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Michael We.

MICHAEL MAREK: Stauffenberg

Eine deutsche Biografie


MICHAEL MAREK: Stauffenberg
Genre: Hörbuch
Verlag: Der Hörverlag
Erscheinungsdatum:
Dezember 2008
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
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Der Film "Valkyrie" hat Ende Dezember in den USA ein erfolgreiches Premieren-Wochenende gefeiert: Mit 21,5 Millionen Dollar brachte er viel mehr Geld in die Kassen als erwartet. Vermutlich spielt er die Produktionskosten von geschätzten 90 Millionen – die Hälfte davon allein für eine weltweite Werbekampagne – locker wieder ein. Erstaunlich ob der fast ausschließlich negativen Schlagzeilen. Dass der ewig grinsende, ultimative US-Actionheld TOM CRUISE als CLAUS SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG "ungefähr so abgründig wie ein Teller Cornflakes" (DIE WELT) ist, war noch eines der netteren Komplimente nach der Sichtung erster Ausschnitte. Abgesehen von den Zweifeln an der Richtigkeit der Rollenbesetzung wurde die Produktion begleitet von Gezeter und Nichtigkeiten: Drehverbote an historischen Schauplätzen in Berlin wegen der Scientology-Mitgliedschaft von CRUISE oder Klagen gegen die Produzenten, weil sie angeblich den Hitler-Globus aus dem CHAPLIN-Film "The Great Dictator" unerlaubt nachgebaut haben sollen. Als "Operation Walküre" – eigentlich ein Geheimplan der Wehrmacht gegen 'innere Unruhen', der vom Widerstand in einen Staatsstreich umgearbeitet wurde – läuft der Film (mit dem Zusatz "Das STAUFFENBERG-Attentat") nun auch in Deutschland an. Kinostart ist der 22. Januar.
Das hier vorgestellte Hörfunk-Feature über STAUFFENBERG und das gescheiterte Attentat auf HITLER am 20. Juli 1944 ist der Gegenentwurf zu bewegten Hochglanzbildern. Als Mischform aus Dokumentation und Reportage arbeitet es – bis auf wenige 'Gimmicks' – ausschließlich mit gelesenem Text und Originaltönen. Aus der Orientierung an biografischen Daten und zeitlichen Abläufen ergibt sich eine wohltuende Abwesenheit von Pathos. Gleichwohl ist die Hör-CD – behaupte ich, noch ohne ihn gesehen zu haben – spannender und vor allem authentischer als der Film.

MICHAEL MAREK (* 1960), Politologe und Journalist, arbeitet mit einer kurzen, klaren und deshalb sehr wahrhaftigen Sprache. Die gut besetzte, einnehmende Erzählstimme von Schauspieler VOLKER RISCH operiert außerdem – wie auch einige der Interviewpartner – im Präsens, was den 75 Minuten eine große Dynamik verleiht. Ausschnitte aus einem Chorwerk des jungen US-Komponisten ERIC WHITACRE, die als musikalische Zäsur zum Atem Schöpfen eingesetzt werden, passen zur Atmosphäre: Wie eine düstere Prophezeiung schweben sie über den Ereignissen. Nach einer kurzen Collage zum Einstieg, quasi einem Pendant zum Film-Trailer, fesseln schon die ersten Sätze ("Der Attentäter macht sich auf den Weg. Es ist kurz vor 8 Uhr.") den Hörer unweigerlich an die folgenden Ereignisse.
"STAUFFENBERG - Eine deutsche Biografie" ist in drei Abschnitte unterteilt. Zunächst werden minutiös die Stunden rund um den Sprengstoffanschlag dargestellt, meist mit genauer Uhrzeit. Schon die ersten Originaltöne – in diesem Fall von einem Augenzeugen – offenbaren die gute Auswahl der O-Ton-Geber, die entweder historische Details plastisch schildern oder knapp und präzise in die Analyse gehen. KURT SALTERBERG bewachte am 20. Juli 1944 den "Sperrkreis 1A", den STAUFFENBERG auf dem Weg zur Besprechung mit HITLER passieren musste. SALTERBERG erinnert sich an erstaunlich viele Details, etwa Aussehen und Zustand einzelner Personen nach der Explosion in der Holzbaracke. Mit dem Politikwissenschaftler JOHANNES TUCHEL (* 1957), Leiter der "Gedenkstätte Deutscher Widerstand" in Berlin, kommt der Analytiker ins Spiel, der die Dokumentation – nicht minder fesselnd – bis zum Ende begleitet und im ersten Drittel zunächst die vielen kleinen Details erläutert, die zum Scheitern des Attentats führten.

