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Dominik T.
Credo In Unum Deum (Sampler)
Christentum und Neofolk!
Kategorie: Rezension
Erstellt: 07.01.2007
Wörter: 1290
Artikelbewertung:
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In einem kurzweilig zu lesenden und auch sehr preiswerten Interviewbüchlein namens „Unsere Zeit kommt“ beschreibt Karlheinz Weißmann, ein natürlich umstrittener Vielschreiber und „Vordenker“ der „rechten Intelligenz“ in Deutschland (der allerdings auch in renommierten Verlagen veröffentlichte), sehr gut, warum es seiner Meinung nach Schwachsinn ist, wenn sich Gruppierungen, deren Anliegen es ist, über die (gefährdete) Identität Europas nachzudenken, allzu tief auf ein „Neu-Heidentum“, ganz gleich welcher Ausprägung, einlassen: Mit (und eigentlich auch gegen) Nietzsche argumentierend beschreibt er dort, wie das Christentum einen Spalt im europäischen Bewusstsein geschaffen habe, den man nicht mehr zudecken dürfe: „Dieser Spalt hat unser Gewissen entstehen lassen und unsere Schamkultur, alles was mit „Innerlichkeit“ zusammenhängt. Wenn man diesen Spalt wieder schließt – und vielleicht werden wir das erleben – dann verschwindet nur der europäische Mensch, aber es ersteht kein Heidentum auf.“ Er fürchtet eine allzu große Beliebigkeit, eine, die einher geht mit einer reinen Diesseitigkeit, die das Wesen des Religiösen, so wie es sich in Europa entwickelt hat, völlig verkennt, und die letztlich sowieso nur ein Teil des modernen Wunsches nach „Selbsterfahrung“ und „Selbstverwirklichung“ ist, die auch all den anderen, nicht traditionsgebundenen, modernen Angeboten auf dem Rummelplatz der Weltanschauungen eigen sind. Das Christentum sei „das Europa zugewandte Gesicht Gottes“ (Ernst Troeltsch), demnach sei ein Christentum ohne Europa vorstellbar, aber niemals ein Europa ohne Christentum. Gedankengänge dieser Art sind nicht neu oder "nur von Weißmann" und sie dürften auch prägend für den im Folgenden vorzustellenden Sampler gewesen sein, der vom römischen Neofolkprojekt ROSE ROVINE E AMANTI konzipiert wurde. „Credo In Unum Deum“ ist also als eine Art „Bekenntnissampler“ konzipiert, genauer: Die Beiträge stammen ausschließlich von Projekten aus dem Neofolk- und Postindustrial-Bereich, die sich als katholisch oder christlich orthodox verstehen.
Grundsätzlich ist die Idee des Samplers zu begrüßen, zumal ein kleines Büchlein mitgeliefert wird, das einige Gedanken der beteiligten Künstler zum Thema enthält. Es ist der erste Neofolksampler, der explizit "christlich" ist und man kann sagen, das wurde langsam Zeit. Auch wenn man selbst religiös anderer Ansicht ist, kann man doch objektiv erstaunt darüber sein, mit welch bilderstürmerischer Selbstverständlichkeit und auch etwas naiv die Mehrzahl der Neofolkprojekte sich einen neuheidnischen Anstrich geben und dies dann noch als einen Ausdruck einer betont „unzeitgemäßen“ Haltung verstehen. Ihre wirkliche „Andersartigkeit“ an dem Punkt zeigen hier dann u.a. die „üblichen Verdächtigen“ wie VON THRONSTAHL, THORN AGRAM, KRIEGSFALL-U, LONSAI MAIKOV und PARZIVAL, ebenso wie eher neue Namen z.B. ODA RELICTA aus der Ukraine, KAYNO YESNO SLONCE aus Bulgarien, HIDDEN PLACE aus Italien oder MILITIA, natürlich nicht die Belgier, sondern ein Nebenprojekt der italienischen Goth- White-Metaller von MAGNIFIQUAT.
