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Dominik T.

SCHWADRON: Ave Satana

The Devil Is A Socialist, Genossen!


SCHWADRON: Ave Satana
Genre: Industrial
Verlag: Piacere Prod.
Medium: CD-R
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Neben den großen, auch international bekannten deutschen „Industrial“-(oder was daraus geworden ist)-Projekten wie GENOCIDE ORGAN, HAUS ARAFNA oder PAL gibt es natürlich nach wie vor eine mehr oder weniger lebhafte deutsche „Underground“-Szene mit einer Vielzahl von Projekten, die vor einem sehr begrenzten Hörerkreis ihre Interpretation dessen, was „Industrial Culture“ heute sein könnte, darlegen.
Eines dieser Projekte nennt sich SCHWADRON, aktiv ist man schon seit rund fünf, sechs Jahren. Hinter dem martialischen Projektnamen verschanzen sich ein Herr EUTHANAZI, ein Herr VON BIEDENKOPF und seit nicht so langer Zeit auch ein Fräulein EMILIA HINKEBEIN, die dann auch gleich – weil Frauen im Industrial leider eher eine Seltenheit sind – für eine besondere Note sorgte. Nach einer normalen Zeit der Selbstfindung, darf man SCHWADRON mittlerweile als „etabliert“ ansehen. Das hier zu rezensierende Minialbum sollte z.B. ursprünglich auf einem Label im fernen China erscheinen, und hierzulande werden SCHWADRON von vielen dem WAPPENBUND-Umfeld zugerechnet, weil man sowohl auf dem dazugehörenden GREYLAND-Label als auch auf dem Nachfolge-Kassettenlabel BAADER-MEINHOF Tape Editionen veröffentlichte.
„Etabliert“? Man kann nie so sicher sein, ob das positiv gemeint und künstlerisch verdient ist, bei SCHWADRON trifft beides zu, das Projekt ist erkennbar darum bemüht, einerseits zwar durchscheinen zu lassen, welche Projekte der "Industrial Culture"-Vergangenheit ihnen als eine Art Vorbild dienen, andererseits ist man jedoch auch mutig genug, ausgelatschte Pfade zu verlassen, soll heißen: Gegenwärtig klingt kein Industrial-Projekt wie SCHWADRON, sie besitzen tatsächlich Wiedererkennungswert, und das ist schon mal ein hohes Gut angesichts der Tatsache, daß viele heutige Industrial-Projekte tatsächlich klangtechnisch und ästhetisch kaum voneinander zu unterscheiden sind.
SCHWADRON-Vorbilder sind mit Sicherheit MARIA ZERFALL und SPK. Letztere wirken eher geistig-hintergründig als direkt musikalisch, indem sich nämlich SCHWADRON andeutungsweise, wie einst auch SPK, auf jenes obskure Heidelberger „Sozialistische Patientenkollektiv“ (SPK) bezieht, welches mit einem Ideologiegemisch aus Antipsychiatrie und sozialistischem Antikapitalismus Anfang der 70er Jahre zuerst in der BRD und dann weltweit aus der „Krankheit eine Waffe“ machen wollte. Genauer beschrieben handelte es sich hier um einen Dr. Huber, Assistenzarzt der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, der sich zusammen mit 52 Patienten gegen die krankmachende (d.h. auch „Krankheit“ definierende) kapitalistische "Ärzteklasse" wendete, um ihrer strukturellen Gewalt mit revolutionär-befreiender Gegengewalt zu begegnen. Das Patientenkollektiv taucht heute vor allem im Kontext zeitgeschichtlicher Aufarbeitung des RAF-Terrors eher am Rande auf, weil wohl einige RAF-Terroristen hier ihre erste Konfrontation mit dem System suchten, was jedoch von einer heutigen Gruppierung, die sich in der Kontinuität des Dr.Huber sieht und angibt, er selbst stecke nach wie vor als Guru dahinter, vehement bestritten wird. Damals, d.h. in der Zeit kurz vor und nach der Befreiung von ANDREAS BAADER, war die Patientenfront jedoch in aller Munde, selbst ein, zu der Zeit allerdings schon reichlich seniler, JEAN PAUL SARTRE ließ sich für ein Vorwort einer Kampfschrift des Kollektivs einspannen. Bekanntlich war auch GRAEME REVELL (SPK) im fernen Australien in einer psychiatrischen Klinik aktiv und musizierte mit Patienten, die Parallele geht also weit über den Namen hinaus, im gewissen Sinne war der SPK-Industrial durchaus eine musikalische Umsetzung jenes sozialistisch-antipsychiatrischen Programms, und wenn heute SCHWADRON dies und allgemein eine "sozialistische Ästhetik" wieder aufgreifen, entspannt sich für den Kontext-Interessierten damit ein ganzes, durchaus anregendes „geistiges Feld“, zusätzlich noch genährt durch den Titel des aktuellen Minialbums, welcher auf ein linkssozialistisches Satanismus-Verständnis hindeuten könnte.
