Die Seite wird geladen... einen Moment bitte.
Tony F.

SKINNY PUPPY: Ein Porträt zu "Mythmaker"

25 Jahre - Von "Remission" bis "Mythmaker"


SKINNY PUPPY: Ein Porträt zu
Genre: Industrial
Verlag: Synthetic...
Vertrieb: Synthetic...
Erscheinungsdatum:
Januar 2007
Medium: CD
Preis: ~15,00 €
Kaufen bei: Amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

Mit "Mythmaker" ist in diesen Tagen ein neues Album der seit 25 Jahren bestehenden Formation SKINNY PUPPY erschienen. Das sollte Anlass genug sein, um die Bandhistorie noch einmal kurz zu beleuchten und sich anschließend dem neuen Album zu nähern. 

"SMOTHERED HOPE" - DIE ANFÄNGE 

SKINNY PUPPY wurde 1982 von CEVIN KEY und NIVEK OGRE im kanadischen Vancouver gegründet. Inspiriert von Bands wie SPK, CABARET VOLTAIRE oder auch KRAFTWERK verwirklichte die Band ihre musikalische Vision zunächst mit Synthesizern, Schlagwerk, Tapes und Samples. Man arbeitete in der später berühmt-berüchtigten Vancouver-Elektroszene, die nur wie so oft aus einer Hand voll Leuten bestand, die sich aber alle aus verschiedenen Projekten kannten und die neben SKINNY PUPPY solche großartigen Elektro-Bands wie FRONTLINE ASSEMBLY, NUMB oder MOEV hervorbrachte. 

Die erste, musikalisch noch recht eingängige und einfach gestrickte Mini-LP "Remission" mit dem bis heute nicht wegzudenkenden Hit "Smothered hope" erschien 1984. Trotz der teilweise noch recht überschaubaren Strukturen waren allerdings bereits erste Ansätze des düsteren, atmosphärischen und soundcollagenartigen Klangbilds erkennbar, das später zusammen mit einer ungeheueren Komplexität das Markenzeichen der Band werden sollte. Wurde das Duo zunächst noch sporadisch von WILHELM SCHROEDER (alias BILL LEEB, heute FRONTLINE ASSEMBLY und DELERIUM) am Synthesizer unterstützt, so stieg später DWAYNE RUDOLPH GOETTEL (ex-PSYCHE) als festes Bandmitglied ein. 

In Deutschland und Europa wurden SKINNY PUPPY im Zuge der einsetzenden EBM-Welle Mitte der 80er Jahre einem größeren Publikum bekannt. Die Zuordnung zur ElectronicBodyMusic geht für die Anfangszeit der Band vielleicht auch in Ordnung, da der Begriff damals musikalisch ohnehin weiter gefasst war, als es heute der Fall ist. Sie passt allerdings aus meiner Sicht nicht mehr zu dem musikalischen Ausdruck und zum Selbstverständnis der Band, wie es sich ab Ende der 80er Jahre darstellte. Die Zuordnung zum Industrial verweigerten SKINNY PUPPY aber stets selbst, da ihre Musik ihrer Ansicht nach neben dem infernalischen Krach, den man durchaus produzierte, sehr oft auf herkömmliche Songstrukturen und auch auf Melodien setzte. 

"DOGSHIT"/"CENSOR" - ENTWICKLUNG 

Gegen Ende der 80er Jahre wurde der Sound der Band immer komplexer und entfernte sich damit immer mehr von eingängigen und tanzbaren Strukturen. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht ist sicherlich das 88er Album "VIVIsect VI". Dennoch schaffte man es nahezu auf jedem Album, mindestens einen regelrechten Hit zu platzieren, was letztlich die Verbindung zur EBM- und auch Club-Szene nie abreißen ließ. In das Klangbild wurden über die Jahre immer mal wieder Gitarren und später auch echte Schlagzeugspuren integriert, was letztlich zu einem organischeren Sound führte, der seine elektronischen Wurzeln allerdings nie verleugnete. 

