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DIANA ROGERSON & ANDREW LILES:
No Birds Do Sing
Genre: Experimental
Verlag: Dirter...
Vertrieb: Cargo
Erscheinungsdatum:
20. Februar 2009
Medium: CD
Preis: ~17,00 €
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Kategorie: Rezension
Erstellt: 01.06.2009
Wörter: 1234
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Dieser Artikel wurde in der SUBLIMINAL-AeTTESTUPA">Hörschau Nr. 23 mit Musikbeispielen vertont!
Für musikalische Kollaborationen gilt gewöhnlich der gleiche Gemeinplatz wie für Duette, nämlich dass die besten Zusammenarbeiten dann zustande kommen, wenn möglichst unterschiedliche Konzepte und Charaktere aufeinander treffen. Eine ganz bemerkenswerte Gemeinschaftsarbeit ereignete sich Ende letzten Jahres zwischen der in Irland lebenden Performancekünstlerin und Vokalistin DIANA ROGERSON und dem englischen Experimentalmusiker ANDREW LILES, laut dem Side-Line-Magazin der letzte lebende Klangalchemist und ganz sicher einer der interessantesten Vielveröffentlicher unserer Zeit. Allerdings scheinen bei den beiden eher die Gemeinsamkeiten zu überwiegen: Sie eint die Herkunft aus dem NURSE WITH WOUND-Kosmos – „A Bad Diana“ als Gattin STEPHEN STAPLETONs und seit den 80ern ein wichtiger Gast auf seinen Alben, Liles als sein neuer Kopilot und überhaupt der erste Musiker, dem nach HEMAN PATHAK und JOHN FOTHERGILL beinahe so etwas wie eine feste Bandmitgliedschaft zugestanden wird. Was angesichts dessen nicht überrascht, ist Rogersons und Liles’ gemeinsamer Sinn für ausgefallene Bizarrerien, welcher die klangliche, visuelle und (falls vorhanden) auch textliche Seite ihrer bisherigen Veröffentlichungen durchzieht. Exemplarisch sei hier auf Rogersons frühere Inkarnationen FISTFUCK und CHRYSTAL BELLE SCRODD und auf Liles monumentale „Vortex Vault“-CD-Reihe verwiesen, sowie nicht zuletzt auch auf seine Überarbeitungen früher CURRENT 93-Klassiker im letzten Jahr. Und auch wenn es im Bereich der experimentellen Musik ein selten geäußertes Lob ist, verfügen beide dabei über ein großes Unterhaltungspotenzial. Die vorliegende Aufnahme ist die erste Gemeinschaftsarbeit der beiden, die außerhalb der Regie Stapletons entstanden ist – und dies übrigens an ganz unterschiedlichen Orten: Rogerson nahm ihre Vokalparts in COLIN POTTERs „Water Tower“-Studio auf, dem die Welt so manche gelungen produzierte NURSE WITH WOUND-Platte verdankt, Liles dagegen fabrizierte seine Soundkollagen in einer „Bear Den“ genannten Klangschmiede an der englischen Riviera – wie man vermuten darf erst nach Vorlage des Gesangsmaterials. Das Resultat schließt an Rogersons letztes größeres Lebenszeichen an, ein vor knapp zwei Jahren erschienenes (und leider etwas wenig beachtetes) Solo-Album namens „The Lights Are On But No-One’s Home“. Mit Unterstützung ihres Ehemannes und einiger weiterer Freunde brachte Diana dort mittels verhaltener Drones und überwiegend rezitativem Gesang ein Werk zustande, welches trotz seines eher sanften Klangs eine subtil-beklemmende Wirkung zu entfalten vermag. Das musikalisch recht kohärente und gediegene Gesamtbild wurde jedoch immer wieder durchbrochen von überraschend eingewobenen klanglichen Disharmonien – Elemente, die am ehesten den Auftakt zu „No Birds Do Sing“ bilden, welches, soviel vorweg, von wesentlich exzentrischerer Gestalt ist. Trotz