Kollege Roy hat uns soeben in seiner AFTER THE SNOW-Rezension noch einmal etwas in Erinnerung gerufen, was schon einige Monate vorher in seiner ECHOES OF SILENCE-Rezension deutlich geworden ist: Momentan (oder war das vor sechs, sieben Jahren auch schon so?) versucht sich ein ganzer Haufen von Bands mit wechselndem Erfolg in einer Art JOY DIVISION- und/oder THE CHAMAELEONS- Ähnlichkeitswettbewerb. Selbst vor der Welt des Black Metals hat dieser Trend nicht halt gemacht, man denke da an LIFELOVER oder vor allem an die Finnen CIRCLE OF OUROBORUS. Viele dieser Bands wollen offenbar nicht mehr, als nur „retro“ sein, was ja auch in Ordnung ist, wenn es so fachmännisch gelöst scheint wie bei den Franzosen FRUSTRATION. INTERPOL sind mit diesem Ansatz bis in die Charts vorgerückt und auch die Amis mit dem superben Namen I LOVE YOU, BUT I’VE CHOSEN DARKNESS sind mittlerweile recht bekannt. Doch in diesem Wust an Bands gibt es glücklicherweise auch ein paar, die mutiger sind und deren Ansatz mehr so der Idee „was würde IAN CURTIS heute für Musik fabrizieren?“ zu folgen scheint. An erster Stelle kann man hier die etwas gehypten XIU XIU nennen, die diesen Ansatz mit Einflüssen ganz anderer Art verwursten und so ein Stil spielen, der tatsächlich recht eigen ist und mitunter sogar an den sperrigen SCOTT WALKER von heute erinnert. Die PSYCHIC ILLS aus New York sind so eine Band, bei der ich mich nicht wundern würde, wenn sie im Fahrwasser von eben XIU XIU und INTERPOL ebenfalls bald zu den bekannteren Vertretern ihrer Art gehörten. Man kann sie dabei ganz klar auch zu den etwas mutigeren Bands zählen, auch wenn sie längst noch nicht in dem Maße eine eigene Identität besitzen wie ihre XIU XIU-Kollegen. Mutig ist bei ihnen vor allem ihre psychedelische und Minimal-beeinflusste Note, ihre Musik ist mindestens so SPACEMEN 3-nah, wie sie JOY DIVISION-beeinflusst ist. Einer etwas größeren Öffentlichkeit bekannt wurden sie letztes Jahr mit ihrem Debütalbum „Dins“, es folgten Konzerte mit den Norwegern SERENA MANEESH, mit denen sie auch oft verglichen werden, allerdings singt bei den Norwegern eine Frau zu einem lieblicheren Stil, der jedoch auch so seine HAWKWIND-artigen Ausbrüche kennt, während bei den PSYCHIC ILLS mehr diese reduzierte urbane Kälte und Monotonie im Vordergrund steht. Ihr Label THE SOCIAL REGISTRY wiederveröffentlichte nun nach dem relativen Erfolg von „Dins“ ihre ersten beiden, im Erscheinungsjahr 2003 und 2004 recht limitierten Singles und EPs. Dazu packte man zwei weitere Stücke, die in der gleichen Zeit entstanden sind. Die PSYCHIC ILLS klangen damals noch nicht sehr eigen und fabrizierten eine ziemlich genaue 50% Mischung aus JOY DIVISION und SPACEMEN 3 zu „The Perfect Prescription“-Zeiten (1987). Nichtsdestotrotz bietet „Early Violence“ einige interessante Hörerfahrungen, vor allem weil ihre Musik wirklich ganz gefährlich herunterziehend wirkt. Sehr zäh das Ganze und beim Hören beschleicht einen auch etwas ein Hörgefühl wie man es von alten CABARET VOLTAIRE, THROBBING GRISTLE bis hin zu COUP DE GRACE (MICHAEL MOYNIHAN/BLOOD AXIS als Teenager) kennt, obgleich direkte „Industrial-Stilelemente“ eher nicht auszumachen sind. Die Stimme von Sänger TRES WARREN ist schön passend gesichtslos, lediglich sein amerikanisches Englisch passt nicht ganz ins Bild. Er singt jedoch sowieso nicht viel, drei der sieben Stücke (inkl. „Hidden Track) sind instrumental. Was sonst noch? Das Stück „4AM“ erinnert sehr an das Titelthema des „Decoder“ Soundtracks (GENESIS P’ORRIDGE, DAVE BALL und F.M. EINHEIT). Fazit: Auf „Dins“ waren die PSYCHIC ILLS mehr um Originalität bemüht. Ihre Stücke gingen dort ineinander über und glichen kleinen Miniaturen mit klangcollageartigen Zwischenspielen. Beim Opener „East“ integrierte man beispielsweise fernöstliche Exotica-Elemente, was in diesem regnerischen Depressions-Kontext, der auch in diesem Stück auf wundersame Weise beibehalten wurde, relativ einmalig sein dürfte. „Early Violence“ ist dementsprechend das deutlich songorientiertere, aber auch düsterere und vernichtendere Album. Alles in allem gibt es kein Grund, bei den PSYCHIC ILLS völlig euphorisch zu sein, doch sollte man sie sich merken, speziell dann, wenn einem INTERPOL schon immer zu sehr eingepfercht und brav klangen. MICHAEL MOYNIHAN (BLOOD AXIS) will übrigens schon seit einigen Jahren die alten Kassetten der „faschistischen“ JOY DIVISION-Epigonen BOOK AND SWORD (Kollektiv SAROTE INDUSTRIES) auf STORM veröffentlichen, die wirklich großartig ungesunde Musik spielten, der Sänger starb angeblich beim Russisch-Roulette, bis es soweit ist, kann man sich auch mit den PSYCHIC ILLS gut die Zeit vertreiben oder ebenfalls die Kugel geben.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » PSYCHIC ILLS Myspace
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Zusammenfassung
Die PSYCHIC ILLS sind eine sehr herunterziehende
Psychedelia/Postpunk-Band aus New York, die sich klanglich stark an JOY DIVISION, ganz frühen CABARET VOLTAIRE und SPACEMEN 3 orientieren. Sollte man im Auge behalten! Inhalt
1. Vice
2. Killers 3. Diamond City 4. Days 5. Highway of Death 6. 4 AM 7. Red-Split 8. Diamond City Redux Simple weiße Stecktasche. |