Wenn die Brüder HERVÉ und PHILIPPE LOMPREZ heute nach der Gründung von
TRISOMIE 21 im Jahr 1980 gefragt werden, nennen sie als Hauptmotivation ihre damalige Angst vor den Auswirkungen des Kalten Krieges. Dieser zeitgemäßen No-Future-Furcht wollten sie musikalisch Ausdruck verleihen. Mit ihren elektronischen, kühlen und schwermütig-depressiven Klängen prägten sie den - vor allem im französischsprachigen Raum so benannten - Cold Wave der darauffolgenden Jahre. Den Bandnamen wählten sie, um die gängigen Hörerwartungen aufzuweichen: Als 'Trisomie 21' wird die Verdreifachung des 21. Chromosoms beim Menschen bezeichnet, die zum
Down-Syndrom führt. Nach der Logik der LOMPREZ-Brüder legten so potentielle Hörer schon im Voraus ihre eingefahrenen Hörmuster ab, da sie davon ausgingen, dass hier also Menschen mit dem Down-Syndrom Musik machen.
In den 1980er-Jahren hatten TRISOMIE 21 einige Chart- (zum Beispiel "The Last Song") und viele Clubhits; vermutlich hat jeder Dark-Wave-Clubgänger schon einmal "La Fête Triste" (1984) gelauscht. Häufig wurden sie als die "französischen
NEW ORDER" bezeichnet oder mit
CLAN OF XYMOX verglichen. In Deutschland bekamen TRISOMIE 21 im Jahr 1991 einige Fans dazu, als mit "Il Se Noie" eines ihrer schönsten (und traurigsten) Lieder auf dem "Zillo Romantic Sound Sampler 1" veröffentlicht wurde; ein Song, der vom ersten, kaum bekannten TRISOMIE-Album "Le Repos Des Enfants Heureux" stammt (1983). Ende der 90er wurde es ruhiger um die beiden Brüder. Nach dem für TRISOMIE 21 sehr ungewöhnlichen Album "Gohohako" (1997) mit Ethnoklängen und akustischen Instrumenten prognostizierten viele das Ende der Band, obwohl HERVÉ und PHILIPPE auch danach noch ausgiebig tourten. Weitere sieben Jahre später (2004) erschien dann das bislang letzte
Studioalbum "Happy Mystery Child", auf dem die Franzosen wieder wie sie selbst klangen, etwas moderner als früher allerdings, außerdem milder und triphoppiger. Das Album wurde von der Musikpresse, die TRISOMIE 21 wegen ihrer Langlebigkeit und des durchweg hohen Niveaus immer schätzte, viel gelobt und gebar sogar einen kleinen Hit, "Red Or Green", mit dem die Band seitdem ihre Konzerte eröffnet. Ein Remix für die französischen Stars von
INDOCHINE ("Le Grand Secret") und mehrere Alben, auf denen TRISOMIE 21 ihre eigenen Songs von Elektro- und Technogrößen bearbeiten ließen, brachte die Brüder endgültig wieder zurück ins Geschäft. Im kommenden Jahr (2008) soll ein neues
Studioalbum erscheinen.
Zum - sehr grob geschätzten - 25jährigen Bandjubiläum veröffentlichen HERVÉ und PHILIPPE LOMPREZ nun ein Livealbum, ein 'Geschenk an die Fans', wie sie selbst sagen. "Rendez-Vous En France" erscheint in verschiedenen Versionen: als einzelne Live-CD (17 Euro), im Doppel-CD-Paket mit zusätzlichen Raritäten (24 Euro) und als Box mit T-Shirt (51 Euro) und erfüllt damit tatsächlich alle Fanwünsche. Die Songs für die Liveplatte wurden während der letzten “Happy Mystery Tour” aufgenommen, sie stellen gleichzeitig einen Best-Of-Querschnitt durch die Geschichte der Band dar. Mit "The Last Song", "Red Or Green", "Il Se Noie" usw. sind alle wichtigen Lieder vorhanden, von denen die Fans schon lange fordern, dass sie neu eingespielt werden.
Das Klangbild ist hier ganz hervorragend. Einerseits bleibt die räumliche Konzertatmosphäre erhalten, andererseits sind die Auftritte so perfekt, dass TRISOMIE 21 fast wie aus dem Studio klingen. Ohne viel technischen Schnickschnack auf der Bühne scheinen die Songs direkt von den 80er-Jahre-Tapes der Band zu stammen, kühl, reduziert und getragen von der schwermütigen, tiefen Stimme von PHILIPPE, im Hintergrund ab und zu die typische CURE-Wave-Gitarre. Auf der Bonus-CD der limitierten “25 years“-Edition (20 Tracks) ist vor allem Material für den langjährigen Fan; die 13 bislang unveröffentlichten Stücke und Demos aus den Anfangstagen der Band (1978 bis 1981) holpern und leiern, dass es manchmal schwer fällt, sich hineinzuhören. Dafür sind die sieben zusätzlichen Liveaufnahmen (von einem Konzert in Lille) hörenswert, weil sie neben einer weiteren Version von "Red Or Green" einige seltenere Stücke wie “Jakarta” oder “Breaking Down” bieten. Insgesamt ein sehr schönes Paket, wobei für den 'normalen' Cold Wave-Hörer die einzelne Live-CD ausreicht.
Wer sich in den Sound der damaligen Zeit vertiefen möchte - verschiedene Compilations bieten einen Überblick über wichtige frankophone Cold-Wave-Bands, zum Beispiel