der Kongenialität von Stimme und Sound geht es auf dem neuen Werk zunächst ausgesprochen kontrastiv zur Sache. Wie bei den meisten Arbeiten von Liles wird hier ein äußerst heterogenes akustisches Material aus gesampleten Alltagsgeräuschen und Stimmfragmenten gekonnt mit dem Klang exotischer und klassischer Instrumente kombiniert, von denen sich die Querflöte, eine groovige Orgel und einige Geräte aus dem orientalischen Raum noch am deutlichsten zu erkennen geben. Was dabei herauskommt, ist ein virtuoses Klangbild, das gerne mit der Metapher „organisch“ umschrieben wird, da die Klänge etwas Verwachsenes haben und sich kaum metallisch oder computergeneriert anhören. In Interviews erfährt man, dass Liles bei seinen Reisen ins Morgenland für eine gute Feldaufnahme schon mal seine Unversehrtheit aufs Spiel setzt – daran musste ich bei dem orientalisch instrumentierten „Ever Afflicted With“ denken, das mit seinem Saitenspiel und dem zum Bauchtanz animierenden Rhythmus einen der im klassischen Sinne schöneren Momente des Albums bereithält. Weitere Exotismen finden sich in dem treibenderen „Ki Denga Pepo“, bei dem die Perkussion und die gebellten Männerstimmen (Liles selbst oder die extrem manipulierte Stimme Dianas?) beinahe an polynesische Kriegstänze erinnern. Wenn man seine früheren Veröffentlichungen und seine immer wieder gewollt ins Absurde abgleitende Affinität zum Viktorianismus kennt, mag man auch darin eine Version der augenzwinkernd-ironischen Sicht Liles’ auf die englische (Kultur-)Geschichte sehen – hier speziell die kolonialen Aspekte miteinbezogen. Das so perfekt kollagierte Material allerdings wird am Ende doch wieder durch allerlei Überraschungen gebrochen. So werden beinahe tanzbare Stücke häufig viel zu früh ganz abrupt beendet. Vielleicht spricht dies ja für ein gespaltenes Verhältnis des Komponisten zu schönen Körperbewegungen. Jedenfalls sind die kurzen Up- und Midtempo-Passagen dadurch ebenso hinterhältig wie Liles’ früherer Anti-Clubhit „The Drummer is on Valium“, bei dem der Tänzer über eine sehr sichere Motorik verfügen sollte. Ausgiebige Drones sorgen dann endgültig dafür, dass der Soundscape-Charakter des Ganzen gewahrt bleibt. Zuguterletzt trifft dies dann auf ebenso krude wie passend zusammenmontierte Textfragmente Rogersons, die den Eindruck hinterlassen, ohne nennenswerte Planung und Vorbereitung entstanden zu sein, und zu denen auch Passagen in onomatopoetischer Lautsprache zählen. In ihrer Wandlungsfähigkeit profiliert sich die Sängerin als Meisterin der Pose und des Rollenspiels. Mal tritt Diana als verführerischer Succubus auf, mal als gefallene Frau, die die Grenze des Wahnsinns schon überschritten hat. Dann wiederum thematisiert sie in dem Stück „To Spin“ ihre eigenen ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten in einem Exkurs über ihre Unfähigkeit zu singen. Die wird dann auch gleich sehr anschaulich demonstriert, denn im herkömmlichen Sinne singt Rogerson ebenso wenig wie die titelgebenden Vögel. „For you I will sing“, so trotzt sie mit forcierter Schrägheit ihren fingierten Unzulänglichkeiten und zugleich jeglichem Zwang zum Schönen. Und auch wenn ihrem trunkenen Lamentieren eine Spur von Tragik nicht fremd ist, so überwiegt doch die humorvolle Groteske, und überall gilt die Devise „weil Dada da war, ist Dada da“. Ich will nicht behaupten, dass