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Roy L.

FERN KNIGHT: Music For Witches...

...And Alchemists


FERN KNIGHT: Music For Witches...
Genre: Weird Folk
Verlag: VHF
Erscheinungsdatum:
Dezember 2006
Medium: CD
Preis: ~10,00 €
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Wenn man sich der Reihe nach die letzten Veröffentlichungen von ESPERS, MARISSA NADLER, FERN KNIGHT und MEG BAIRD zu Gemüte führt, wird man gespitzten Ohres nicht nur Parallelen in der Qualität feststellen können, sondern auch auf die permanente Klarheit der Aufnahmen aufmerksam werden, die dem Stellungsspiel der Instrumente mit wohlig analoger Wärme eine atemberaubende Räumlichkeit zuführt, ohne dabei zu glatt oder überladen zu wirken. Verantwortlich sind hierfür zum einen ESPERS-Chef und Songwriter GREG WEEKS, der die Aufnahmen zu den meisten Alben der eingangs genannten Künstler leitete und zum anderen das HEXHAM HEAD Studio in Philadelphia, das für sich selbst und für die Weird-Folk Szene der Ostküste bereits einen gänzlich charakteristischen Sound erschaffen hat, der harmonisch zwischen neuer und alter Welt schwingt und stärker als der aller anderen amerikanischen Alt-, Jung- und Neu-Hippies an die saftig grünen Wälder der ersten großen Folk-Wiedergeburt in den späten 1960ern und frühen 1970ern gemahnt.
In dieser Tradition steht auch das ebenfalls in Philadelphia ansässige Projekt FERN KNIGHT von MARGIE WIENK, die ihre Cello-Arrangements sogar schon IN GOWAN RING zur Verfügung stellte (auf „Hazel Steps Through A Weathered Home", 2002).  Ihr erstes eigenes Album erschien vor vier Jahren seltsamerweise auf dem deutschen Label NORMAL RECORDS. Hierzulande nur wenig beachtet brachte es ihr in der Heimat immerhin die Bekanntschaft mit einigen Folkgrößen aus der Region ein. So soll es nicht verwundern, dass „Music For Witches And Alchemists“ mit einer üppigen Anzahl liebgewonnener Gastmusiker aufwartet und nur unter enormem Zeitaufwand entstehen konnte. Das Ergebnis kann sich hören lassen, denn anders als vielleicht erwartet, platzen die elf abwechslungsreichen Lieder nicht überproduziert aus allen Nähten, sondern wandeln behutsam durch dunkle Forste von Lichtung zu Lichtung. Unterwegs führt der Pfad an kleineren Gehöften vorbei, in deren manchen Hütten ein dumpfes Feuer flackert. Dann kehrt man ein und schunkelt bei einem Krug Bier zu den grimmen Sagen der Barden. Aber das ist nur eines von mehreren verschwommenen Bildern... FERN KNIGHT können auch ganz anders.
Im Gegensatz zu den wohlstrukturierten, weit ausgedehnten Indie-Folk-Pop-Kompositionen des Vorgängers „Seven Years Of Severed Limbs“, das noch in Zusammenarbeit mit MICHAEL CORCORAN entstand, ist dieses zweite, ausgereiftere Werk von eher erdiger, traditionell-folkloristischer Gestalt. Man spürt mehr Vogelzwitschern, Laubduft und regenschwere Horizonte zwischen den Zeilen. Diesem luftigen Waldszenario verleihen vor allem die eingeladenen Musiker differenzierte Nuancen. GREG WEEKS legt - nicht nur, aber vor allem in „Awake, Angel Snake“ - sägende Acidgitarrenbrände, die jedesmal ein funkelndes ESPERS-Feuer entfachen. Als Backgroundsänger geht er deutlich sanfter vor und bekommt bei „Marble Grey“ sogar gerngehörte Unterstützung von Bandkollegin MEG BAIRD. Wenn das anfangs ganz frivole „W. Memphis“ in einen tiefen psychedelischen Strudel gerät, ist es das wilde Harfenspiel von JESSE SPARHAWK (TIMESBOLD), das eine Stimmung mitternächtlichen Wahnsinns evoziert. Eher barock und generell herrlich altmodisch verleiht ORION RIGEL DOMISSE mit ihren DOLLY COLLINS-typischen Harmoniumklängen einem Großteil der Stücke eine angenehme altenglische Grundierung. Der ESPERS- und VETIVER-Drummer OTTO HAUSER lässt dazu ein paar wenige Passagen des Albums in geschätzter STONE ANGEL- oder SPIROGYRA-Manier (folk-)rocken, hat durchaus aber auch den ein oder anderen Walzer („What The Crows Left Behind“) im Repertoire. Abwechselnd urig-ländlich und abendländisch kaffeehausdekadent schlendert das Akkordeon von ALEC K. REDFEARN (THE EYESORES), der FERN KNIGHT von Anfang an begleitete, gemütlich durch nahezu jedes Lied. Einen besonderen Wall der Leidenschaft entlockt er seinem Instrument im Intro von „Summer Of Throg“, bis sacht pointiert  das Cello in den Raum tritt und mit minimalistischer Präzision den Hörer paralysiert, woraufhin wiederum beide, Akkordeon und Cello, einen blumig frischen Teppich mit scharf herausstechenden Blüten intonieren.