Nun aber zurück zur Musik: SCHWADRON bieten auf „Ave Satana – The Devil is a Socialist“ eine Form des Industrial, die zu den angedeuteten Hintergründen passt und die man als traditionell "old school" bezeichnen darf. Genaugenommen ist sie oft gar nicht so weit weg von anderen deutschen Heroen, wenn die sehr gut verzerrte männliche Stimme einsetzt, könnte man an EX.ORDER denken, „Demoralize“ könnte aber auch einem frühen PREDOMINANCE-Tonträger entstammen und spätestens dann, wenn das feminine Element in Form Fräulein EMILIA HINKEBEINs ansetzt, dürfte sich bei so ziemlich jedem eine MARIA ZERFALL-Assoziation einstellen.
Hervorzuheben ist auch der Abwechslungsreichtum, das vielleicht beste Stück, „Feuer“, bietet ein von FRÄULEIN HINKEBEIN nachgesungenes, gleichnamiges Stück der farbigen, deutschen Friedensaktivistin FASIA JANSEN, die vor allem in den 80ern bekannt war und 1997 verstarb, zu industriellen Lärmkollagen. Das vom NONPOP-Sampler bereits bekannte Stück „Determinate“ geht dann schon eher in Richtung Rhythmus-Industrial. Nach den sieben Stücken klingt das Album dann mit Samples des Arbeiterliedes „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ aus. Irgendwie lustig, man muß schon ein beinharter, Ironie-resistenter KPD-Anhänger sein, um nicht augenblicklich zu bemerken, daß so kommunistischer Propaganda irgendwie was Groteskes innewohnt. Ich muß jedenfalls grinsen und bin zugleich gerührt, wo habt ihr euch heutzutage versteckt, Genossen!? Wollt ihr es nicht doch nochmal wissen?
SCHWADRON setzten, was die Mischung aus Gewalt und Nihilismus betrifft, etwas unterhalb des Power Electronics-Genres an, gleichzeitig verfolgen sie aber auch nicht das Ziel, dem Hörer große, monumentale Gefühle zu bescheren. Sie  wirken einfach etwas lockerer und auch Utopien-aufgreifender, als es in diesem Genre mittlerweile üblich ist.
Manchmal, während des SCHWADRON-Hörens, erlebt man, gerade zu Beginn manch eines Stückes, für Sekundenbruchteile das Gefühl, die ganze Darbietung könnte in den furchtbaren Bereich "Neuer Deutscher Todeskunst" abdriften, mir ist noch nicht ganz gelungen herauszufinden, woran das liegt, aber da sich diese Horrorvision letztendlich und zum Glück doch nie bewahrheitet und dieser Eindruck sich bei mir bei dem hier vorgestellten Album, seltener als bei dem Vorgänger, auch nur einmal zu Beginn von "Wacht auf!" aufdrängt, ist das eigentlich nebensächlich. Dennoch behaupte ich, SCHWADRON ist eines der ganz wenigen "echten" Industrialprojekte, die auch Fans, der so schon seit Jahren vor sich hin pubertierenden DAS ICH gefallen könnten.
Fazit: Ein stimmungsvolles, lupenreines Industrial-Album, das tatsächlich Wege beschreitet, die es in der Historie der „Industrial Culture“ zwar schon mehrfach gab, die aber heute eher vergessen sind. Nimmt man sich z.B. ein heutiges Projekt wie IRIKARAH zum Vergleich, die eigentlich ebenfalls gar nicht mal schlecht sind oder zumindest etwas Interessantes und auch SPK-Getränktes im Sinn haben, so sind SCHWADRON doch das deutlich variablere und spannungsreichere Projekt, zumindest gilt dies für „Ave Satana – The Devil is a Socialist“, eine Veröffentlichung die für SCHWADRON einen Riesenschritt nach vorne bedeutet, auf das es auch an der Volksrepublik China nicht ungehört vorüberzieht!

Zu bestellen unter: info@pathopraktik.de

 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» SCHWADRON
» SCHWADRON Myspace
» PIACERE Productions

Themenbezogene Newsmeldungen:
» Schwadron - Ave Satani MCDR
» Download: Symboltracht MCD

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Zusammenfassung
Beeinflußt von SPK und MARIA ZERFALL.
SCHWADRON setzten, was die Mischung aus Gewalt und Nihilismus betrifft, etwas unterhalb des Power Electronics-Genres an und wirken einfach etwas lockerer, als es in diesem Genre mittlerweile üblich ist.

Positiv aufgefallen
Gute, klare und dennoch rauhe und sehr eigene Produktion.

Inhalt
Tracklist:

01 Ave Satana
02 Feuer
03 Pathonautik
04 Gas chamber solution
05 Wacht auf!
06 Demoralize
07 Satan at my back
08 The devil is a socialist

Knapp über 30 Minuten, eine professionell hergestellte CD-R in Papphülle mit Beigaben zum sozialistischen Preis von 7 Euro
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