Dieser Artikel wurde mit Musikbeispielen in der NONPOP-Hörschau Nr. 20 vertont! Argentinien gilt, obwohl in Europa kaum Bands aus diesem südlichsten Land Südamerikas bekannt sind, als großes Heavy Metal-Eldorado. Dies bekommt man auch immer wieder von Argentinien-Reisenden bestätigt, die einstimmig von einer gewissen Langhaar- und Kutten-Dichte in den Metropolen wie Buenos Aires berichten. Unglücklicherweise ist es gerade der "Power Metal", jener entwicklungsresistente Deppen-Stil, inspiriert von Teutonen-Bands wie GAMMA RAY, der vielen Gaucho-Bands eine Orientierung bietet. Dieser Power-Metal nimmt aber immerhin oft genug dadurch, dass es die Bands meist vorziehen in Spanisch zu singen, eine etwas eigene, landestypische Form an. Herausragendes Beispiel ist hier die Band MALON, die besonders bei den verarmten Jugendlichen in den Slums der großen Städte Kult sind bzw. waren; die Band hat sich aufgelöst. RETROSATAN Gräbt man etwas tiefer, stößt man jedoch selbstverständlich auch in Argentinien auf eine recht interessante Black Metal-Szene. Argentinien hat sogar eine der ältesten Black Metal-Bands des Kontinents und, weil die Südamerikaner Frühstarter des satanischen Metals waren, auch eine der global frühsten Gruppen des Genres zu bieten. Die Rede ist von RETROSATAN, die angeblich schon 1983 existierten, aber erst 1987 ihre klassische "Grito Mortal"-LP herausbrachten. Musikalisch orientierten sie sich, inklusive spanischem Sirenen-Gesang, stark an MERCYFUL FATE und auch showtechnisch boten sie alles, was man von einer Black Metal-Band verlangen darf – Evil-Posing, Pyro-Effekte, Blasphemien aller Art. Die "Grito Mortal" wurde 2005 in einer schicken Sammler-Edition (Gatefold-Cover mit alten Flyern etc.) von DIES IRAE wiederveröffentlicht, auf CD ist dieses auch musikalisch kultige Kleinod bis heute nicht erhältlich. Und heute? Wie überall ist der Black Metal annähernd unüberschaubar und meist schlecht, ein obskurer Vertreter sind z.B. CAMPO DE MAYO, die "lyrisch" radikal antikommunistisch (= RAC) orientiert sind und sich ausschnittweise wohl mit der interessanten politischen Geschichte des Landes, Stichwort Peronismus und JORGE RAFAEL VIDELA, beschäftigen und musikalisch meist durchschnittlichen Norsecore-Ein-Mann-Black Metal, manchmal aber auch SAGITTARIUS-artiges Klavier-Geklimper (nur viel schlechter) anbieten. SARTAN - "Sepultando Las Lagrimas Del Señor + En Vivo" Eine Art Gründerband der Szene sind die berüchtigten satano-sozialistischen SARTAN, die 1991 als typische Death Metal-Band mit Gore-Texten starteten, aber dann um 1995 unter dem Eindruck vor allem von BEHERIT zur Black Metal-Band mutierten. Ihren Kultstatus haben sie indes vor allem ihren extra-musikalischen Aktivitäten zu verdanken. 2008 erschien über das bolivianische Label FROM BEYOND THE GRAVE RECORDS eine Zusammenstellung ihrer zwei Demos "Sepultando Las Lagrimas Del Senor" und "En Vivo", nebst Live-Aufnahmen. Ein interessanter Booklet-Text weiß dann auch tatsächlich Absonderliches zu berichten, so fackelte die Band beispielsweise den Musikshop desjenigen ab, der ihr zweites Demo vertrieb, weil sie sich geprellt fühlten. Darüberhinaus einmal mehr die Liveshows: "They hunged dead animals and its bowels all along the stage…For this reason the fights against activist groups of animal protection at their shows were more and more frequent, and not only them caused troubles but also a lot of punks and junkies showed up just to kick someone ass." (sic!). Schlussendlich endete das Ganze in einer sektenähnlichen Struktur: "By this time the band and some of their followers moved all together to the same house, and founded a weird congregation/sect by the name of "Poder Negro", mixing political ideas, Satanism, drugs and all kind of sexual perversions." Und: "SARTAN's members also had an infamous side project called PROFECIUM, which was more primitive, more necro if you wish, and their lyrics were more straight to the point and inspired by Kimbanda Rituals (African black magic). They released two demos "Satanas" (1995), released by DARK DRUMMER REC. and "Socialismo Satanico" (1997), which was only distributed among their closer contacts. By that time they got heavily into politics, leaving their music to a second place and those both SARTAN and PROFECIUM sadly disappeared from the scene." Musikalisch ist das Ganze dann leider nicht ganz so würzig, wie es diese Geschichten versprechen, doch SARTAN waren dennoch eine überzeugende und interessante Band. Gelungen vor allem das zwei-stimmige Gefauche und Geschrei des zweiten Demos. Neben einer tatsächlichen BEHERIT-, VON- und IMPALED NAZARENE-Inspiration