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Stefan W.
DIE WEISSE ROSE: A Martyrium Of ...
White Roses
Genre: Melodic Ambient
Verlag: Cold Meat
Medium: CD / LP
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Kategorie: Rezension
Erstellt: 04.07.2009
Wörter: 1065
Artikelbewertung:
positiv:75% negativ:25%
Zahllose Konzerte haben die dänische Band DIE WEISSE ROSE bekannt gemacht. Nun ist nach langem Warten endlich das erste Album bei COLD MEAT INDUSTRY erschienen. Die meisten Hörer wissen, was sie erwartet: Düstere, orgelartige oder filmsoundtrackartig flächige Keyboards, repetitives Pianospiel, müde, intensive Militärtrommeln und ein Sprechgesang, den THOMAS BØJDEN mit kräftiger, klar artikulierter Stimme und im typischen Skandinavierenglisch vorträgt. Bei den zahlreichen Sprechsamples handelt es sich leider sehr oft nicht um Originaldokumente sondern um Ausschnitte aus Filmen. Das Sample des rezitierenden Ezra Pound in «The Solitary Volcano» zeigt, um wieviel beeindruckender Originalsamples sind. Mit am schönsten an dem Album sind die Geigenparts, welche PETER FELDL von der Salzburger Neofolkband JÄNNERWEIN eingespielt hat. Alles zusammen webt eine wehmütige, heroische und monumentale Stimmung, die sich vor allem aus dem Geist der ersten Hälfte des 20. Jh. speist. Inhaltlich klaut Thomas Bøjden so offensichtlich bei DEATH IN JUNE, LES JOYAUX DE LA PRINCESSE und den frühen BLOOD AXIS (aus der Zeit der CTHULHU-Sampler-Beiträge), dass man nicht von einem Klauen sondern von einem Zitieren sprechen muss. Damit wäre wohl das Kriterium für das Etikett Retro erfüllt. Und ja, in der Tat, DIE WEISSE ROSE ist für mich Retro-Neofolk (unter der Prämisse, dass Neofolk nicht nur Schrammelbarden sondern auch Ambient-, Ritual- und LAIBACH-inspirierte Künstler umfassen kann und vor allem semantisch definiert werden muss). Nachdem mittlerweile fünfzehn Jahre seit der Hochzeit des Neofolks vergangen sind, scheint es auch durchaus an der Zeit zu sein, dass dieser Stil in einem bewussten Rückgriff wieder aufgenommen wird. Gegen die Retrothese spricht allerdings, dass Thomas Bøjden sehr gut in die letzten Reste der alten Neofolkszene integriert ist (ORGANISATION EDELWEISS, OCCIDENTAL CONGRESS, MARIENBERG JUGEND, STEPHAN P., SOLEIL NOIR, ALLERSEELEN, JÄNNERWEIN, ROGER KARMANIK, BLOOD AXIS, JOHN MURPHY u. a.). Das bedeutet, er greift die Stilmittel des Neofolks nicht von außen her auf, sondern operiert aus einem immer noch lebendigen Kreis heraus. Es gibt indessen ein weiteres Argument für die Retrothese. Retro ist meist gekennzeichnet durch ein recht enges Themenspektrum, eine Fixierung auf die wesentlichen Vorgaben des Originals. Dies macht oft den Eindruck fehlender Tiefe. Und tatsächlich ist dies auch bei der WEISSEN ROSE bis zu einem gewissen Grad der Fall. Das Thema Europa in Ruinen, mit den Stilmitteln von Jugendstil und Neuer Sachlichkeit gezeichnet, wirkt mit der Zeit eng. DEATH IN JUNE oder LES JOYAUX DE LA PRINCESSE hatten einen natürlicheren Zugang zur Thematik, blieben weniger darauf fixiert und hatten daneben auch andere Tattwas, denen sie ihre Rituale widmeten. Was aber ist neben all dem Zitieren eigentümlich für DIE WEISSE ROSE? Auf der Ebene der Musik ist es vor allem eine gewisse Wucht und eine sichere, kräftige Melodieführung. Beides ist typisch für skandinavische Bands, und Beides fehlt oft bei Neofolkbands, weil es einer intimistischen Atmosphäre abträglich ist. Eine eigentümliche Schwäche liegt meines Erachtens in Thomas Bøjdens Sprechgesang. Jener ist zwar schön kräftig und gut artikuliert, doch auf Albumlänge beginnt er etwas langweilig zu werden. Auf der Ebene der optischen Gestaltung ist der heroische Monumentalismus von BLOOD AXIS sehr nah, doch wirkt DIE WEISSE ROSE weniger verkrampft und engstirnig. Die Lyrics von Thomas Bøjden sind einfach und klar, teils symbolisch und teils direkt. Neben seinen eigenen Worten werden Louis Ferdinand Celine, Hermann Hesse, Friedrich Nietzsche und Goethe zum Teil in ganzer Songlänge zitiert. Die Themen sind Untergang des Abendlandes, Dunkel, Einsamkeit, Heroismus, Freiheit und