Der zweite Abschnitt der CD widmet sich der Biografie STAUFFENBERGs bis zum 20. Juli. Durch die schon erwähnte schnörkellose Klarheit der sauber recherchierten Fakten werden einige Miss- und Unverständnisse im Lebenslauf des Grafen aufgelöst. Unterstützt wird dieser Teil unter anderem durch Aussagen von BERTHOLD MARIA SCHENK GRAF VON STAUFFENBERG, dem ältesten – und noch lebenden – Sohn, der 1944 zehn Jahre alt war. MAREK zeigt die Eckpfeiler auf, die zunächst zu einer Begeisterung des jungen Offizieranwärters für den Nationalsozialismus führen: Die Abneigung gegen eine handlungsunfähige Weimarer Republik, das stilisierte Ideal des Frontsoldaten, der Einfluss des Dichters STEFAN GEORGE und dessen Deutschlandbildes ("Geheimes Deutschland"). Ohne Zwischentexte werden an diesem Punkt Passagen aus STAUFFENBERGs angeblichem Lieblingsgedicht "Der Widerchrist", das er im Freundeskreis immer wieder vortrug, gegen Aussagen des Historikers TUCHEL geschnitten, der GEORGEs – und STAUFFENBERGs – Vorstellungen eines Staates erklärt. Aus zitierten Briefen geht hervor, dass STAUFFENBERG zwar die Aufrüstung befürwortet und von einem Großdeutschen Reich träumt, ohne allerdings – auch nicht in späteren Briefen und Äußerungen – in einen nationalsozialistischen Gesinnungs-Antisemitismus zu verfallen. Privatleben und persönliche Details aus dieser Phase werden nur vereinzelt gestreut, mehr verbot vermutlich die stringente Anlage des Projekts.
Wenige Worte im Schlüsselkapitel 7 genügen, um die Wandlung STAUFFENBERGs zum Regimegegner absolut logisch erscheinen zu lassen: Mit seiner Versetzung von der Front in den Generalstab des Heeres, also die Verwaltung, änderte sich auch seine Wahrnehmung. Täglich war er konfrontiert mit der Unzulänglichkeit der Heeresführung. Auf zahlreichen Dienstreisen begegnete er mehr und mehr den Verbrechen der SS und der Wehrmacht wie Massenerschießungen oder Deportationen. Den ewigen Mahnern ("STAUFFENBERG war kein Held.") hält TUCHEL deshalb entgegen: "Er hat die Machtergreifung Hitlers begrüßt. Na und? Er hat sich später zum kompromisslosen Motor der militärischen Opposition gewandelt. Wir wünschen uns Helden, die immer nur die Farbe Weiß verkörpern. Das finden wir nicht!" Auch die Frage, warum STAUFFENBERG bei dem Attentat nicht sein Leben riskierte, sondern den Raum vor der Explosion verließ, wird beleuchtet: Der ganz profane Personalmangel des Widerstandes war schuld. STAUFFENBERG wurde so bald als möglich für andere Aufgaben gebraucht, etwa um – mit seinem Kommunikationstalent – am Telefon weitere Zauderer zu überzeugen.
Als der Oberst i.G. (im Generalstab, so sein letzter Dienstgrad) es zum ersten Mal zu seiner Lebensaufgabe formuliert, HITLER zu beseitigen und den Rechtsstaat in Deutschland wiederherzustellen, kehrt MAREK zum Minuten-Erzählrhythmus zurück und stellt das endgültige Fehlschlagen des Umsturzversuches dar. Die Originaltöne häufen sich und komprimieren die Wucht des Scheiterns: Rundfunkansprachen von GOEBBELS und HITLER nach dem Anschlag, erste Aussagen von Widerständlern vor dem sogenannten Volksgerichtshof, ein Interview mit FRIEDRICH KARL GRAF PFEIL, mit dem STAUFFENBERG unmittelbar nach dem Attentatsversuch in großer Hektik telefoniert hat.
Der dritte und letzte Teil, der sich mit der personellen Zusammensetzung und den politischen Zielen des Widerstandes befasst, ist erzählerisch weniger spannend. Dafür gehören die Ausschnitte aus den Schauprozessen mit Volksgerichtshofs-Präsident ROLAND FREISLER, dem Archetypus einer jähzornigen, politischen Justiz, zum beeindruckendsten Original-Material der CD.

Natürlich sind 75 Minuten zu kurz, um mehr als einen Abriss von Attentat und Biografie zu liefern. Dennoch bleibt das Gefühl, einen tiefen Einblick in die Person STAUFFENBERG, die Motive ihres Handelns und die Ereignisse des 20. Juli 1944 zu gewinnen. Außerdem beweist dieses Feature wieder einmal, dass Geschichten, die per se zu den spannendsten der deutschen Historie gehören, keine pompöse Aufarbeitung brauchen, sondern im Gegenteil durch das geschickte Zusammenfügen bloßer Fakten noch an Intensität gewinnen. In einem mehrseitigen Booklet bietet die CD zusätzlich eine kurze Zeittafel, einige Fotos, die Kurzbiografien mehrerer Offiziere des Widerstands sowie Quellennachweise. Das alles für den Preis von eineinhalb Kinokarten.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Film-Homepage
» Holzbaracke nach dem Attentat
» CRUISE-Video bei Filmpremiere
» ZEIT-Artikel über CRUISE
» GEORGE-Kreis @ Wiki
» Hörverlag


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Zusammenfassung
Ohne Pomp und Pathos werden Fakten gekonnt zusammengefügt. Eine gut besetzte Erzählstimme und die hervorragende Auswahl der Originaltöne - vom Historiker bis zum STAUFFENBERG-Sohn - machen die Mischung aus Dokumentation und Reportage dynamisch, lebendig und vor allem spannend. Die Film-Alternative.

Inhalt
16 Kapitel
75 Minuten
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