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Michael We.

PETE UM: No Pressure

Es lebe der elektronische Anarchismus!


PETE UM: No Pressure
Genre: Avantgarde
Verlag: Gagarin Records
Vertrieb: A-Musik
Erscheinungsdatum:
August 2008
Medium: Vinyl LP
Kaufen bei: A-Musik


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Das Drumherum...

Diese Platte mit dem bunten Cover und 35 Minuten Musik steckt in einem interessanten Netz. Viele Fäden ließen sich so lange verfolgen, dass aus ihnen eigene Geschichten und Rezensionen würden. Da ist zum Beispiel das kleine Hamburger Label GAGARIN RECORDS. Elektronischen Experimenten auf Vinyl hat es sich verschrieben, und seit zehn Jahren bringt es mit schneckenhafter Langsamkeit seine Platten unter die Leute, ungefähr eine Scheibe im halben Jahr. ("Es lebe die negative Geschwindigkeit!" ist eines der Labelmottos. Ein anderes der von mir für den Untertitel geklaute Satz "Es lebe der elektronische Anarchismus!") Zum zehnjährigen Geburtstag stehen deshalb genau 22 Veröffentlichungen auf der Liste. Darunter, um die wohl bekannteste zu nennen, "There Are Grapefruit Hearts To Be Squeezed In The Dark" von MAX GOLDT. Zur Feier des Gründungsjahres gibt es nun beinahe gleichzeitig drei Alben: neben PETE UM noch Musik von ERGO PHIZMIZ und ECHOKRANK.
Kopf von GAGARIN RECORDS ist FELIX KUBIN, der von sich selbst behauptet, im Körper des Kosmonauten JURI GAGARIN gefangen zu sein. Seit Anfang der 1980er erfindet er immer neue Kombinationen elektronischer Töne. Mit 13, einer noch nicht pubertierenden Jungenstimme und ein bisschen Wave gründete er im punkigen Hamburg DIE EGOZENTRISCHEN 2, einige Jahre später KLANGKRIEG, eine bis heute existierende Noiseband. Als Vorsitzender der Fake-Partei KED (Kommunistische Einheitspartei Deutschlands) vertonte er von 1992 bis 1994 mit LIEDERTAFEL MARGOT HONECKER sozialistische Klassiker wie "Gute Freunde" oder "Überall, Wohin Man Schaut, Wird Aufgebaut". Das Spaßkonstrukt mit musikalischem Output in NDW-Manier war sogar dem SPIEGEL einen Artikel wert.
Die schrille Hüllengestaltung für "No Pressure", um einen letzten Faden zu streifen, übernahm der Belgier DENNIS TYFUS. Dessen zerfließende, psychedelische Wasserköpfe zieren sonst die Veröffentlichungen seines eigenen Labels ULTRA ECZEMA und inzwischen immer mehr Ausstellungen in Antwerpen und Umgebung.

Das Innendrin...

