Michael We.
MEM1: +1Dark Side of the Cello
Genre: Experimental
Verlag: Interval... Vertrieb: A-Musik Erscheinungsdatum: Sommer 2009 Medium: CD Preis: ~11,00 € Kaufen bei: Interval... Das Cover sieht aus wie eine Szene aus "Akte X": Ein Haus, das nur noch schemenhaft zu erkennen ist, wird von einer nicht zu definierenden Lichtquelle in warme, fast schon grelle Farben getaucht. Auch die weiteren Motive des hübsch gestalteten Digipaks verstärken den ersten Eindruck: Es geht um etwas schwer Fassbares, Grenzüberscheitendes. Was ist real, was Illusion? Oder auf die Musik übertragen: Was an dem lebenden Organismus, den MEM1 erschaffen, ist akustisch und 'echt', was synthetisch? INTERVAL RECORDINGS ist ein kleines, israelisches Label und Künstlerkollektiv, das sich genau mit dieser Vermischung, mit Elektroakustik befasst. Hauptaufgabe ist zwar nach wie vor die Durchführung von "Laptopia", einem israelischen Festival für experimentelle Kunst mit wechselndem Veranstaltungsort, welches inzwischen schon in die sechste Ausgabe geht. Dennoch erscheint seit 2005 auch eine CD pro Jahr. Mit MEM1 hat INTERVAL schon von Beginn an zusammen gearbeitet, und die aktuelle CD "+1" des US-Ehepaares ist nun der bisherige Audiooutput des laufenden Jahres. Ausführliche Biografien von LAURA und MARK CETILIA sind auf der MEM1-Homepage bzw. den jeweils eigenen Seiten der Partner nachzulesen, aber eigentlich ist es denkbar einfach: LAURA spielt Cello, und MARK verfremdet die Töne mittels Hard- und Software. Dieses Mal war am Ergebnis pro Track noch ein weiterer, befreundeter Soundtüftler beteiligt, dessen Name gleichzeitig die Betitelung darstellt. Aus den USA sind zum Beispiel JOE CANTRELL alias RS-232 und die Multimediakünstlerin KADET KUHNE zu finden, aus Deutschland JAN JELINEK und der momentan fast allgegenwärtige FRANK BRETSCHNEIDER, Ex-Mitglied von AG GEIGE und Mitbegründer des Chemnitzer Labels RASTER-NOTON. Verblüffend ist, was während der 56 Minuten dann tatsächlich das Ohr bewegt: fast nichts. Es sind hauptsächlich gedehnte Drones aus – ja was eigentlich? Manchmal schält sich ein Cello heraus, welches aber über lange Strecken auch wieder verschwunden sein kann. Der starke, organische und lebendige Ton, der permanent im Raum steht, ist seltsam berührend, im wahrsten Sinne des Wortes. Es fühlt sich an, als ob er tastend über die Haut streicht, während im Hintergrund Geräusche knistern und knastern. Innerhalb eines Songs – der eigentlich gar nicht so zu nennen ist, denn übliche Strukturen wie Melodie oder Refrain fehlen fast vollständig – wechselt oft die Stimmung. Von bedrohlicher An- zu beruhigender Entspannung und umgekehrt. Ebenso geht eine erwartungsfrohe, leicht nervöse Stimmung – mit Ansätzen von Minimal-Percussion – in eine friedliche, befreite Atmosphäre über. Häufig werden diese Änderungen durch mehr akustische – warm und freundlich – beziehungsweise synthetische – ängstlich und dunkel – Elemente hervorgerufen. Als Überraschung tauchen kurz vor Schluss Töne von echten Lebewesen auf, eine Ahnung von Vogelgezwitscher, außerdem kristallisiert sich ein Rhythmus heraus. Der für MEM1-Verhältnisse fast ekstatische, wenngleich leise Percussion-Loop könnte Vieles bedeuten: den Übergang in eine andere Dimension, die endgültige Trance dieses seltsamen, auf CD gebannten Geschöpfs. Für Wörter gibt es den Begriff 'tag cloud', eine Wolke aus Stichwörtern. Für Töne müsste ein ähnlicher Begriff eingeführt werden, denn MEM1 haben ästhetische Wolken aus einzelnen Tönen geschaffen. Moderne Kammermusik in Zeitlupe, die mit minimalistischen Mitteln eine große Bandbreite an Emotionen abdeckt. Empfehlung für alle, die sich auf das Langsame und Wenige einlassen können und gerne konzentriert hören.
Michael We. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » MEM1 @ myspace
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Zusammenfassung
Ein Cello bildet die Basis. Dessen Töne werden mit Hilfe von Hard- und Software verfremdet. Wolken aus Drones entstehen, die - verfeinert durch neun Gasttüftler - eine große Bandbreite an Emotionen abdecken. Moderne, ästhetische Kammermusik.
Inhalt
01 + Jan Jelinek
02 + Ido Govrin 03 + Area C 04 + RS-232 05 + Frank Bretschneider 06 + Kadet Kuhne 07 + Jen Boyd 08 + Jeremy Drake 09 + Steve Roden |