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Claudia K.
ANTIMATTER: Leaving Eden
Coins on your eyes
Kategorie: Rezension
Erstellt: 14.04.2007
Wörter: 1036
Artikelbewertung:
positiv:100% negativ:0%
Es ist soweit: Endlich ist sie da, die lang erwartete und fast euphorisch angekündigte neue Veröffentlichung von ANTIMATTER, die dieser Tage von PROPHECY PRODUCTIONS auf den Markt geschleudert wird. Sie trägt den klangvollen Titel „Leaving Eden“ und sorgte schon im Vorfeld für einigen Enthusiasmus, als das deutsche Musikmagazin ZILLO und das italienische METAL SHOCK-Magazin das Werk zum Album des Monats lobten.
Zwei Jahre trennen die „Leaving Eden“ von ihrem großartigen Vorgänger „Planetary Confinement“, und einiges hat sich getan. DUNCAN PATTERSON - seines Zeichens ehemaliges Mitglied von ANATHEMA und bis 2004 Mitstreiter und musikalischer Partner von MICK MOSS - hat sich inzwischen mit seinem neuen Projekt ION selbstständig gemacht und mit „Madre, Protégenos“ ein bemerkenswertes Debüt hingelegt. Auch der ohnehin über die Jahre spärlicher gewordene weibliche Stimmeinsatz ist inzwischen gänzlich verstummt. War bei „Saviour“, „Lights out“ und auch noch auf der „Planetary Confinements“ MICHELLE RICHTFIELD zur klangvollen stimmlichen Unterstützung mit von der Partie, bestreitet MICK MOSS die Vocals nun allein. Doch es gibt nicht nur Verluste: Als Gastmusiker sind hinzugekommen DANNY CAVANAGH, in guter alter Tradition ebenfalls von ANATHEMA, sowie STE HUGHES, CHRIS PHILLIPS und RACHEL BREWESTER, letztere alte Bekannte, die auch beim Vorgängeralbum mitgewirkt haben.
Personelle Veränderungen also auf der einen Seite, auf der anderen jedoch auch ein Stück personeller Kontinuität. Ein Stück Wandel steht einer guten Portion Vertrautem gegenüber – und so erscheint es nicht gänzlich überraschend, dass „Leaving Eden“ dort einsetzt, wo der Vorgänger aufgehört hat und dessen ruhige und melancholische Linie konsequent und folgerichtig weiterfährt. So muten bereits die ersten Töne auf dem Weg hinaus aus dem Paradies vertraut an, wenn mit schwermütiger Ruhe „Redemption“ den Auftakt macht. Wer jetzt jedoch einen bloßen Aufguß von Vergangenem befürchtet, wird eines Besseren belehrt, denn spätestens nach diesen ersten zarten Klängen wird, im ersten Moment überraschend, klar: es rockt. Anstatt wie bei den ersten Werken Anleihen in Richtung Trip-Hop zu nehmen, geht es verstärkt in eine rockige Richtung. Ist das jetzt Gothicrock, könnte man an dieser Stelle fragen, zumal sich, was eine gewisse Nuance in der Melodik betrifft, ganz sachte Erinnerungen an die neueren TIAMAT einschleichen könnten. Doch nein: etwas platt zu sagen, ANTIMATTER machten jetzt Gothicrock wäre allzu einfach und würde der Sache bei weitem nicht gerecht. Denn: ANTIMATTER ist auf eine Weise schwermütig, die es zwar auf der Hörerseite durchaus gothic-kompatibel macht, aber nicht eigentlich Gothic ist.
