Michael We.
GAË BOLG: Petite Introduction Aux ...... Pratiques Des Gymnosophes. Dsching-de-rassa-bumm!!!!
Genre: Neofolk
Verlag: Le Cluricaun Erscheinungsdatum: März 2009 Medium: CD Preis: ~14,00 € Kaufen bei: Going... Dieser Artikel wurde mit Musikbeispielen in der NONPOP-Hörschau Nr. 21 vertont! Sicher, man muss GAË BOLG nicht mögen. Pathos kippt ERIC ROGER mit seinem Projekt oft gleich wannenweise über den Hörer aus. Die Liveshows erinnern an hampeliges Laientheater, und musikalisch können die Sprünge von Album zu Album gewaltig sein, was sowohl für die Qualität als auch für die Stilrichtung gilt: Zwischen martialisch-wuchtigem Trash und purem, mittelalterlichen Minnesang ist alles möglich. Ganz ernst nehmen kann man den Ex-Trompeter von SOL INVICTUS bei all dem nie. Tut er vermutlich auch selbst nicht, was das aktuelle Cover wieder nachdrücklich beweist: Herr ROGER in die Landschaft vervielfältigt, bekleidet mit einem rituellen ... Bademantel, der in Großaufnahme einen Blick auf die Brusthaare zulässt. Dazu grellrosa Bonbonschrift auf dem Cover. Der Martial-Neo-Klassik-Folk-GARY GLITTER. "I like trumpets and drums, that's all", hat er vor einigen Jahren einmal gesagt, befragt zu den Motiven für die Gründung von GAË BOLG. Wer sich mit den trashigen Elementen – inklusive dem eigenartigen Gesang – schwer tut, findet Erholung bei den zurückhaltenderen, phasenweise akustischen Alben, oder erfreut sich an der Bearbeitung historischer Vorlagen, wie sie GAË BOLG immer wieder liefern. Mit Blick auf die gesamte Werkschau seit Gründung (2000) gelingt es ERIC ROGER und seinen Mitmusikern auf jeden Fall erstaunlich oft, diese bestimmte GAË BOLG-Atmosphäre aus französischer Historie und Bombast zu erschaffen, die das Projekt über weite Strecken doch faszinierend macht. "Petite Introduction ..." fühlt sich an wie eine B-Seiten-Compilation oder der Gang durch einen Gemischtwarenladen: neue Stücke (4), Livesongs (2), Remixe (2) und ein – das passt wieder mal zu GAË BOLG – kaum zweiminütiger "mysterious ghost track", hui buh. Kein reguläres neues Album also, und damit trotz der "Praktiken der Gymnosophen" im Titel logischerweise auch kein durchgängiges Thema. Der große Vorteil dieser Zusammenstellung unveröffentlichter Titel ist, dass musikalisch für jeden etwas dabei sein dürfte. So kommen auch – nicht in jedem Stück, aber über die CD verteilt – alle aktuellen GAË BOLG-Livemusiker vor: 23 TRUBLION 23 (Trommler), KARL BLAKE (Vorstellung überflüssig), OMNE DATUM OPTIMUM (französisches Projekt mit GAË BOLG-Beteiligung), LISE N. (französische Schriftstellerin) und THE HYSTERICAL FRENCH BAND (frühere Band von ERIC ROGER). Das Beste sind ohne Zweifel die ersten drei neuen Studiotracks; mit Trommel und Trompete puristisch instrumentiert, martialisch in ihrer Wirkung. "In Taberna" schafft mit den marschähnlichen Drums und einer Dreiton-Melodie eine düstere, klamme Atmosphäre. Nach einer Minute kommt die High Noon-Trompete aus einem Italowestern dazu, und ERIC ROGER klingt wie ein Kirchenfürst, der auf dem Balkon seines Prunkbaus steht und zum Volk über Tod und Verderben geifert, wobei ihn lateinische Gebete aus dem Hintergrund unterstützen. Ungefähr in der Mitte des Achtminüters, wir sind schließlich bei GAË BOLG, erfolgt ein Break mit Lalala-Text und Falsett, was aber durchaus in die wahnsinnige Gesamtstimmung des Stückes passt. Schräg von Beginn an ist "La Fameuse Marche Mogole". Eine Ähnlichkeit mit "Der Räuber und der Prinz" von DAF ist nicht von der Hand zu weisen, abgesehen von ERIC ROGERs arienhaftem Gesang, der zwischendurch in die Höhen von KLAUS NOMI abdriftet. Hier das Spielchen anders herum: Der Break im Mittelteil mit romantischer Flötenmelodie ist 'normal'. "Brevet De Réminiscence Perpétuelle" startet mit einem technoiden Dancefloor-Beat, knallende Drums und harsche Synthies gehen in Richtung EBM, und die gesangliche Leistung von ROGER, dieses opereske, fast ins Rufen gehende Schmettern, ist sehr ansprechend. Die erneuten Lalala-Teile passen in diesem Fall allerdings nicht so gut ins Bild. Track 4 ("Scoriez", das letzte neue Stück) bleibt mit den Stimmen von 23 TRUBLION 23 und LISE N. recht belanglos, weil außer krächzigem Text nicht viel passiert. (Mein Französisch ist aber auch nicht besonders.) "La Marche Ethylik Des Empereurs Manchots" ist der erste von zwei Remixen, wobei die Originale, wenn ich die kryptischen Infos richtig auswerte, von GAË BOLG nie offiziell veröffentlicht wurden. 