Der Mann mag Weihnachten. Vermutlich nicht unbedingt im christlichen Sinne. Aber die Jahreszeit mit der einhergehenden Veränderung der Natur scheint es ihm angetan zu haben. Von warmen Stuben, Winterschnee, tanzendem Weiß und langen Nächten spricht HANS JOHM auf seinen drei "Weihnachtsfunk"-Alben. Ein Gefühl der Geborgenheit beschreibt er, das es nur in diesen wenigen, kalten Wochen des Jahres gibt. Mit etwas Glück deckt Schnee uns zu, und in dieser leisen, gedämpften Umgebung bekommt das Wort 'Zuhause' eine magische Bedeutung, die es eben nur im Winter hat.
Seit fünf Jahren veröffentlicht der Leipziger mit seinem Ein-Mann-Projekt ANTLERS MULM solche minimale, elektronische 'Weihnachtsmusik'. Auf dem eigenen Label
SONDERÜBERTRAGUNG erschienen – neben vielen anderen Werken, auch von befreundeten Bands – die elektronischen Hommagen an die Zeit rund um den 24. Dezember in loser Folge. Ein 30minütiges Tape ("WF1") mit sechs Stücken machte 2003 den Anfang. Ein Jahr später erschien bereits "WF2", eine 40 Minuten lange
Kassette, deren erste Kopien mit "WF2 - Alternative Dust" verschickt wurden, einem Bonustape mit unveröffentlichten Stücken. Bis zum dritten und vorläufig letzten Teil der Serie dauerte es zwei weitere Jahre: 2006 folgte, genau eine Woche vor Weihnachten, die Doppel-CD "WF3".
Eine vierte Ausgabe ist noch nicht in Sicht. Auf die Frage nach neuem Material antwortet HANS JOHM:
"Die WF-Serie ist eine lose Folge von Arbeiten, und sie ist am unmittelbarsten von meiner Stimmung, meinen Befindlichkeiten abhängig. Es muß zur rechten Zeit Raum zum Rückzug gegeben sein. Momentan gibt es einige neue Fragmente, noch nichts, worüber sich zu reden lohnte." Dafür werden in diesem Jahr, selbstverständlich rechtzeitig zum Wintereinbruch, immerhin die ersten beiden WF-Kassetten in verbesserter Klangqualität auf einer CD wiederveröffentlicht. Damals auf wenige Exemplare (98 bzw. 80) limitiert und nicht mehr zu bekommen, ist auch das Grund genug zur Freude. Alle 13 Titel der beiden Tapes sind vorhanden, zusätzlich noch die drei "vertretbaren" (HANS JOHM) der Bonus
kassette.
Etwas rauer und kühler sind die ersten beiden Parts im Vergleich zum sehr wohligen dritten Teil. Vor allem "WF1" birgt, zumindest mit dem Opener, eine düstere Seite, die wir so später nicht mehr hören: Das Instrumental "Winterschlaf" ist unter anderem mit synthetischen Bläseranklängen mehr Dark Ambient als Minimal Pop. Königlich wirkt – fast allein schon durch die Betitelung – das zweite Stück, "Zum Fest sind wir daheim". Ausgestattet ist es mit einem verhältnismäßig flotten, wavigen Beat, der auch bei einigen anderen Stücken einsetzt, und der einschmeichelnden, aus dem Hintergrund flüsternden JOHM-Stimme. Es folgt mit "Warme Stuben" ein direkter Vergleich zwischen 'damals' und 'heute', denn eine überarbeitete Version des Songs ist auch auf "WF3" zu finden. Hier verstärkt sich der Eindruck, dass es auf den ersten beiden Teilen atmosphärisch noch mehr um Eis und Schnee als um die warme Stube geht; die neuere Version wirkt durch einige Zusatzsounds etwas wärmer und voller. "Aus dichtem Tann" erinnert da schon mehr an die modernen AM-Glöckchen. Ein sehr ruhiges Instrumental und eine Maxiversion von "Zum Fest sind wir daheim" beenden den ersten Teil, letztere sehr feierlich ins nächtliche Dunkel hineingesungen. Stimmungsvoll, nahezu ohne Beats und mit kirchenorgeligen Synthies.
Auch der zweite Teil eröffnet überraschend mit einem wavigen Instrumental aus Bass und Snare Drums. Dann glänzt "Vor der langen Nacht", melodisch und harmonisch: "Wir ruhen aus - im Wein, im Geist, im Feuer". Zwar bringen einige Trip Hop-Beats gelegentlich Unruhe, insgesamt aber ist Folge 2 schon bedächtiger, besinnlicher und näher am heutigen ANTLERS MULM-Sound. Ein weiterer Höhepunkt: das unterholzige, geheimnisvolle "Gib Acht!" mit verfremdeter Stimme. Von den drei Zusatztracks am Ende besticht vor allem die spacige, schwebende Alternativversion von "Silbergrauer Staub", die in der Luft steht wie kondensierter Atem.
Fast selbstverständlich endet auch diese AM-Besprechung mit einer Kaufempfehlung. Die kristallklare Minimalelektronik ist vielleicht nicht ganz so warm und einhüllend wie auf "WF3", aber das ist ja eine Stimmungs- und keine Qualitätsfrage. Sie weckt auf jeden Fall alle schon eingangs genannten Winterassoziationen und sorgt für geistige Kaminfeuer-Trance.
Als Bonbon gibt es zur Neuauflage von "Weihnachtsfunk 1 & 2" eine einfach mit "sue11 hangover" betitelte CD. (sue11 war das WF2-Tape). Darauf sind die restlichen Stücke der Bonus
kassette zu hören, die nicht mit auf die Wiederveröffentlichung durften. Alle "now unloved or just misplaced tracks of WF2", wie es auf der Labelseite heißt. Zum winterlichen Thema passen diese Tracks tatsächlich nicht so gut wie der Rest, aber davon mal abgesehen findet sich auf dem Überhang mindestens ein Hit: "Systemelektrisch" ist unterkühlter, tanzbarer Elektro, der
GRAUZONE alle Ehre macht. Kostet: 11 Euro.