Aber schließlich sind wir hier, um über PETE UM zu sprechen. Keine einfache Aufgabe, denn ob die kleinen Legenden um den langen, dünnen Mann aus Cambridge wahr sind, weiß wohl nur er selbst. Hat er sich zum Beispiel tatsächlich in seiner Jugend in den Fuß geschossen, und verdient er heute wirklich sein Geld als Pferdezüchter? Kauzig genug für das und mehr scheint der Mann allemal. Klarer sind die Verhältnisse, wenn es um Musik geht. Dass UM auch nach Erreichen der Volljährigkeit seine Tonbandgeräte mehr liebte als seine Freundin, glaubt man ihm sofort. Seit 1996 spielt er mit Computern, nahm die Ergebnisse zunächst auf Kassetten auf und verfeinerte seine Ausrüstung beständig, etwa durch kaputte Minidisc-Player. Nicht nur seine Texte, vorgetragen im Stile von 'spoken word poetry', fallen durch präzise Alltagsbeobachtungen aus einer "Welt gesichtsloser Spießer" (UM) auf. Auch seine Selbstanalysen sind exakt und schonungslos: "Meine Musik ist eine Art rhythmische Collage aus unidentifizierbaren Klängen, dazu kommt ein mieser Typ, der Sachen singt, die keiner versteht." Zum besseren Verständnis liegt dieser UM-Platte zum ersten Mal ein Textblatt bei, das helfen soll, verfremdete Stimmen und Inhalte zu entziffern.
So puckert, plackert und tackert es aus den Lautsprechern, durch- und übereinander. Die Synthie-Rhythmen sind garantiert von Tanzschul-CDs entwendet, zu denen sich sonst Jugendliche an einem Foxtrott abarbeiten. Allerdings werden sie mit dreifacher Geschwindigkeit abgespielt, wie überhaupt immer irgendein Bestandteil der Songs zu schnell oder zu langsam scheint, so als ob beständig am Drehteller des Plattenspielers nachreguliert würde. Die leicht verzerrte Stimme singt dazu von Gott ("I Am The God Of War"), der Welt ("Rum dam dam dam duddeldidam") oder mit kaputten, stotternden Loops von unglaubwürdigen Politikern ("Mr. Tony Blair, Mr. Tony Blair, Mr. Tony Blair"). Einige der Miniaturen – nur die wenigsten Songs kratzen an den zwei Minuten – bleiben instrumental. (HERR UM, warum sind eigentlich ihre Lieder so kurz? "Sie sind nicht kurz. Sie sind auf den Punkt gebracht. Warum sollten Songs nicht kurz sein? Ich mag kurze Songs. Wenn meine Songs zu kurz erscheinen, kann man sie zweimal hören. Oder man kann sich mein Stück “That's Too Close" anhören, bei dem es um ein hübsches Mädchen geht, das mir erzählt, meine Songs seien zu kurz.") Das klingt alles so schön altmodisch, so cool und analog, dass es perfekt zum Medium Vinyl passt. Dadatronic zwischen Trash und Genialität. Letztere äußert sich zum Beispiel darin, dass trotz des vermeintlich ganz einfach zusammengestoppelten Materials viele Songs eine sehr intensive Stimmung vermitteln. "The Social Astronaut" etwa, eine klassische Außenseitergeschichte, ist ein Ausbund an Melancholie der trüben Tage und Gedanken. Manche der längeren Titel – selten geht es auch über drei Minuten – klopfen und kratzen sogar knapp am Pop vorbei.
Nach zahllosen CD-Rs war es längst Zeit für die erste Werkschau von PETE UM. Die 18 Stücke auf "No Pressure", die zwischen 2000 und 2007 entstanden, bieten Einblick in alle Phasen seiner Arbeit: früher sehr experimentell, später etwas eingängiger und mit einem Charme, wie ihn die avantgardistischen Vertreter der NDW-Zeit hatten. UM ist UM, das stellen alle Kritiker immer wieder fest und suchen nach Vergleichen. Mein dilettantischer Versuch: ein elektronischer TOM WAITS mit einem Sprenkel MONTHY PYTHON. Zum Schluss noch ein Wort vom Künstler: HERR UM, Ihre Lieder klingen oft melancholisch. Hatten Sie eine sehr schwere Jugend? "Ja." Ende.

Nachtrag: PETE UM wird Teil der "10 Jahre GAGARIN RECORDS"-Labeltour im kommenden September sein. Als Stationen sind unter anderem Mannheim und Frankfurt bekannt. Preise, Termine und weitere Orte sollen bald im Detail auf der Seite von GAGARIN RECORDS stehen.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» UM @ myspace
» KUBIN @ myspace
» ULTRA ECZEMA @ myspace
» TYFUS-Interview
» Interview mit PETE UM
» LIEDERTAFEL-Songs
» ausführlicher KUBIN-Artikel


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Zusammenfassung
PETE UM hat sich einmal in den Fuß geschossen und liebt alte Tonbandgeräte. Nicht die wichtigsten Infos, aber bezeichnend für den kauzigen Chaoten aus Cambridge. Seine erste Werkschau ist voll von anarchischen Elektro-Miniaturen zwischen Trash und Genialität. Sehr cool und sehr schön altmodisch.

Inhalt
A
1 Soul Bruise
2 The God Of War
3 The Guru Let Me Down
4 Norwegian Blues
5 Day 2 Loukas In Mulch
6 The Loukas Extract
7 Crop Destroyer
8 If You Speak My Real Name
9 The Social Astronaut

B
1 Holy Fire (Candie Hank Remix)
2 The Man's Got Me Beat
3 Eyes
4 Drunk Ghost
5 Wriggle On
6 I Can't Take Care Of Myself
7 Give Me That Random DSP Boy
8 Indigenous Craftsman
9 Um For Free

lim. 350
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