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Michael We.

ORO!ORO!: Ilgesio Rubikonai

Eine Ambientplatte vom Industrialmeister aus Litauen


ORO!ORO!: Ilgesio Rubikonai
Genre: Dark Ambient
Verlag: Autarkeia
Vertrieb: Autarkeia
Erscheinungsdatum:
März 2007
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: AUTARKEIA


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Wer braucht diesen elenden Frühling? Das penetrante Vogelgezwitscher, die zur Schau gestellte Fröhlichkeit der Spaziergänger, das Gerede vom ersten Sonnenbrand des Jahres und die von Großfamilien in Beschlag genommenen Lieblingsplätze? Ich rufe ‚bäh’ und wende mich ‚Ilgesio Rubikonai’ zu, der Ambientplatte des litauischen Projekts ORO!ORO!. Die klingt nach der edlen Melancholie des Herbstes, lässt mich das Label AUTARKEIA wissen.
Dafür verantwortlich ist LAURYNAS JUKONIS, so etwas wie der ‚Papst’ der litauischen Industrialszene. JUKONIS ist seit bald zwei Jahrzehnten aktiv und fehlt auf keinem Industrialfestival im baltischen Raum. Mit seinem Projekt GIRNU GIESMES hat er es auf neun Veröffentlichungen gebracht, die ersten drei (von 1996 bis 2000) noch auf Kassette. Musikalisch hat er sich dabei am klassischen Industrial orientiert, mit vielen Noise- und Drone-Elementen. JUKONIS legt großen Wert auf seine Herkunft, baut zum Beispiel Rezitationen in litauischer Sprache ein oder verwendet landestypische Symbole auf den CD-Covern. Unter dem Namen SIEMPRE NO hat er im Jahr 2004 ein Minialbum mit Klängen von sogenannten ‚field recordings’ veröffentlich, also Aufnahmen von ins All gerichteten Mikrofonen, elektromagnetischen Wellen etc. Unter anderem deshalb wird seine Arbeit oft mit der von BAD SECTOR verglichen.

Mit seinem neuen Projekt ORO!ORO! hat JUKONIS jetzt also eine reine Ambientplatte herausgebracht. Und ja, sie klingt nach Herbst. Eröffnet wird mit dem Ambientklassiker ‚verlassene Landschaft’. Ein einzelner Ton, der nach einem Sonar klingt, und ein bisschen Wind tragen die ersten Minuten. Schnell ist klar, dass hier ein Profi arbeitet, denn mehr als die Variationen eines Tones braucht LAURYNAS JUKONIS nicht, um die Stimmung zu erzeugen, die er will (Auch wenn – keine Angst! – die Platte später noch sehr viel lebendiger wird). Warme Keyboardkissen, am Ende von Track 1 eine sanfte Melodie –  der immer leicht schwermütige Ambientfreund fühlt sich zuhause. ‚Pale Vortexes Of The Dream’ (Track 2) lässt ein wenig frösteln, die Geräusche scheinen aus dem All zu  stammen und sind unterlegt mit litauischem Geflüster in einem fragenden, zurückhaltenden Ton, das auch in anderen Tracks immer wieder auftaucht. Die Stimme erinnert leicht an HANS JOHM von ANTLERS  MULM, auch wenn bei ORO!ORO! drumherum weniger Melodie und mehr spacige, melancholische Atmosphäre herrscht. Highlight der Platte ist Track 4, der Titeltrack 'Rubicons Of Nostalgia', der mit einer simplen Zwei-Ton-Melodie beginnt und später mit der Ambientversion einer Orgel zu einem Stück Weltraumjazz wird. Wer sich jetzt noch nicht von der Außenwelt verabschiedet hat, ist für diese Art von Musik unempfänglich. Track 5 erinnert an den Opener, mündet aber in das zweite Highlight der CD: eine wunderschön vertonte, kalte Nacht, durch die Schwaden von Nebel und Wolken ziehen, inspiriert von BOHREN UND DER CLUB OF GORE, den Erfindern des Zeitlupen-Jazz. Track 7 ist der längste und aufregendste, über 15 Minuten entwickelt sich ein Rhythmus, der das Stück gegen Ende fast antreibt, so dass die Sounds immer lauter werden und an Industrial erinnern. Ein paar Weltall-Alien-Klänge runden das 70-Minuten-Werk ab.
Für ‚Ilgesio Rubikonai’ braucht man Zeit und Ruhe, aber das gilt ja eigentlich für alle Ambient-Veröffentlichungen. Die CD taugt nicht zum ‚eben mal Reinhören’, sondern sollte gleich beim ersten Mal ganz durchgehört werden, ohne Störgeräusche. Ein wenig Aufwand, aber die Mühe wird belohnt: LAURYNAS JUKONIS hat eine überdurchschnittliche Ambientplatte hingelegt, auf der er zeigt, wie wenig Effekte es brauchen kann, um eine intensive und dunkle Stimmung zu erzeugen. Wer sich auf die Musik einlässt, wird nach 70 Minuten wie aus einem Traum wieder aufwachen, entspannt, ausgeruht und der elegantesten Zeit des Jahres gedanklich ein Stück näher.
Nur eine Bitte habe ich: Liebe Leute von AUTARKEIA, man muss doch nicht für jede Platte gleich ein neues Genre erfinden. Was soll denn bitte philosophical ambient sein? Ambientmusik, bei der ich mich ständig nach dem Sinn frage? Weg damit! Aber wahrscheinlich ist Euch das vor lauter Begeisterung über die schöne Musik von ORO!ORO! einfach nur so aus Versehen rausgerutscht.


 
Michael We. für nonpop.de



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Zusammenfassung
Der litauische Industrialpionier LAURYNAS JUKONIS hat Spaß an Ambient gefunden. Dezente, aber intensive Vertonung des Herbstes mit Geflüster in Landessprache und Weltraumjazz. Von der Stimmung her vergleichbar mit BOHREN UND DER CLUB OF GORE, auch genauso gut.

Inhalt
70 Minuten und 13 Sekunden, limitiert auf 500 Stück.

1. Cranes Leaving Their Northern Home
2. Pale Vortexes Of The Dream
3. Daffodil Rays Of The End
4. Rubicons Of Nostalgia
5. Northern Star - Sun Of Insomnia
6. Sincere Letters From The Golden Exile
7. Chill Bird Nests
8. Foul Weather
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