An LEGER DES HEILS scheiden sich seit den ersten, um die Jahrhundertwende erschienenen, streng limitierten Vinyltonträgern die Geister. Vielen, auch gerade solchen, die stilistisch benachbarten Bombast/Martial-Projekten wie VOXUS IMP., AUTOPSIA, UPSLAND, RADIO EICHENLAUB oder GAE BOLG lauschen, erscheint ihre Musik zu pathostriefend, zu unschuldig, zu ernst gemeint, zu steif, zu konservativ, zu deutsch und zu wenig heidnisch. LEGER DES HEILS war so etwas wie der Einbruch eines JOACHIM WITT in selige Postindustrial-Welten, von THROBBING GRISTLE so weit entfernt wie FREDDY QUINN, aber wenn schon WILLIAM BENNETT vermutet, hinter GENESIS P'ORRIDGE verberge sich in Wirklichkeit doch nur ein "NICHOLAS FAIRBAIRN with piercings", also kurz ein "Spießer", und der so schreibende BENNETT selbst aussieht wie UDO ULFKOTTE, sollte das Hinweis genug darauf sein, dass das mit dem Spießertum und seiner Musik alles nicht so einfach ist. Wer bei LEGER DES HEILS genau hinhört, wird nicht umhin kommen, ganz ergriffen zu sein von einer bestimmten Furchtlosigkeit. Hier geht jemand aufs Ganze, kein doppelter Boden, das Pathos ist ernst gemeint, Asipunks und Anarchodeppen bitte mit Grausen wegdrehen. Dieses Aufs-Ganze-Gehen ist es wohl, was LEGER DES HEILS so urdeutsch erscheinen lässt und eben darin liegt der Reiz des Projekts. Hört man LEGER DES HEILS, glaubt man augenblicklich ehrfürchtig in die Welt einer altdeutschen, bildungsbürgerlichen Familie hineinzutreten, in der musikalisch Komponisten wie HANS PFITZNER und literarisch vielleicht REINHOLD SCHNEIDER, JOCHEN KLEPPER und KONRAD WEIß von Bedeutung sind, bei LEGER DES HEILS hat sich, wie einst auch schon bei DARKWOOD und FORSETI etwas konserviert, dem antifaschistischen Schutzwall sei Dank. Freilich wird so eine Welt dann doch nicht vollständig betreten, denn dazu fehlt LEGER DES HEILS das passende Instrumentarium. Es fehlt ein echtes Klavier, Blechblasinstrumente, Streicher, stattdessen, so weit das Ohr reicht, fast nur Synthies. Doch gerade das hat im LEGER DES HEILS-Universum seinen besonderen Reiz. Man hört eine Sehnsucht danach diesen Zustand zu ändern, wie gerne würden LEGER DES HEILS alle diese Instrumente benutzten und das mit einer auch visuellen Interpretation im Geiste der deutschen Romantik verbinden, auch um ihren Hang zum Gesamtkunstwerk Rechnung zu tragen, aber wie sehr fehlt das Budget und die Möglichkeiten dazu; auch eine Situation, die ihren Zug zum Monumentalen etwas tragisch erscheinen lässt. Die Siege lassen auf sich warten, könnte man mit AMON DÜÜL II dichten. So viel zu dem, was bei LEGER DES HEILS von 2000 bis heute immer galt, nun zu "Memoria", dem neuen Album im Speziellen. Rückblickend lässt sich sagen, dass LEGER DES HEILS seit sie mit ihrem 2002er Wurf "Aryana" den Pop für sich entdeckten, auf jedem Folgealben zwischen einem eher martialischen, treibenden Ausdruck und einem ziemlich seichten Pop changierten, so als würde eine deutsche Form von A-HA auf eine ebenso deutsche Form von AUTOPSIA treffen und dabei mal in die eine und mal in die andere Richtung stärker ausschlagen. Nachdem nun "Himmlische Feuer" (2004), gelinde ausgedrückt, doch tatsächlich ziemlich seicht war und die darauffolgenden "Freiheit" und "Gloria" treibend bis martialisch erschienen, wäre nun wieder ein süßlicheres, vielleicht auch kitschigeres Album fällig. Und tatsächlich: "Memoria" ist ein recht zärtliches Album geworden, erstmalig sind neben den Synthies und den immer noch charmant nach Konserve klingenden Trommeln ab und an Akustikgitarren zu hören – allerdings so dezent wie die spanische Flamenco-Gitarre auf MADONNAS "La Isla Bonita". "Sängerfahrt" ist beispielsweise so ein Stück, pathetisch-goldener Abendland-Neofolk wie ihn ORPLID nicht mehr spielen möchten, aber auch entfernt davon so wild entschlossen preußisch-finster zu sein wie DARKWOOD. Überhaupt "Memoria" ist ein beschwingtes, positiv stimmendes Album, jedenfalls an den eigentlich grüblerischen Maßstäben des Projekts gemessen. Man höre hier vor allem "Vergangen ist die Zeit". Großes Lob verdienen LEGER DES HEILS abermals für die Auswahl der Lyrik, die ausnahmslos fremder Feder entstammt. Das ästhetische, in passenden Brauntönen gehaltene Booklet verrät hier leider die Quellen nicht, doch das Label EIS UND LICHT gibt zumindest an, dass HENRIK IBSEN ("Sängerfahrt"), JOSEPH VON EICHENDORFF ("Sehnsucht") und JOHANN WOLFGANG VON GOETHE ("Wie am ersten Tag") Verwendung fanden. LEGER DES HEILS werden die gleichen Spielverderber wie früher auch schon zum Davonlaufen furchtbar finden, "Memoria" ist jedoch für die Getreuen ein zärtlich-pathetisches, durch die Lyrik ein sehr golden und ganzheitlich-religiös wirkendes, ausgeglichenes Album geworden. Verändert hat sich nicht so viel, aber man könnte sagen, dass das Opulente und fast Wuchtige ein Stück weit in den Hintergrund getreten ist zugunsten einer manchmal schon fast fragil und bescheiden wirkenden Innerlichkeit. Kitsch und goldenes Pathos bleiben aber präsent Wir ziehen voran!
Dominik T. für nonpop.de
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