und überraschenden geflüsterten Passagen und interessantem Bassspiel, erinnern SARTAN hier vor allem etwas an die ersten Aufnahmen der Holländer OCCULT (die heutigen Chartstürmer LEGION OF THE DAMNED). Ein lohnender Kauf! In Deutschland ist sie zu beziehen bei NECROMANCER RECORDS! GEVURAHEL - „Conocedores del Bien y del Mal" Genauer widmen möchten wir uns aber nun GEVURAHEL aus Buenos Aires. Der Name bezieht sich wahrscheinlich auf „Gewurah“, die fünfte Emanation der Sephiroth, des kabbalistischen Lebensbaumes, was wiederum für „Stärke“, „Macht“, „Sieg“ und „Gerechtigkeit“ steht. Der „Sänger“ und Gitarrist TEMPTOR PRINCNEGSUR bekennt sich zu einer Art Luziferianismus und ist in Argentinien auch als Buchautor hervorgetreten. Sein Werk „El Libro del Sassstia“ beschreibt seine parapsychologischen Erfahrungen mit dem Dämon „Sassstia“, TEMPTOR nennt das eine „Parapsychographie“, zur Qualität des Ganzen kann ich jedoch mangels Kenntnis nicht sagen. Jedenfalls erscheinen GEVUHAREL einen gewissen Wert auf ihre Lyrik zu legen, Titelnamen wie „La intuición, la Percepción y la Inspiración / Reinantes del Tormento“ legen nahe, dass sie sich eher um philosophische Reflexionen rund um die Teufelsfigur bemühen. Von GEVURHAEL sind bisher zwei Demos erschienen, „Conocedores del Bien y del Mal (C.B.M.I)“ (2002) und „Enlace“ (2005). Beide Demos wurden 2007 von MYTHIC METAL PRODUCTIONS auf CD gepresst und durch, wie es etwas hochspurig heißt, eine nicht weiter erwähnenswerte „Multimedia-Sektion“ ergänzt (lediglich das 3-seitige Booklet und das Cover noch einmal als html-Datei). Grob annähernd lässt sich der GEVURAHEL-Black Metal – wenig überraschend und dankenswerterweise – als äußerst „unnordisch“ und stattdessen fest in südamerikanischer, hispanischer Tradition verortet bezeichnen. Klischees von „vor Kälte klirrende“- Gitarrenriffs und der übliche Keifgesang werden gerade nicht bemüht, stattdessen spanischer, gut akzentuierter, verstehbarer, leidenschaftlicher Schreigesang, der schon allein durch die Sprache eine eher „katholische Atmosphäre“ schafft und aber auch von der Stimmlage her einen Abstand zum Death Metal hält. Der junge MILLE PETROZZA (KREATOR zu „Pleasure To Kill“-Zeiten) auf dem Via Dolorosa wäre am ehesten als Referenz und Vergleich heranzuziehen. Dazu gesellt sich ein ziemlich nach Proberaum klingender ungestümer und ungeschliffener Thrash-Stil, der vielleicht ein wenig an MAYHEM zu „Deathcrush“-Zeiten, aber vor allem auch an die wichtigste südamerikanische Black Metal-Band, PARABELLUM aus Kolumbien, erinnert. Für die Crossover gewöhnten NONPOP-Leser ist vielleicht enttäuschend zu vernehmen, dass beim ersten und zweiten Hören der Avantgardismus-Faktor nicht gerade mit Händen zu greifen ist, dennoch sind GEVURAHEL ungewöhnlich. Es erschließt sich nur nicht sofort. Typisch für die Band sind solche Passagen, in denen die Instrumente innehalten oder dronig nachklingen und nur TEMPTOR seine Martyriumsschreie ausstößt, wenn das nicht alles so spirituell inspiriert klänge, könnte man glatt von einem polternden Rock’n’Roll oder sogar von einer Inspiration durch frühe METALLICA sprechen, so ist es ein tatsächlich ein alles Weltliche hinter sich lassender, tiefst dämonischer Black Metal und in dieser Hinsicht nah dran an dem Besten von MYSTIFIER, MORTEM (Peru) und PARABELLUM. Klug erscheint mir auch der spärlich, aber sehr passende Keyboardeinsatz der Band, der das Ganze auch für Liebhaber der legendären NOCTURNUS interessant macht, obgleich diese sphärische Keyboardklänge weitaus häufiger einsetzten. GEVURAHEL haben bereits ihr nächstes Vollzeitalbum „Un Obscuro Ego Celestial“ fertiggestellt, für das sie nun ein geeignetes Label suchen. Hörproben auf Myspace beweisen, dass sie sich weiter steigern konnten und schon jetzt zu der Elite des südamerikanischen Black Metals gehören.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » GEVURAHEL auf Myspace » Black Metal aus Argentinien (auf Spanisch) » Heavy Metal aus Argentinien
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Zusammenfassung
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Inhalt
Both demos in a multemedia section.
1. Introducción: La intuición, la Percepción y la Inspiración / Reinantes del Tormento 06:12 2. La Gran Promesa 07:41 3. La Herencia Ennegrecida 08:45 4. La más Detestable de las Injurias 07:28 5. La Funesta Eternidad 08:21 6. Introducción (2-CO-2-15, 16) 02:12 7. La Herencia Ennegrecida II 08:22 8. El Tormento y Luz para mi Vida 05:53 9. Abstraído en Él 01:18 10. Semejante a Satán 01:50 11. La Obscura Verdad 10:42 12. Outro - Las Vestiduras de Dios 01:51 Total playing time 01:10:35 |