Der Gesang von NIVEK OGRE, an dem jeder Kopierversuch vieler Elektro-Bands kläglich scheiterte, bewegte sich dagegen zunehmend zwischen einem düsteren Raunen, abgründigem, teilweise melodiösem Sprechgesang und manischen Ausbrüchen. Neben der Tatsache, dass die Band musikalisch nie stehen blieb und daher kaum ein Album klingt wie das vorherige, sie aber auch nie einem Trend nachjagte, bezog die Band die Faszination des Publikums auch immer aus ihren fast theaterartigen und kompromisslosen Bühnenshows, die in den 80er Jahren auch hier und da zu Problemen führten, weil man z.B. in einem Fall tatsächlich der Meinung war, auf der Bühne würde ein echter Hund seziert. Der Vorwurf war um so unverständlicher, als sich SKINNY PUPPY seit jeher stark für den Tierschutz engagierten. Tatsächlich handelte es sich bei dem Hund um eine täuschend echte Attrappe, die von der Sängerin der an dieser Stelle mal zu empfehlenden Band STEREOTAXIC DEVICE gefertigt wurde. Später entwickelten die Live-Shows zudem durch zum Teil verstörende Hintergrundvideos, die bis heute auch alleine unter den Fans hoch gehandelt werden, zusätzliche mediale Wucht. 

Inhaltlich sind SKINNY PUPPY im Grunde eine recht politische Band. Der erwähnte Tierschutz (u.a. "Testure") war ebenso ein Thema wie auch die Umweltzerstörung, der irakische Giftgaseinsatz gegen die kurdische Minderheit im Irak ("VX gas attack") oder eine Anti-Bush-Position, die sich auf dem bis dato letzten Album "The greater wrong of the right" widerspiegelt. Als Reaktion auf die Zensurbehörden brachte man zudem den "VIVIsect VI" Albumtitel "Dogshit" unter dem Namen "Censor" als Maxi heraus. 

Neben der Arbeit für SKINNY PUPPY war gerade CEVIN KEY seit jeher in Bezug auf Nebenprojekte sehr umtriebig. Unter anderem bildete er mit DWAYNE R. GOETTEL, WILHELM SCHROEDER (aka BILL LEEB) und BLIXA BARGELD (als Gast) das Projekt CYBERAKTIF, mit DWAYNE R. GOETTEL betrieb er das Projekt DOUBTING THOMAS und mit EDWARD KA-SPEL von den LEGENDARY PINK DOTS, für die er auch als Tour-Schlagzeuger unterwegs war, arbeitet er bei THE TEAR GARDEN zusammen. Die Projekte HILT und PLATEAU (mit PHIL WESTERN) sind ebenfalls noch zu nennen. OGRE hingegen arbeitete beim MINISTRY-Album "The mind is a terrible thing to taste" mit. Zudem war er bei den All-Star-Combos PIGFACE und den REVOLTING COCKS engagiert. OGRE und KEY spielten zudem mal eine heute gesuchte Platte ("A chud convention") mit À;GRUMH... ein. 

"KILLING GAME" - DAS VORLÄUFIGE ENDE UND DIE WIEDERGEBURT 

Nach dem aus meiner Sicht trotz des Überhits "Worlock" bisher schwächsten SKINNY PUPPY-Album "Rabies", das unter der Mitwirkung von ALAIN JOURGENSEN (MINISTRY) entstand, schwang sich die Band Anfang der 90er Jahre zu ihren kreativen Höchstleistungen "Too dark park", das durch seine Komplexität kaum zu überblicken ist, und dem inhaltlich sehr stark von der Drogensucht des Sängers NIVEK OGRE geprägten "Last rights"-Album auf. Bei den Arbeiten zum geplanten Nachfolgealbum "The process" kam es dann allerdings zum vorläufigen Ende der Band, da die schon jahrelang existenten, bandinternen Querelen und die zunehmenden Drogenexzesse der Bandmitglieder eine Weiterarbeit so gut wie unmöglich machten. 