MICK MOSS hat nicht zu viel versprochen: Sein neues Werk enthält die härtesten ANTIMATTER-Songs, die es bislang zu hören gab. Für ANTIMATTER-Verhältnisse wird wirklich gehörig in die Gitarren gegriffen, und mit DANNY CAVANAGH scheint auch ein gewisser ANATHEMA-Einfluss eingezogen zu sein. Kraftvolle Riffs (ja, tatsächlich jaulende Gitarren) setzen mit resigniert-zornig anmutender Energie Kontrapunkte zu den ruhigen, fragilen Klängen, die sich im Laufe des Albums jedoch durchsetzen und am Ende mit „Fighting for a lost cause“ in schmerzvoll melancholische Versunkenheit und Insichgekehrtheit münden. Und fragil, das meint in diesem Fall eine Art von seltsam berührender, fast beklemmender Zerbrechlichkeit: Musik, die man ganz vorsichtig auf der Handfläche halten könnte, die eine Art wehmütigen Kummer in sich trägt wie die Trauer über einen Verlust, die Klage um eine verlorene Unschuld und etwas, das nicht wiederkehrt. Kurz: Klänge, wie man sie schon von „Epitaph“ auf dem Vorgängeralbum kennt. Der musikalische Gesamteindruck dabei ist sehr rund und in sich geschlossen, klanglich durchgehend warm und auf eine Weise bedrückend, die das Herz schwer, aber zugleich auch weit macht. Unmöglich, sich nicht in diesen warmen Klanggespinsten aus Wehmut und Schwere zu verlieren. Unmöglich, sich der rauen und teilweise wie gebrochen wirkenden Stimme von MICK MOSS zu entziehen. Samtige Melancholie, Musik für einen bitteren Abschied, ein verlorenes Paradies. Und tatsächlich steht Eden im Konzept des Albums für einen Ort oder eine Zeit, in der nun verlorenen Vergangenheit, die als angenehm und sicher empfunden wurde. Es steht für die Sehnsucht nach dem Verlorenen und den Wunsch, die Zeit zurück drehen zu können – vor dem Hintergrund einer Gegenwart, die nicht viel zu bieten hat. So wird „Leaving Eden“ zur musikalischen Manifestation der Erkenntnis, zu viel verloren zu haben, zu einer Klage um die Unwiederbringlichkeit des Vergangenen, und das Verlassen des Paradieses gerät mit Put the thorn in my side, the coins on my eyes, I´m not awake, I´m leaving Eden zur Fahrt über den Totenfluss in die Unterwelt (auch wenn die Münzen auf den Augen landen, und nicht unter der Zunge).
Rund und in sich geschlossen also präsentiert sich „Leaving Eden“ als ein durchaus stimmiges und in sich ruhendes Werk, das seine Dynamik aus dem Wechsel von ruhigen und kraftvollen Momenten bezieht. Viele vertraute Akkorde haben sich in einem Sprung durch Raum und Zeit von der „Planetary“ mit hinübergerettet. So erwartet man bei einigen der neuen Stücke im ersten Moment zuweilen, im nächsten Augenblick „Legions“, „The Weight of the World“ oder „Epitaph“ zu hören. Das Phänomen funktioniert allerdings auch in umgekehrter Richtung, und so kann sich beim Hören der „Planetary“ die Erwartung der „Leaving Eden“ einstellen. Wenn das keine Kontinuität ist. Die Weiterentwicklung allerdings liegt im Ausbau der kraftvoll rockigen Elemente, mit denen MICK MOSS es zweifellos schafft, das neue Album von seinen Vorgängern abzuheben und neue Klangräume zu schaffen.
Bei aller Stimmigkeit jedoch bleibt für mein Empfinden dabei eben jenes nicht ganz leicht zu beschreibende Element, das in der Vergangenheit dafür gesorgt hat, dass ANTIMATTER immer ein wenig schwierig einzuordnen war, etwas auf der Strecke. Das neue Album ist vielschichtig, in seiner Entwicklung konsequent, alles passt, alles stimmt. Es transportiert wundervolle ANTIMATTER-Melancholie, schrammt hart die Grenze des Depressiven und ist auch dazu geeignet, kurz nach dem ersten Einlegen für die nächsten Wochen eine spontane Symbiose mit dem CD-Player einzugehen. Aber ANTIMATTER sind nicht mehr jene ANTIMATTER der „Saviour“ und der „Lights out“ – was nach dem Weggang von DUNCAN PATTERSON vielleicht auch ganz einfach nicht mehr möglich ist. Jene nicht leicht einordenbaren Elemente haben sich abgeschliffen, so dass die „Leaving Eden“ insgesamt glatter und gradliniger ist. Ein Rockalbum eben. Ein sehr gutes mit hohem Melancholie- und Bitterkeitsfaktor und von teilweise beklemmender Intensität. So ist die Feststellung der Veränderung auch nicht unbedingt als negative Kritik aufzufassen, sondern mehr als eine Beobachtung. Denn ja, ANTIMATTER sind nach wie vor umwerfend, nach wie vor großartig.
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Verweise zum Artikel:
» Antimatter Homepage
» Antimatter bei Myspace
» Prophecy Productions
» Prophecy bei Myspace
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Zusammenfassung
Veränderung und Kontinuität: Mit "Leaving Eden" legen ANTIMATTER ihr bisher rockigstes Album vor, bleiben aber auch den melancholischen Klängen treu. MICk MOSS verspricht nicht zu viel, wenn er die härtesten ANTIMATTER-Songs ankündigt, die es bisher gab.
Inhalt
1. Redemption
2. Another face in a window
3. Ghosts
4. The freak show
5. Landlocked
6. Conspire
7. Leaving Eden
8. The immaculate misconception
9. Fighting for a lost cause
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