http://www.nonpop.de/nonpop/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=1702
NONPOP - Artikel > Rezensionen > Tonträger > KINIT HER: Glyms Or Beame...



Michael We.

KINIT HER: Glyms Or Beame...

...Of Radicall Truthes. Göttliches Theater.


KINIT HER: Glyms Or Beame...
Genre: Folklore-Metal
Verlag: Hinterzimmer...
Vertrieb: A-Musik
Erscheinungsdatum:
Februar 2009
Medium: CD
Preis: ~10,00 €
Kaufen bei: Hinterzimmer...


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

Dieser Artikel wurde mit Musikbeispielen in der NONPOP-Hörschau Nr. 20 vertont!

Meine Güte, was ist das für eine Höllenmischung? Dieser Gedanke begleitet die ersten Takte von "Glyms Or Beame Of Radicall Truthes". Erst schwebt ein spaciges Ambient-Keyboard in der Luft, dann dröhnt eine scheppernde Black-Metal-Gitarre, dass die Wände wackeln. Dem Sänger quillt ein zwergenhaftes Geknödel aus der Kehle, und zum Schluss (immer noch des ersten Titels "Quadriga", wohlgemerkt) werden Saiteninstrumente gezupft wie im besten Balkan-Folksong. Kurzum: Dieses Album verspricht auf Anhieb eine Menge Spaß.

KINIT HER ist eine jungfräuliche Band, über die noch kaum berichtet wurde. Sie besteht aus TROY SCHAFER, NATHANIEL RITTER und VINCENT WACHOWIAK, drei jungen Musikern aus Madison im US-Bundesstaat Wisconsin. Diese haben bis dato einige Kassetten in Kleinstauflage (zum Teil nur 20 Stück) veröffentlicht, alle Songs auf dem vorliegenden Debüt sind neu – und das war es auch schon mit Informationen über KINIT HER. Etwas bekannter – und auch musikalisch eingängiger – ist das Schwesterprojekt THE WORLD ON HIGHER DOWNS, ein Quartett, an dem alle drei KINIT-Mitglieder beteiligt sind. (Nummer vier ist ERIC BRAY, zuständig für die Elektronik und sicher einigen geläufig als ARCTIC HOSPITAL.) Mit "Land Patterns" erschien 2007 (auf PLOP) das bislang einzige Album von THE WORLD..., eine Mischung aus elektronischen Spielereien und warmen, akustischen Instrumenten. Damit haben KINIT HER nun wirklich überhaupt nichts zu tun. Ihre 'Einflüsse' auf myspace lesen sich wie ein NONPOP-Who-Is-Who: COIL, BRIAN ENO, CURRENT 93, BURZUM, NICO, TINY TIM.... TINY TIM?!? Ja, hier wird Falsett gesungen, was das Zeug hält. Aber eben auf eine besonders quengelige Art, oben schon liebevoll 'Geknödel' genannt. Als ob KERMIT DER FROSCH einen riesigen Heliumballon verschluckt hätte. Das nervt beim Ersthören nach ein paar Songs, fällt aber im zweiten oder dritten Durchlauf nicht mehr auf, so dass sich die spektakuläre Musik voll entfalten kann. KINIT HER verwursten tatsächlich irgendwie viele unserer Lieblingsbands, sind dabei aber so intelligent, dass sie zwischen Kinderlied, INCREDIBLE STRING BAND, dem Gesang eines halskranken DAVID TIBET und Doom Metal-Wänden eine völlig eigene Magie schaffen.

