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Michael We.

PAULIN BÜNDGEN: Etrange Septembre

Countertenor vs. Dark Ambient


PAULIN BÜNDGEN: Etrange Septembre
Genre: Dark Ambient
Verlag: Cynfeirdd
Vertrieb: Cynfeirdd
Erscheinungsdatum:
Sommer 2007
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
Kaufen bei: Cynfeirdd


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Ausschnitt aus dem CD-Booklet


Schön ist es, wenn man als Rezensent mit dem Besprechen einer einfachen CD beginnt, um am Ende bei einem verflochtenen Gesamtkunstwerk aus Schrift, Bild und Ton zu landen, das einen beim Hören begleitet. Und so ist genau das passiert:
Hinter "Etrange Septembre" steht zunächst die musikalische Idee, zwei Dinge zusammen zu bringen, die eigentlich nicht zusammengehören; die Stimme eines Countertenors (auch 'Contratenor') und rumpelnde, kleppernde Dark Ambient-Flächen mit reichlich Getrommel. Countertenöre sind Sänger, die mit ihrer Kopfstimme bis in Alt- oder Sopranlagen kommen. Sie wurden häufig in der (vor allem französischen) Barockmusik eingesetzt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts schreiben auch moderne Komponisten (zum Beispiel BRITTEN) wieder vermehrt Stücke für Countertenöre. Einer der bekanntesten und schillerndsten Countertenöre der vergangenen Jahrzehnte war KLAUS NOMI.
PAULIN BÜNDGEN ist ein moderner Contratenor, ein in Frankreich bekannter und angesehener Sänger, der sich bislang ausschließlich in klassischen Gefilden bewegt hat. Sowohl solo als auch mit dem L'ENSEMBLE CÉLADON, das er 1999 gründete (und das zwischen drei und acht ständige Mitglieder hat), veröffentlichte er zahllose CDs, meist mit 'alter' Musik (etwa von HAENDEL oder BACH), aber auch mit modernen Stücken (von BRITTEN, CAGE oder NYMAN). Nach Liveauftritten in fast ganz Europa und den USA folgte im Sommer die Veröffentlichung seiner ersten eigenen Komposition, "Etrange Septembre" (Seltsamer September), die er auch selbst eingesungen hat. Leider ist sie im deutschsprachigen Raum zu Unrecht völlig untergegangen.
BÜNDGEN steht (hier kommt das 'Gesamtkunstwerk' ins Spiel) dem französischen Autoren- und Künstlerkollektiv nahe, das sich unter dem Namen EGONE in Lyon niedergelassen hat: eine Mischform aus Verlag, Label, Zeitschrift ("Rose Noire", inzwischen wohl eingestellt) und Internetplattform. Für seine Komposition hat sich BÜNDGEN von dem EGONE-Schriftsteller LAURENT BRAMARDI inspirieren lassen, dessen knapp vierzigseitige, gleichnamige Geschichte die Vorlage für die CD lieferte; die Tracks auf dem Album sind die Kapitelüberschriften. BRAMARDI erzählt von einem traurigen Königspaar, das lieb- und glücklos ein kaltes Dasein in seinem riesigen Schloss fristet. Erst der Monat der Veränderungen, der den Herbst einläutende September, bringt das Festgefahrene neu in Gang. BRAMARDI hat sich seinerseits wiederum von den Illustrationen des Graveurs MIGUEL FRALYE inspirieren lassen, der auch das Artwork für die "Septembre"-CD geliefert hat.




Gravur von MIGUEL FRALEY


Die Seiten von EGONE sind so aufwändig gemacht und mit Details gespickt - wie zum Beispiel die Seite für "Etrange Septembre" - dass man dort Stunden und Tage zubringen möchte. Eine Auswahl an Links, unter anderem zum kompletten (französischen) Text der zugrunde liegenden Geschichte, findet Ihr unten ("Verweise zum Artikel").