mir der Gesang auf Albumlänge über Gebühr an den Nerven zerrt, obwohl eine derartige Reaktion sicher auch irgendwie im Sinne Rogersons wäre. Nach einem kompletten Durchgang allerdings bin ich doch ganz froh, anschließend noch einmal den Opener „Should The Prayer Wheel Turn“ zu hören, bei dem der dronige Sound im Vordergrund steht und der Stimmeinsatz etwas verhaltener ist. Rogersons Gesang hat eine leicht jazzige Note, ist gelegentlich lasziv abgeklärt wie die Stimme LYDIA LUNCHs auf ihren Spoken Word-Alben, und entbehrt jedes versöhnlichen, gesetzten Tonfalls, der auch kaum zur bis zur Abgedrehtheit verspielten Erotik des Albums passen würde. Dafür findet sich völlig enthemmtes Schreien und Stöhnen und auch das hämische Gelächter, dass schon auf dem letztjährigen NURSE WITH WOUND-Album „Huffin’ Rag Blues“ zu hören war, an dem beide Künstler mitgewirkt haben. Dass es in diese Richtung auch klangliche Parallelen gibt, überrascht sicher nicht, aber im direkten Vergleich erscheint „No Birds Do Sing“ doch noch wesentlich gewagter, sperriger und unvorhersehbarer in seinem Aufbau – Stapletons Lounge-Pop-Dekonstruktion beinhaltete ja zwischendurch auch durchaus konventionelle Momente (Mir erschien „Thrill of Romance...?“ beim ersten Hören fast wie ein vergessener MASSIVE ATTACK-Song.), weshalb die Reaktionen dazu auch zwischen „opus magnum“ und „zu seicht“ divergierten. Stapleton selbst zeigt sich hier durch die Postproduktion erkenntlich und als alter ego BABS SANTINI auch beim gelungenen Artwork des leider etwas spartanisch ausgefallenen Digipaks, das zwar seine Handschrift trägt, im Unterschied zu früheren Designs jedoch etwas abstrakt Expressionistisches aufweist. Liles selbst muss sich im Übrigen auch als Gestalter von Coverdesigns nicht hinter seinem bekannteren Kollegen verstecken, wenngleich das Bizarre seiner Arbeiten in der Regel subtiler ist und bei aller Verfremdung oft den genannten nostalgischen Hang zum Stil des 19. Jahrhunderts erkennen lässt. Um noch einmal auf das „Huffin“-Album zurückzukommen, an dieses erinnern auch die krakeelenden Vogelstimmen, die durch den Titel jedoch konsequent als Illusion entlarvt werden – zurecht, denn sie klingen beim genaueren Hinhören wie aneinandergeriebene Kunststoffgegenstände. Die Illusion allerdings ist verführerisch, denn sie eröffnet einen ganz eigenen bunten Kosmos, der es einem leicht macht, die in einem Songtitel aufgeworfene Frage „Can I Tempt You With All This?“ mit ja zu beantworten.
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Verweise zum Artikel:
» DIANA ROGERSON auf Last.fm
» ANDREW LILES' offizielle Internetseite
» ANDREW LILES bei Myspace
» The Vortex Vault bei Myspace
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Zusammenfassung
ROGERSON und LILES stellen in ihrer ersten Zusammenarbeit ein originelles, forderndes und doch unterhaltsames Stück Experimentalmusik auf die Beine, bei dem Textfragmente und verspielt unmelodischer Gesang auf eine Kollage aus gesampleten Feldaufnahmen und exotischen Instrumenten treffen.
Inhalt
01 Should The Prayer Wheel Turn (12:12)
02 Can I Tempt You With All This (1:51)
03 To Spin (6:12)
04 Laughing All The Way (2:53)
05 Ever Afflicted With (7:14)
06 Ki Denga Pepo (6:12)
07 Tempting You (Two) (6:16)
08 My Secret Ways (1:42)
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