Luft. Oder auch nicht.

MI AMI machen, so scheint mir, gerade das „too much tension“ zur Bedingung der Möglichkeit ihrer gelegentlichen Eruptionen, die aber niemals „befreiend“ sind. Jede Faser bleibt hier endlos angespannt, konzentriert und hart am Zerreißen, oft über acht Minuten hinweg – die durchschnittliche Länge ihrer Post-Song-Paranoia. Die Band war 2007 aus den Überresten der manisch-schrillen Garage-Punker BLACK EYES hervorgegangen. Die pure Aggressivität ihrer Musik haben sie von dort mitgenommen, aber man würde falsch liegen, erwartete man sich davon einen geradlinigen, Hardcore-erprobten auf-die-Fresse Kurs. Irritierend ist dabei vor allem der stoßweise herausgepresste Eunuchengesang, der bei Daniel McCormick tatsächlich wie ein Kraftakt anmutet und, von irrsinnigen Schreien begleitet, ein Repertoire zwischen Mickey Mouse und der totalen Hysterie bedient. Wie das letztjährige LP-Debüt „Watersports“ und davor schon eine Reihe von 12“-Singles zeigten, haben McCormick, Long und Palermo außerdem viel von den alternativen Rhythmussystemen von Dub, Funk, Afrobeat, Minimaltechno und Krautrock verdaut und verarbeitet. Daraus ergibt sich eine Musik, die ganz extrem aufs Physische fokussiert ist und die auch „hart“ sein kann, ohne wie ein „Brett“ daherzukommen. Für jede Wuchtigkeit fehlt ohnehin der Raum in dieser minimalistischen „tightness“ von Bass und Schlagzeug, wie sie einst bei PiL, GANG OF FOUR und unzähligen funk-infizierten FACTORY-Produktionen bis zum Exzess betrieben wurde. Ein wenig müssen die Wahl-Kalifornier daher auch im Kontext des immer noch andauernden Post-Punk-Revivals rezipiert werden, aber es wuchern darunter auch gewisse Faktoren des Unvorhersagbaren. Sicher ist jedoch die Evolution der Noise-Pop Kids der späten 90er und 00er Jahre ein Stück weit dafür verantwortlich, dass sich MI AMIs aufgeputschte Kampfhörspiele mitunter anfühlen, wie die kokainhaltigen Arschwackelorgien von LIQUID LIQUID und den CONTORTIONS, gezerrt durch einen Filter aus überzogenen Gewaltphantasien, Tiefkühlpizza und postmoderner Orientierungslosigkeit.



Auf ihrer aktuellen 12-inch „Cut Men“ taucht das alles noch einmal in hochkonzentrierter Form auf. Da ist sie wieder, die Anspannung, diese Nervosität, in der sich Bass und Schlagzeug einander bis zum Limit hochpushen und dann in einen stressigen Krautgroove ausweichen, der zuerst an GANG GANG DANCEs Über-Hit „First Communion“ denken lässt, sich aber sogleich einem viel abgründigeren Drift hingibt. Es liegt etwas vom beißenden Ruch einer Legion von angry young men in der Luft, angesäuert vom Schweiß durchtanzter Nächte, ausufernd in Katarakten der Testosteronausschüttung. Ein achtminütiger Stupor aus hochgepitchten, ARTO LINDSAY/DNA-mäßigen Gitarrennoise-Glissandi, die nirgends mehr ein Bewusstsein erweitern und grundlosen Schlägereien, an denen sich niemand mehr abreagieren kann. Es ist eine Art Neuinszenierung urbaner Rituale, wie sie vor knapp dreißig Jahren schon von 23  SKIDOO oder CLOCK DVA zelebriert wurden. „We live in a limbo and thirst for freedom. Freedom from all forms of movement...“, schrieb GENESIS P-ORRIDGE damals in den Linernotes zu CLOCK DVAs ekstatischem Debüt „Thirst“. Aber an die Stelle des rituellen Befreiungsaktes tritt hier im Surren und Dröhnen untergewichtiger Synthies nun ein gewaltiger negative drive, der den Hörer instinktiv auf einen absurden Nullpunkt zusteuern lässt. „Cut Men“ ist die volle Explikation des banalen Nihilismus, ein düsterschrilles Tanzflächennocturno, ein Großstatdtthriller ohne happy end, ein stetes Herzrasen, das im epochalen Nervenzusammenbruch einer zum Scheitern verurteilten Generation endet.

Die Flip-Seite enthält mit „Out At Night“ eine atmosphärische Dub Version, die die überschüssigen Energien des Gewaltaktes in einem Nebel aus Wahrnehmungsstörungen und wattigen Dröhnungen zu ersticken sucht. Dennoch scheint hier alles mit doppelter Intensität hervorzutreten: das Feuchte der Straßen und des Asphalts, der nicht verschwindende Druck im Schädel nach einer Reihe schlafloser Nächte, immer neu entfacht durch das ewige Nachhallen hypnotischer Disco Handclaps. „Out At Night“ ist ein Symbol des endlosen Umherstreifens ohne Sinn, des sich Verlierens in einem Stimmungsgemisch aus tropical daze und kaltem Fieber.   
Ein wenig fühlt man sich dabei auch an die nachtmystische Sogkraft der unterkühlten No-Waver IKE YARD erinnert, aber MI AMI sind im Vergleich alles andere als Klangtüftler und brillieren eher durch die geschärften Instinkte, mit der sie das Raubtierhafte ihrer Musik im Zaum halten oder außer Kontrolle geraten lassen. Meistens aber, und darin liegt ihre besondere Qualität, lassen sie die Substanzen auf kleiner Flamme köcheln und saugen daraus den süchtig machenden Nektar perpetuierender Stressekstasen.

 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Mi Ami via MySpace
» Thrill Jockey Records
» "Echononecho" Live-Clip
» Video-Interview | XLR8R


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Zusammenfassung
"...maybe the best way to contextualize it is we all go for repetitive song structure, 'groove', percussion, negative space and intensity. But all this genre lumping has got to go." (Daniel Martin-McCormick)

Inhalt
A:
Cut Men

B:
Out at Night

16min

#12.38 | schwarzes Vinyl | 45rpm
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