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Michael We.

HILDUR GUDNADÓTTIR: Without Sinking

Moderner Ambient Teil 1: akustisch


HILDUR GUDNADÓTTIR: Without Sinking
Genre: Ambient
Verlag: Touch
Erscheinungsdatum:
April 2009
Medium: CD
Preis: ~10,00 €
Kaufen bei: Touch Shop


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Wie kaum ein anderes Instrument ist das Cello dafür geeignet, Stimmungen abzubilden. Nicht umsonst hat ihm die Barockmusik zum Durchbruch verholfen, deren Kompositionen versuchten, menschliche Gemütszustände nachzuahmen. Wer den warmen, vollen Klang eines Cellos schätzt, hat bei diesem Album schon gewonnen.
Die Isländerin HILDUR GUDNADÓTTIR gehört zu den interessantesten zeitgenössischen Cellistinnen. Entgegen ihrer rein klassischen Ausbildung (in Reykjavik und Berlin) setzt sie ihr Instrument heute auf alle nur denkbaren Arten und Weisen ein: Mit Noise-, Elektro- oder Rock-Musikern arbeitet sie zusammen, hat Liveauftritte mit THROBBING GRISTLE absolviert, betreibt mit ihrem besten Freund JÓHANN JÓHANNSSON zusammen die isländische Denk- und Musikfabrik KITCHEN MOTORS. Schließlich ist sie noch Mitglied von STÓRSVEIT NIX NOLTES, einer Gruppe isländischer Musiker, die bulgarische und griechische Tanzmusik interpretiert und als Vorband von ANIMAL COLLECTIVE schon durch die USA getourt ist. Im Angesicht all dieser Aktivitäten und einer umfangreichen Diskografie ist es fast unglaublich, dass die Frau erst 1982 geboren wurde, also gerade einmal 27 Jahre zählt.

Für ihr erstes Soloalbum fand HILDUR GUDNADÓTTIR allerdings erst vor drei Jahren Zeit. 2006 veröffentlichte sie "Mount A" bei ihren Landsleuten von 12 TÓNAR, eine dunkle, eigenbrötlerische, abgeschiedene Angelegenheit, eingespielt während eines langen Winters in einem Holzhaus ohne Nägel, wegen des besseren Klangs. (Diese Tatsache habe ich in der NONPOP-Besprechung eines weiteren, noch nicht aufgezählten HILDUR-Projekts schon erwähnt. Macht nichts. Hingabe an ein Instrument verdient doppelte Würdigung.) Die in diesen Tagen erscheinende, zweite GUDNADÓTTIR-CD ist in jeder Hinsicht anders. "Without Sinking" ist hauptsächlich im Sommer entstanden (2008 in Berlin), entsprechend luftig und freundlich strahlt die Cello-Szenerie. TOUCH RECORDS übernimmt die Veröffentlichung, ein britisches Label, das seit beinahe 30 Jahren aktiv ist und viel Wert auf eine visuelle Komponente der Musik legt. Dafür sorgt zum Teil TOUCH-Gründer JON WOZENCROFT mit seinen Landschaftsfotografien, welche viele der Cover zieren. Im Fall von "Without Sinking" ist es eine sehr einsam wirkende Seebrücke. Vor allem aber erreichen die meisten Musiker auf TOUCH, dass hinter den Tönen schnell eine Idee sichtbar wird. HILDUR GUDNADÓTTIR zum Beispiel vertont Wolkenbewegungen, die sie auf ihren zahlreichen Flügen zu Konzerten in den Jahren 2007 und 2008 aus dem Flugzeugfenster beobachtet hat. Und weil ihr Cello für solche Stimmungsbilder wieder einmal wie gemacht ist, fühlen sich die knapp 50 Minuten an, als ob der Hörer zu unterschiedlichen Zeiten im Gras liegt und in den Himmel schaut.

Viele einzelne Töne haben Platz, um sich auszudehnen und diverse Wolkenformen anzunehmen: dünne und weiße, dicke und graue, bedrohlich geballte, kaum sichtbare. Hauptsächlich aus solchen Drones – tief atmenden Noten – oder Clustern aus langen Tonfolgen besteht "Without Sinking". Die Stimmung schwankt zwischen verträumt und unruhig, denn als Kontrast zum Schönwetter-Horizont ballen sich immer wieder Regenwolken zu einer Unwetterfront zusammen. Besonders interessant wird es, wenn weitere Instrumente ins Spiel kommen. HILDUR hat die eigenen Cello-Parts an ihren Vater GUDNI FRANZSON (Klarinette) und einige befreundete Musiker (wie JÓHANN JÓHANNSSON) verschickt, die das Werk um zusätzliche Tonspuren ergänzt haben. So kommt ein Bass ins Spiel, der mit seinen besonders langsamen Tönen eine eigene Definition von Zeitlosigkeit stiftet. Oder die Klarinette des Vaters, die für eine besonders nachdenkliche, wolkenverhangene Stimmung sorgt. Auch wenn es sich hier um scheinbar zufällige Momentaufnahmen handelt, ist die Musik keinesfalls beliebig. Die Kunst besteht höchstens darin, sie zunächst beiläufig klingen zu lassen. Bei genauer Betrachtung aber hält jede Komposition gleich einem impressionistischen Gemälde eine ganz bestimmte Gemütsverfassung bzw. Wolkenkonstellation fest. Insgesamt eine lauschige und sehr persönliche Mußestunde mit anmutiger Kammermusik.

Dem im Untertitel erwähnten "Teil 1" folgt bald eine Fortsetzung auf NONPOP. Ebenfalls bei TOUCH hat der Österreicher FENNESZ sein neues Album veröffentlicht, das optisch und emotional ähnlich gelagert ist wie "Without Sinking", jedoch überwiegend elektronisch produziert wurde.



GUDNADÓTTIR mit STÓRSVEIT NIX NOLTES


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» GUDNADÓTTIR @ myspace
» GUDNADÓTTIR-Interview
» TOUCH-Radio
» WOZENCROFT-Interview
» JULIA KENT (ebenfalls Cellistin) @ Nonpop

Themenbezogene Artikel:
» HILDUR GUDNADOTTIR u.a.: 2nd Childhood


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Zusammenfassung
Die isländische Cellistin veröffentlicht ihr zweites Soloalbum: anmutige, neoklassische Kammermusik mit einer sehr persönlichen Note. GUDNADÓTTIR vertont Wolkenbewegungen, die sie auf ihren vielen Flügen beobachtet hat. Für den Hörer eine virtuelle Mußestunde im Gras mit Blick Richtung Himmel.

Inhalt
Touch #70
10 Tracks
47:58

01 Elevation
02 Overcast
03 Erupting Light
04 Circular
05 Ascent
06 Opaque
07 Aether
08 Whiten
09 Into Warmer Air
10 Unveiled
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