Die CD, welche über die Franzosen von CYNFEIRDD veröffentlicht wurde, setzt die opulente Optik der Internetseiten in goldbraunen Herbstfarben fort, und inzwischen ist es fast überflüssig zu erwähnen, dass auch die Musik das hohe Niveau (meistens) hält. "Etrange Septembre" beginnt mit einem kurzen, live eingespielten und rein akustischen Stück, das barock nach einem elektronischen Cembalo klingt und das schönste Instrumentalstück des Albums ist. Ansonsten sind die Titel ohne Vocals der einzige, kleine Schwachpunkt der CD, denn der besondere Zauber eröffnet sich meist nur zusammen mit der hohen Stimme von BÜNDGEN. Nach diesem Intro stürmt der erste Track heran, mit viel Hall und metallenem Getrommel, wie der schnelle Lauf durch die hohen Gänge des erwähnten Königsschlosses (Track 2 heißt auch "Le Palais"). Die hektische Industrialatmosphäre wird zerteilt und zerlegt durch die Stimme von PAULIN BÜNDGEN, die allein durch die Tonhöhe über allem schwebt und so klar ist, dass sie Eisen zum Schmelzen bringt und gegen jede metallene Rhythmus-Walze besteht. Rund um diese Stimme beruhigen sich die folgenden Tracks, der nächste Gesang erinnert an Mönche in einem weiten und leeren Kloster, der Tenor von BÜNDGEN wird durch mehrfaches Übereinanderlegen zu seinem eigenen Chor, ansonsten aber nur begleitet von dezenten Trommeln, immer unnahbar in seiner Traurigkeit, schön wie Sirenengesang. Das Gegenteil der zwei, drei durchwachsenen Akustik-Songs ist Track 4, denn hier steht zum ersten und einzigen Mal die Stimme von BÜNDGEN allein und füllt das Nichts wie selbstverständlich aus, bevor wieder typische Dark Ambient-Elemente einsetzen, ein permanentes Grollen im Hintergrund und irres Stimmengewirr. Über eine leicht orientalische Muezzin-Note geht es zum ergreifendsten Stück des Albums (10, "Somnambule"): Zu leiser Kirchenorgel und rituellem, hypnotisierenden Getrommel wandelt der "Mondsüchtige" durch die Nacht und klagt im Schlaf über Vergangenes und Verlorenes. Das Album endet - nach kurzen, verhuschten und düsteren Dark Ambient-Parts mit allenfalls verzerrter Singstimme - versöhnlich mit einem Happy End; ruhig und choralhaft schwebt die Stimme von PAULIN BÜNDGEN davon.
"Etrange Septembre" ist ein Märchen, vorgetragen von dem barocken Countertenor BÜNDGENs. Es enthält alle klassischen Märchenelemente: Furcht und Grusel, Staunen und Zauber und natürlich die Schönheit und Verlockung einer entfernten Welt, die wir in unserem Universum so nicht finden. Der ohnehin schon erstaunliche, fast außerirdische Gesang bewegt sich schlafwandlerisch sicher durch die Genres, badet in Dark Ambient und reitet lässig auf den rituellen Trommelschlägen. Wie gesagt, auch die Musik ist von BÜNDGEN selbst komponiert. So entsteht eine rauschhafte Einheit, weil alle Einzelteile sich um das sagenhafte Organ des Sängers winden, sich anschmiegen und schon mit den ersten Tönen der CD zu einer Reise in diese Märchenwelt einladen. Natürlich funktioniert das Konzept auch ohne Kenntnis des angesprochenen Beiwerks, die Kombination aus Musik und Stimme ist reizvoll und traumhaft genug.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» PAULIN BÜNDGEN @ myspace
» ENSEMBLE CÉLADON @ myspace
» Interview mit dem Autor BRAMARDI
» Buchseite von "Etrange Septembre"
» Text von "Etrange Septembre" (frz.)
» CD-Seite von "Etrange Septembre"
» Postkarten u.a. von MIGUEL FRALEY


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Zusammenfassung
Diese CD ist märchenhaft. Zum einen, weil tatsächlich eine Art Märchen erzählt wird, zum anderen, weil sie märchenhaft schön ist. Die barocke Countertenor-Stimme von BÜNDGEN gleitet über stampfende Dark Ambient-Trommeln und entführt in andere Welten.

Inhalt
Limitiert auf 472 Stück.

01 C'est Une Historie Du Mois De Septembre
02 Le Palais
03 La Delivrance De La Reine
04 Les Baisers Du Roi
05 Triste Comme Une Pierre
06 On Déplia  Nouveau Les Etendards
07 L'Antichambre
08 La Femme Des Marais
09 La Sentinella
10 Le Somnambule
11 Les Rives Du Fleuve
12 Une Ronde Graciouse
13 Face Aux Vides
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