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Michael We.
NOVEMBER NÖVELET: Magic
Charmeoffensive des HAUS ARAFNA-Pärchens
Kategorie: Rezension
Erstellt: 30.09.2007
Wörter: 718
Artikelbewertung:
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Warum gründen Mitglieder erfolgreicher Bands Nebenprojekte? Vermutlich, weil sie eine Seite an sich entdeckt haben, die sie in ihrem Hauptjob nicht ausleben können. MR und MRS ARAFNA (KARL TOCKWELLER und ISABELLE MONTESS) sind unter dem Namen HAUS ARAFNA seit bald 15 Jahren bekannt für harsches, aggressives Noisegeknatter, Aushängeschild des Braunschweiger Industrial-Experimental-Elektrolabels GALAKTHORRÖ. Ich persönlich bin sehr froh, dass Herr und Frau ARAFNA schon beizeiten entdeckt haben, dass in ihnen auch sanftere Töne schlummern, denn diesem Umstand haben wir die bislang drei Veröffentlichungen von NOVEMBER NÖVELET zu verdanken, dem poppigen Alter Ego von HAUS ARAFNA. 1994 kam die 4-Track-Single "More Satanic Heroes" auf den Markt, musikalisch noch nah am Mutterschiff, mit verzerrten Stimmsamples und noisigen Loops. Das Album "From Heaven On Earth" (1999) war ein Zwischenschritt; noch lärmig, aber schon mit erkennbaren Melodien und Stimmen, die zwar eher als Sound denn als Gesang arbeiteten, die aber halfen, aus den Geräuschen klaustrophobische Songs herauszuschälen. Die zwei Beiträge auf dem GALAKTHORRÖ-Sampler "Kosmoloko" (2004) bildeten dann bereits die Vorhut für "Magic", die aktuelle Platte, die just im September erschienen ist. Zwei Songs, die schon unter dem schönen Namen 'Angst Pop' liefen, weil sie zwar einerseits 'poppig' und fast tanzbar sind, andererseits kühl, düster und morbide; genau die Mischung, die auch "Magic" zu einer faszinierenden Platte macht.
NOVEMBER NÖVELET arbeiten mit analogen Synthesizern, was zunächst einmal eine heimelige Atmosphäre für alle 80er-Jahre-Kinder schafft. Spontane Erinnerungen an C64-Soundtracks werden wach, etwa an die Musik zu dem - thematisch auch wunderbar passenden - "Ghost'n Goblins" von 1985, das auf einem Friedhof beginnt, aus dem Zombies emporklettern. Überhaupt scheinen die ARAFNAs viele Erinnerungen an die 80er zu haben, denn sie extrahieren elegant die Kühle von Bands wie VISAGE, YAZOO, HUMAN LEAGUE oder den frühen ULTRAVOX und überführen sie ins neue Jahrtausend. Die meisten Songs auf "Magic" werden getragen von der Stimme von MRS ARAFNA, die ebenfalls nur mit Widersprüchen zu beschreiben ist: Auf der einen Seite distanziert, kalt und so monoton wie unter Beruhigungsmitteln, kriecht sie andererseits ätherisch und nachdenklich in den Spalt zwischen Hemdkragen und Nacken das Rückgrat entlang, und das fühlt sich nicht unangenehm an. Auch die ersten beiden Tracks verdeutlichen gleich die Spannweite des Albums: "Awakening" ist geisterhaft und klaustrophobisch, mit seinen gequälten Atmern und dem stöhnenden Gesang wie ein Aufwachen unter der Erde. Es vertont die Vorstellung des "Lebendig Begraben Seins" und von innen mit den Fingernägeln am Sargdeckel gekratzt wird noch in weiteren Songs. "My Fairy Place" dagegen ist poppiger, schafft stilvoll mit wenigen Drum-Machine-Beats eine zwar kalte und klare, aber tanzbare Atmosphäre (vergleichbar etwa mit "Being Boiled" von HUMAN LEAGUE). So kalt aber melodisch, zurückhaltend aber groovy ist das ganze Album. Zwischen der Tristheit oszillierender Töne und der minimalistischen Reduziertheit der Synthiebeats haben MRS und MR ARAFNA ein paar große Tanzhits versteckt, etwa in der Mitte des Albums den Titeltrack, das umwerfende Highlight "Magic". Hier klingt die Stimme von MRS ARAFNA etwas direkter und weniger verzerrt, dazu zieht die Musik an, wird melodiöser, voller und schneller, und ich will wieder einmal Gerechtigkeit in der Musikwelt einfordern und befehlen, dass "Magic" ein herbstlicher Clubhit wird. In den Texten von NOVEMBER NÖVELET geht es um Alpträume, um seltsame Begegnungen und Gemütszustände zwischen Realität und Verrücktheit. Die Lyrics lassen viele Interpretationen offen, zum Beispiel kann man bei "I Want You" zu saugenden und atmenden Geräuschen nur ahnen, was SIE am liebsten mit IHM anstellen würde ("I want not just a part of you" oder "What I'd like most would be to..."). Vergleiche mit DIE FORM sind zulässig, wenn auch unzureichend, denn NOVEMBER NÖVELET erscheinen manchmal zwar ebenfalls auf eine morbide Art erotisch, sind aber nicht so vordergründig und pompös, auch musikalisch mysteriöser und schwebender. Sie kreieren eine Slowmotion-Geisterwelt, der man sich nicht entziehen kann. Spätestens am Ende, mit dem wunderbar depressiven, teilweise fast sakralen "So Far No Further" (in dem es um "God's border" geht, also wohl um die Grenze zwischen Leben und Tod), gibt man sich hin und lässt sich hinabgleiten an einen dunklen, aber irgendwie auch angenehmen Ort, wo man neben Spinnweben und Geisterfingern von hoffnungs- und trostlosen Pop-Perlen umschmeichelt wird. Magic! Wie immer bei GALAKTHORRÖ erscheint das Album für Sammler auch auf Vinyl, limitiert auf 721 Stück und im Moment noch nicht ausverkauft. Aber auch die CD in mattschwarzem Digipack und Booklet inklusive aller Texte ist edel.
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Verweise zum Artikel:
» NOVEMBER NÖVELET @ myspace
» HAUS ARAFNA @ myspace
» Infos zu "Ghost'n Goblins"
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Zusammenfassung
Mininmal. Morbid. Melancholisch. Zwölf kühle Elektrosongs, besser, als es sie zu den besten 80er-Zeiten gab. Auch (mindestens) einen Clubhit für den Herbst haben die HAUS ARAFNA-Macher dazu gepackt. Magic!
Inhalt
- Awakening
- My Fairy Place
- Red Eye
- Glass
- Street Of Lost Hearts
- I Want You
- Magic
- Letting Go
- I See Real
- Eternity
- Free
- So Far No Further
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