Die Wege trennten sich also zunächst, wobei CEVIN KEY und DWAYNE R. GOETTEL bereits dabei waren, ein neues All-Star-Projekt namens DOWNLOAD anzuschieben. Neben PHIL WESTERN waren daran noch MARK SPYBEY (ex-ZOVIET FRANCE, DEAD VOICES ON AIR) und als Gastvokalist GENESIS P. ORRIDGE (THROBBING GRISTLE, PSYCHIC TV) beteiligt. Die Veröffentlichung des ersten DOWNLOAD-Albums "Furnace" im Jahre 1995 wie auch die Veröffentlichung des "The process"-Albums erlebte DWAYNE R. GOETTEL allerdings nicht mehr, da er 1995 im Alter von 31 Jahren an den Folgen einer Überdosis verstarb. 

War "The process" von der Plattenfirma zunächst lange zurückgehalten worden, so wurde dieses sehr uneinheitliche, nicht recht packende Album mit der von den Plattenfirmen gerne angenommenen zynischen "Marketingunterstützung" jetzt natürlich zur Veröffentlichung freigegeben. Das Ende von SKINNY PUPPY schien besiegelt. CEVIN KEY kümmerte sich fortan um DOWNLOAD und um andere Projekte. OGRE hingegen arbeitete mit MARTIN ATKINS (ex-KILLING JOKE) an einem Projekt namens RITALIN und veröffentlichte später mit MARK WALK auch unter dem Namen OHGR. 

Die nicht mehr als realistisch einzuschätzende Hoffnung der Fans auf eine Reunion erfüllte sich allerdings recht unerwartet im Jahr 2000 auf dem "Doomsday-Festival" in Dresden doch noch. Glaubte man zunächst, dass es sich um eine eher einmalige Sache handelte, so verdichteten sich doch schließlich die Gerüchte um ein neues SKINNY PUPPY-Album, das unter dem Namen "The greater wrong of the right" 2004 tatsächlich das Licht der Welt erblickte. Neues festes Bandmitglied ist seitdem der bereits erwähnte, auch schon an OHGR beteiligte MARK WALK. 

Im Vergleich zu vielen Comebackalben war "TGWOTR" wie das Album in Fankreisen heißt, ein recht gutes Album, das aber dennoch etwas zerfahren, nicht so atmosphärisch und weniger geschlossen als frühere Werke ausgefallen ist. Zudem fiel der Gitarrenanteil wie auch schon beim Vorgänger "The process" ungewöhnlich hoch aus. Die Band macht für die nicht ganz optimale Arbeit heute die Mitarbeit zu vieler Leute verantwortlich (u.a. OTTO VON SCHIRACH, STATIK von COLLIDE oder DANNY CAREY von TOOL). Dennoch waren SKINNY PUPPY wieder da. 

MYTHMAKER 

Ohne allzugroße Vorankündigungen erschien im Januar dieses Jahres dann der langerwartete Nachfolger. SKINNY PUPPY waren eigentlich immer dann am besten, wenn man ohne großartige Unterstützung von außen an einem Album arbeitete - das trifft auf "Mythmaker" in vollem Umfang zu. CEVIN KEY hat laut Interviewaussagen die musikalische Kontrolle wieder umfänglich übernommen.  

Wie schon immer üblich unterscheidet sich "Mythmaker" deutlich vom Vorgängeralbum. Ebenfalls üblich ist es, dass man deutlich mehr als einen Anlauf benötigt, um den Einstieg in das Album zu finden. Nach mehrmaligem Hören erschließt sich einem nach und nach aber auch dieses Album, und man stellt erfreut fest, dass SKINNY PUPPY endlich zu alter Größe zurückgefunden haben. Um die Band mit sich selbst zu vergleichen würde ich das Album als Mischung aus der vertrackten Komplexität von "Too dark park" und der Opulenz von "Last rights" beschreiben, ohne dass die Band in festgefahrenen Strukturen verharrt. 