KINIT HER am 16.01.2009 live in Madison mit einem älteren Stück


"Hierophant Pentadroms" zum Beispiel ist ein unschuldiges, folkloristisch und esoterisch anmutendes Lied, bei dem das Gremlin-Stimmchen sogar gedoppelt wird. Im Hintergrund wettschluchzt eine Balalaika mit einer akustischen Gitarre, und zwischen psychedelischen Violinen pirscht sich in einer Art Dialog eine zweite, 'normale' männliche Gesangsstimme an, die im weiteren Verlauf des Albums häufiger auftaucht und zu den stärksten Momenten von "Glyms..." gehört. "Serpent's Television" ist dagegen einer der Hybriden, bei denen alles zusammenkommt: Klassischer Auftakt mit Geige und Cembalo, grunzende Monstervocals mit Halleffekt, ein gezupftes halbes Streichorchester, Duettgesang und im letzten Drittel noch eine kreischende E-Gitarre, die in feierliche Blas- und Orgelmusik übergeht. Manche Titel sind, ganz unbefleckt von manischen Störfeuern, einfach nur schön, etwa "Topaz Of The Dead Giant": Beginnend und endend mit einer wabernden E-Gitarre fahren Zwerg und Hüne im Duett dazwischen Karussell, ein wunderbarer, um sich selbst kreisender Sangeskanon, teilweise mit lateinischen Sprachfetzen durchsetzt. "Rabbitdom" klingt phasenweise wie ein alter CURRENT-Titel, vorgetragen mit hoher, rezitativer Stimme, dazu akustische Instrumentierung und eine sakral-feierliche Atmosphäre. Donnernde Gitarrendrones und fiepender Noise in "Falling Aeroliths" beenden den Reigen.

So wie die Musik mit einer Melange aus osteuropäischer Folklore, Black Metal und anderen Einflüssen aus dem Vollen schöpft, strotzen auch die Texte vor Anspielungen auf diverse religiöse und philosophische Lehren. (Viele Passagen sind allerdings aufgrund des Gesangs kaum zu verstehen.) Einige Zitate stammen wohl aus dem Taoismus, ebenso spielen moderne Esoterik und Alchemie eine Rolle. Die erwähnten "Aeroliths" sind zum Beispiel Stücke von Meteoriten, ein in der Alchemie überaus wertvoller Rohstoff. Darüber hinaus schmücken magische Symbole und seltsame anatomische Zeichnungen die schlichte CD-Hülle aus Recycling-Karton. Dass KINIT HER sich bei dieser Querfeldein-Jagd nie allzu ernst nehmen, macht die Band umso sympathischer. Die Innenseite des spartanischen Booklets etwa besteht ausschließlich aus alten deutschsprachigen Werbetexten wie für die Entfernung eines Damenbartes.

Das kleine Schweizer Label HINTERZIMMER-RECORDS hat mit diesem Debüt ein Album veröffentlicht, das wie ein von großen Händen geschaffenes, überirdisches Theaterstück leuchtet. Zügellos haben sich die Pranken in allen Töpfen des Universums bedient und ein buntes, schrilles, opulentes und geheimnisvolles Epos gebacken, das mit seiner zauberhaften Atmosphäre 46 Minuten lang fasziniert und zum Immer-Weiter-Stöbern gemacht ist. Mal sehen, ob KINIT HER diesen außergewöhnlichen Stil beibehalten oder bis zum nächsten Album etwas ganz anderes erfinden.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» KINIT HER @ myspace
» KINIT HER @ last.fm
» KINIT-Hörbeispiele @ HINTERZIMMER
» THE WORLD @ myspace
» THE WORLD @ last.fm
» HINTERZIMMER @ myspace
» PLOP @ myspace

Themenbezogene Artikel:
» KINIT HER: Fire Returns To Heaven
» KINIT HER: The Poet & The Blue Flower
» KINIT HER: The Cavern Stanzas

Themenbezogene Newsmeldungen:
» KINIT HER & LAKES auf AVANT! (plus 2 Songs!!)
» KINIT HER / BURIAL HEX neu auf TUT/RUR
» Neue KINIT HER als Doppel-LP bei PESANTA URFOLK

Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Überirdische Pranken haben in alle Töpfe des Universums gegriffen und ein opulentes, schrilles und geheimnisvolles Theaterstück gebacken. Musikalisch treffen Doom Metal, östliche Folklore und Falsett aufeinander. Kaum zu glauben, dass daraus ein paar zauberhafte Songs entstehen.

Inhalt
* Hint06
* ca. 46 min.

01 Quadriga
02 The Arc Of Acuity
03 Hierophant Pentadroms
04 The Fifth Refract
05 Serpent's Television
06 Opal Empire
07 Topaz Of The Dead Giant
08 Colossal Portal
09 Crypt Cathedral Shrine
10 Rabbitdom
11 Shy Taxes
12 Falling Aeroliths
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Kinit Her