23 TRUBLION 23 hat hier Hand angelegt und eines der typisch 'historischen' Stücke kreiert: Akustikgitarre und eine ruhige Trommel reinigen die Atmosphäre, ein Gefühl von Weite und Freiheit kommt auf. Was der Chor dazu singt – recht chaotisch aber ergreifend –, könnte dem Klang nach eine Revolutionshymne sein. Nur auf das lästige Geräusch des Zahnarztbohrers hätte man verzichten können. (Für den Choreffekt waren übrigens ein paar echte Mönche verantwortlich.) Die zweite Bearbeitung wurde von OMNE DATUM OPTIMUM vorgenommen. "Procession Diurne" ist sehr frei nach einem mittelalterlichen Vorbild intoniert, mit Flöte und Gitarre dabei fast ausschließlich akustisch. Herausgekommen ist ein wehmütiges, von einem Hauch verlorener Schlachten umwehtes, französisches Traditional. Die beiden Livetracks sind sehr unterschiedlich: Das neue "Brevet De Réminiscence Perpétuelle" (siehe Track 3) wird noch mehr zum grenzwertigen Gothic-Dancefloor-Kracher, das alte "Danse Des Nains" (im Original auf "Tintagel") verliert auch auf der Bühne nicht den Charakter eines historischen Spektakels, obwohl bei dem Auftritt in Toulouse noch eine Schippe Bombast und Irrsinn draufgelegt wurden. Apropos: Was zum Schluss an den 100 Sekunden Geschlechtsverkehr im Irrenhaus "mysterious" sein soll, bleibt wohl wieder einmal das Geheimnis von ERIC ROGER. GAË BOLG mit mehr Höhen als Tiefen. Der Fan freut sich über ein Lebenszeichen, zumal im Zuge der Arbeit an "Petite ..." ein 'echtes' Album mit neuen Songs entstanden ist, das bald erscheinen soll. GAË BOLG-Hasser werden sich aufgrund der massig vorhandenen Trash-Elemente auch dieses Mal nicht überzeugen lassen. Gelungen ist die Zusammenstellung auf alle Fälle für neugierige Einsteiger: Die bekommen viele Facetten des Projekts geboten und können dann entscheiden, ob sie mit Trash-Master ROGER eine längerfristige Bindung eingehen wollen. Und das Cover ... kann man ja abdecken. Gleichzeitig mit "Petite ..." ist übrigens die neue, zweite CD von 23 TRUBLION 23 erschienen. Auf "Cheval Pyromane", soviel sei verraten, befinden sich einige sehr schöne Akustiksongs. Besprechung folgt.
Michael We. für nonpop.de
Themenbezogene Artikel: » GAË BOLG: Petit Manuel De Gymnosophie... » GAË BOLG: Petit Traité De Gymnosophie » Gaë Bolg : aucassin et nicolette CD Themenbezogene Newsmeldungen: » GAË BOLG mit neuen Songs » Ethereal Fest '07 in Barcelona » Gaë Bolg - Requiem Tour 2006 » Gaë Bolg:Restposten der Tour-CD erhältlich
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
|
Zusammenfassung
Kein 'echtes' Album, sondern eine Zusammenstellung von Unveröffentlichtem und Neuem. Mehr Höhen als Tiefen, vor allem drei der neuen Studiotracks kommen mit Trommel, Trompete und Wucht. Auch akustische Ausflüge sind vorhanden, so dass viele Facetten des Projekts hörbar werden. Ideal für Einsteiger.
Inhalt
1 In Taberna (8:18)
2 La Fameuse Marche Mogole (3:56) 3 Brevet De Réminiscence Perpétuelle (6:31) 4 Scoriez (4:20) 5 La Marche Ethylik Des Empereurs Manchots (4:23) 6 Procession Diurne (5:23) 7 Brevet De Réminiscence Perpétuelle (live) (6:35) 8 Danse Des Nains (live) (5:43) 9 Hidden Track (1:40) |
da es im Artikel keine Erwähnung findet, möchte ich noch folgendes ergänzen:
"Procession Diurne" ist eine Art "acoustic-version" des Stückes "Procession Nocturne" vom Album "John Barleycorn must die".