Auf den ersten Blick wirkt das Album ruhiger, geschlossener aber auch wesentlich atmosphärischer und punktgenauer als die beiden Vorgänger. Die Platte beginnt mit dem großartigen, zunächst von OGREs Stimme getragenen "Magnifishit", das sich dann aber immer mehr verdichtet und rhytmisch immer mehr auflebt und damit einen würdigen, ja hitverdächtigen Beginn abgibt. Der Gesang von OGRE in diesem Stück ist dann auch gleich wegweisend für das Album. Der aggressiv raunende - teilweise melodiöse - von unzähligen Vocoder- und Verzerrereffekten verfremdete Gesang steht diesmal im Vordergrund. Die manischen Ausbrüche der Vergangenheit sucht man an mancher Stelle leider vergebens. Der technisch saubere, manchmal an mangelnder Atmosphäre leidende, Gesang, der vermehrt auf den letzten beiden Platten eingesetzt wurde, findet aber ebenso kaum Anwendung. 

Thematisch beschäftigt man sich auf dem Album mit allen Arten der Mythenbildung. Von der Mythenbildung durch die Medien, die Politik bis hin zu den persönlichen Mythenbildungen im virtuellen Raum (Stichwort: Web 2.0). "Dal" treibt den Rhythmus weiter an und wartet ebenfalls mit spannenden Melodieführungen auf, bevor mit "Haze" ein ruhigerer, melodischer, später wuchtiger, fast symphonischer Song, der deutlich an die "Last rights"-Ära erinnert, folgt. "Pedafly" schleicht sich förmlich an, um dann in einen bösartigen, stampfenden Industrial-Rock-Song zu münden. Danach umgarnt einen in "Jaher" eine entspannt gezupfte Akustik-Gitarre, die ein wiederum eher ruhiges Stück eröffnet, das man gut mit der Referenz an "Nature's revenge" vom "Too dark park"-Album beschreiben könnte. 

Mit "Politkil" kehrt man noch einmal zu musikalisch-abgeschwächten Industrial-Rock-Anleihen zurück, bevor mit "Lestiduz" ein sehr experimenteller, digital zerfräster Song folgt. Mit "Pasturn" und "Ambiantz" folgen dann noch einmal zwei atmosphärisch-treibende Stücke, die dem abschließenden treibenden, elektronischen Bastard "Ugli", der endlich auch wieder mit einer so SKINNY PUPPY-typischen Basslinie aufwartet, vorangehen. Der Song und das Album laufen schließlich in einer durch den digitalen Reißwolf gezogenen Soundorgie, wie man es von den Live-Shows kennt, aus. 

Das Klangdesign wie auch die Produktion, für die auch ein gewisser SCAREMEISTER, das in der Filmmusik und im Filmsounddesign tätige alter Ego von CEVIN KEY, verantwortlich zeichnet, sind wieder auf einem absolut hohen Niveau angesiedelt, das seinesgleichen sucht. Die soundtechnischen Ideen, die SKINNY PUPPY in so ein Album stecken, verarbeiten andere Bands nicht in fünf Alben. Augenzwinkerndes i-Tüpfelchen ist - wenn man die USA-kritische Haltung der Band kennt - dann noch das Cover-Motiv, das im Original "Why I hate Europeans" heißt. 

Nachdem ich angesichts des letzten Albums nicht ganz sicher war, wie der zukünftige Weg SKINNY PUPPYs aussehen würde, hat mich "Mythmaker" auf ganzer Front überzeugt. Dass die Band noch einmal ein so wuchtiges, teilweise wütendes und einem den Zustand der Welt ins Gesicht schleuderndes, kompaktes Album hinbekommen würde, das an keiner Stelle langweilig wird, damit habe ich nicht mehr unbedingt gerechnet.


 
Tony F. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» SKINNY PUPPY
» SKINNY PUPPY@Myspace

Themenbezogene Artikel:
» SKINNY PUPPY: Mythrus-Tour


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Nachdem ich angesichts des letzten Albums nicht ganz sicher war, wie der zukünftige Weg SKINNY PUPPYs aussehen würde, hat mich "Mythmaker" auf ganzer Front überzeugt.

Inhalt
Magnifishit
Dal
Haze
Pedafly
Jaher
Politikil
Lestiduz
Pasturn
Ambiantz
Ugli
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Skinny Puppy
 
allerdings arbeitete deutlich ebenfalls einmal mythmaker noch puppy skinny strukturen veröffentlichung zunächst