Isolation von der zeitgenössischen Gesellschaft. Für die neofolktypische politische Provokation, die durch Ambivalenz abgefedert wird, ist natürlich auch gesorgt. So spricht in «At The Doorsteps Of Our Temple» die Hoffnung: «Now I found my good men / Are gathered in the Night», und eines Tages «again in delight they [will] cry: / Freedom! Freedom! Freedom!» Darauf erklingt ein Sample des SENDERS WERWOLF, worin die «Freiheitskämpfer» zum Guerillakrieg im besetzten Deutschland angefeuert werden. Thomas Bøjden geht es aber wohl kaum um affirmative NS-Propaganda. Davon zeugt schon der Name der Band, dann Sophie Scholls Portrait, das auf der CD abgebildet ist, und schließlich das Sprechsample von der Urteilsverkündung gegen die christliche Anti-NS-Widerstandsgruppe WEISSE ROSE. Bøjden zeichnet das Schicksal von Menschen, die todgeweiht für die Freiheit (oder das, was sie dafür halten) kämpfen. Zu diesem Zweck evoziert er das Ringen von Ezra Pound, der Gruppe WEISSE ROSE, der Freischärler des WERWOLFS oder jenes Kriegers, von dem in Nietzsches Gedicht «Letzter Wille» die Rede ist. «White Roses» im Titel des Albums bezieht sich wohl nicht nur auf die deutsche Widerstandsgruppe, sondern ist Symbol für alle mit reinem Herzen kämpfenden Menschen. Ihr «Martyrium» hat Bøjden als Grundthema für sein Album gewählt. Die Polarität der Widerstandsgruppe WEISSE ROSE und des WERWOLFS soll sich in einer Dialektik zu einer höherliegenden, verborgenen Einheit auflösen. Man muss auch immer bedenken, dass es für den Dänen Thomas Bøjden (oder auch für Engländer wie Patrick Leagas) etwas ganz anderes bedeutet, sich romantisierend mit deutscher Geschichte der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jh. zu befassen, als wenn dies ein Deutscher täte. Wenn NPD-Demonstranten ein Plakat mit «Opa war in Ordnung» durch die Straßen führen oder deutsche Fans unter einer Bismarckeiche vom angeblichen «Deutschtum» Nicos schwärmen, so unterscheidet sich dies gänzlich von einem Patrick Leagas, der die Uniform des Feindes anzieht, gegen den sein Vater gekämpft hat, oder von dem jungen Dänen Thomas Bøjden, der in der deutschfeindlichen Gesellschaft Dänemarks aufsteht und seine ganze Energie einer Beschwörung des deutschen Geistes der ersten Hälfte des 20. Jh. widmet. Zuletzt muss – wie sich das bei einer Neofolkveröffentlichung gehört – die Verpackung hervorgehoben werden. Das Digipack kommt im Prägedruck, das Booklet im dunklen Olivgrün mit weißer Schrift und zahlreichen heroisch-tragischen Malereien von Sascha Schneider, den mancher v. a. als Illustrator von Karl Mays Büchern kennen dürfte. Die Lyrics sind alle abgedruckt. Auf die Kappe von COLD MEAT INDUSTRY gehen aber auch einige Druckfehler und die Verwechslung der Songtitel «Letzter Wille» und «Unser Leben geht dahin wie ein Geschwätz». Wie könnte die zukünftige Entwicklung der Band aussehen? Meines Erachtens täte Thomas Bøjden gut daran, sich eine Sängerin und einen Sänger zu suchen. Auch eine Ausweitung des organischen Instrumentariums käme der WEISSEN ROSE gut zu stehen. Es bleibt also noch manches ausbaufähig, doch unter dem Strich ist das vorliegende Album eine vorzügliche Neofolkveröffentlichung. Mein persönlicher Anspieltipp ist «The Solitary Volcano». Wer einen Tanzflächenknaller sucht, dürfte bei «Nicht Schuldig» fündig werden. Die bisherigen Reaktionen auf «A Martyrium Of White Roses» zeigen, dass ich mit meiner guten Meinung zum Album nicht alleine bin. Das freut mich für Thomas Bøjden.
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Zusammenfassung
Wuchtiger skandinavischer Melodic Ambient mit viel Militärtrommeln, kräftigem Sprechgesang und Filmsamples. Man hat die Neofolkgeschichte fleißig studiert und zitiert ausgiebig. Das Album mag manchem als zu einschlägig erscheinen. Wer sich aber darauf einlässt, wird nicht enttäuscht sein.
Inhalt
A Martyrium Of White Roses
Im Nebel
The Solitary Volcano
Letzter Wille
Unser Leben geht dahin wie ein Geschwätz
At The Doorsteps Of Our Temple
Nicht schuldig
As The Last Of The Petals Are Shattered
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