Es ist im Grunde aber dennoch MARGIEs träumerisch verspielte Akustikgitarre, die der Musik das ideenreiche, frische Antlitz verleiht, ihr vordergründiges Cello, mit dem sie tief und schwerfällig eine Schicht Melancolia über manche der Lieder streicht, dann aber auch märchenhaft und fröhlich zupfend den Sonnenschein zurückbringt. Mit einer natürlichen Leichtfüßigkeit wie die der jungen VASHTI BUNYAN hüpft ihre Stimme über Regenpfützen von Blatt zu Blatt. Sie hat einen kindlich-schönen Sinn für Melodien, so dass es einem schwer fällt, bestimmte Passagen wieder aus dem Kopf zu bekommen. Das mag sicher auch dem traditionellen Gemüt des Albums geschuldet sein. Starke keltische Einflüsse sind durchgehend zu verspüren und „Music For Witches And Alchemists“ macht einen insgesamt europäischeren Eindruck als die angloamerikanische Herkunft vermuten ließe. Einige Lieder, wie „Song For Ireland“ und „Lintworme Pt. I“  haben so etwas frühlingshaft umhertänzelndes, süßlich frohlockendes, dass man sie irgendwie dem Begriff „Reigen“ zuführen möchte. Ein bisschen hat man es dann auch mit Elfen und Feen zu tun, aber es sind erwachsenere, trinkfeste Wesen, die ihre Großstadterfahrungen gemacht haben, den urbanen Zynismus hinter sich haben und jetzt aufs Land zurückkehren und zwischen Feld und Flur umhergeistern. Dieser „volkstümliche“, bierselige Charakter wird dann aber auch wieder gebrochen und entzerrt, durch den – letztendlich – düsteren Grundtenor des Albums, durch die klassisch strengen Arrangements und die flammenden E-Gitarrenstreifzüge auf engstem Raum.
Produktionstechnisch ist dazu im HEXHAM HEAD Studio vorzüglichste Arbeit geleistet worden. Die einzelnen Tonspuren sind mit solchem Feingefühl zusammengeflochten, dass jedes Instrument präzise herauszuhören ist und es scheint, beim Aufnahmeprozess wäre tatsächlich die Magie von Hexen und Alchemisten im Spiel gewesen. Oder Analogfreak GREG WEEKS ist optional einer der beiden Spezies zuzurechnen, was gar nicht mal so fern liegt.
FERN KNIGHTs zweites Werk ist eine grandiose Ansammlung von Frühlingsgefühlen, ein feinverzweigter Trip durch das Hinterland einer barocken Traumwelt, Volkstänze und Schauergeschichten inklusive. Durch das Zutun der prominenten Gäste sind dem Album viele musikalische Gesichter zu eigen, wodurch die Band fast zum All-Star Projekt mutiert. Die ganze Meute zuzüglich ein paar weiterer Leute aus dem ESPERS- und FURSAXA-Umfeld nennt sich auf der Bühne zusammen übrigens THE VALERIE PROJECT. Mit alchemistischer Weisheit und einem Dutzend verschiedener Instrumente gestalten sie live einen neuen Soundtrack zu dem tschechischen surrealen Horrormärchen „Valerie And Her Week Of Wonders“ (1970). JAROMIL JIRES Meisterwerk hat in der Folkszene übrings einen ähnlichen Kultstatus wie etwa „The Wicker Man“.
Die wohlinspirierte Philadelphia-Kommune scheint sich so langsam zum WORLD SERPENT des Weird-Folks zu entwickeln. The circle is unbroken.




Ausgewählte Daten der Europa-Tour im April:

Deutschland:
21.04. Stuttgart – Für Flüssigkeiten und Schwingungen
22.04. Hamburg – Fundbureau (mit KUENNECKE + SMUKAL)

Belgien:
12.04 Brüssel – (K-RAA-K)3 / Bunker (mit NICK CASTRO und GÖÖR)
13.04. Diksmuide – Muzieklub 4AD (mit NICK CASTRO und LARKIN GRIMM)


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Fern Knight
» VHF Records
» Fern Knight @ MySpace


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Zusammenfassung
Im Hexham Head Studio wurde mit FERN KNIGHTs „M4W&A“ ein weiteres Folk Meisterwerk produziert. Eine grandiose Ansammlung von Frühlingsgefühlen und ein feinverzweigter Trip durch das Hinterland einer barocken Traumwelt. Für Freunde der alten (FOREST, PENTANGLE) wie jungen (NICK CASTRO, ESPERS) Garde.

Inhalt
Song For Ireland
Awake, Angel Snake
W. Memphis
Murder Of Crows
Lintworme, Pt. I
Marble Grey
Shingle River
The Dirty South
Summer Of Throg
What The Crows Left Behind
Lullaby

41min

VHF #101 | Papp-Gatefold
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