Die Künstlerauswahl und natürlich irgendwie auch das Thema (weil so wahrhaft avantgardistisch) lässt die Befürchtung entstehen, dass dem Ganzen ein gewisser „Nerd-Charakter“ innewohnt. Und tatsächlich, dieser ist nicht ganz zu leugnen, wenn auch weniger ausgeprägt als befürchtet. LONSAI MAIKOV liefern mit „Regnum“ eines ihrer besten Lieder überhaupt ab. Siebenminütig fängt es zunächst und im sehr positiven Sinne geprägt von SOL INVICTUS zu „The Blade“-Zeiten mit Fanfaren an, steigert sich dann zwischenzeitlich zu einem klassischen Doom-Metalrock Hammer, der Erinnerungen an CANDLEMASS oder SOLITUDE AETERNUS weckt, um dann in eine schnelle, gar nach Black Metal (!) klingende Passage überzugehen. Danach wendet sich der Song wieder zum typischen LONSAI MAIKOV-Stil, den manch einer als etwas fad empfindet. Wirklich Klasse und der Höhepunkt des Samplers! Das darauf folgende „Jerusalem“ von R.R.E.A. ist recht rockig und qualitativ im oberen Mittelfeld ihres „Gesamtschaffens“ anzusiedeln. Wie in einer anderen Rezension angemerkt, ist das Projekt, vor allem durch den Gesang, durchaus eine Bereicherung für die Neofolkszene, auch wenn sie noch zu oft schwanken zwischen unterirdisch schlecht und sehr gut. Danke dafür, dass sich endlich der unsaubere Drumsound verbessert hat! Im folgenden Beitrag bleiben VON THRONSTAHL ganz sie selbst und liefern eine neue Version von „Mutter Der Schmerzen“ ab, welche mit Gebetssamples unterlegt ist. Ähnliches lässt sich von der Bruderband THE DAYS OF THE TRUMPET CALL sagen. Klavier, englischer Text und Rockstar E-Gitarrenklänge a la JOE SATRIANI für Arme, wem’s gefällt... Von nun an plätschert der Sampler so recht annehmbar vor sich hin. ZEBAOTH aus Ungarn geben sich düster, militaristisch, reichen aber nicht an die alten Aufnahmen von TURBUND STURMWERK heran. Ebenso bemühen sich MILITIA und OUR GOD WEEPS um eine sakral geprägte kontemplative Neoklassik mit choralen Untertönen, sind damit auch recht erfolgreich, aber auch nicht sehr ungewöhnlich. THORN AGRAM bringen dann durch ihren Stil, der von einer spontaner wirkenden Herangehensweise geprägt ist, wieder etwas mehr Feuer in die Angelegenheit. Klagende Geigen, italienisches Gemurmel. Ja, warum nicht? Das Projekt ist nicht der Hoffnungsträger schlechthin, aber ein guter Tipp für all diejenigen, die sich NOVY SVET-Flair im Verbund mit jenem betont konservativen Hintergrund vorstellen können. KRIEGSFALL-U beanspruchen mit „The Personal Mistery Of Conversion“ nun wohl den aggressiven Höhepunkt des Samplers für sich: Ungarisches Akklamationsgebrüll und handzahmer Rhythmus-Industrial. Irgendwie etwas lächerlich, spätestens hier vermisst man dann die Christen von BLACKHOUSE oder MENTAL DESTRUCTION. GREGORIO BARDINI zeigt im Anschluss sehr deutlich, dass er der Musikwissenschaftler des Samplers ist. Genau wie er übrigens auch im beigefügten Büchlein erahnen lässt, dass hier mal ausnahmsweise jemand ziemlich genau weiß, wovon er spricht, wenn es um „Tradition“ und christliche Philosophie geht. Diesbezüglich redet er der „Neofolkszene“ einfühlsam und nicht gänzlich grundlos etwas ins Gewissen. Sein musikalischer Beitrag ist ein klassisches Stück, das als moderne Pianokomposition anfängt, um dann immer mehr durch eine Schalmei und elektronische Elemente einen osteuropäischen Charakter zu erhalten. Sehr gewinnbringend zu hören. Überaus passend folgt danach das Stück von KAYNO YESNO SLONCE, herzzerreißende bulgarische, traditionale Folklore mit Dudelsack und einem Dark Ambient-Touch, die wenig neofolkloristisch, dafür aber authentisch wirkt. GERHARD von ALLERSEELEN ist großer "Fan" von ihnen. Hier kann man sich nochmals über dieses Projekt informieren.
Für den Witz des Samplers sorgen einmal mehr die MONTY PYTHON-Brüder von PARZIFAL, bekanntlich „ultratraditionale“ russische Gralsucher im dänischen Exil. Es mag durchaus sein, dass ihnen der Überbau eine ernsthafte Angelegenheit ist, aber die Musik wirkt nun mal wie eine gekonnte LAIBACH-Verarschung. Diesmal sind auch sie eher kontemplativ, aber die Tendenz geht so stark Richtung LAIBACH (vom Gesang eher wie die LAIBACH der Gegenwart, jedoch ohne Dance oder Metaleinfluss), dass bei dem Stück sogar der Veräppelungseffekt wegfällt. Nein, vielleicht sind sie einfach LAIBACH? Und zwar LAIBACH, die hier ein schlechtes Stück abgeliefert haben. Eine weitere Überraschung des Samplers ist dann HIDDEN PLACE. Ihr Stück „Euritmia Del Fulgore“ erinnert in Stil und Gesang sehr stark an CAMERATA MEDIOLANENSE, wenn sie rein elektronisch und minimalistisch zu Werke gehen. CAMERATA MEDIOLANENSE sind großartig und eine hohe Hürde, aber ich kann nicht einsehen, warum HIDDEN PLACE viel schlechter sein sollten. Das Stück hätte gut auf „Madrigali“ gepasst, und ich bin sehr gespannt auf zukünftige HIDDEN PLACE-Beiträge. Daumen hoch! (Das Projekt scheint aber sonst eher in eine KIRLIAN CAMERA-Richtung zu gehen, höre bei Myspace.) Den Sampler beenden VON THRONSTAHL mit einem deutsch/englischen Neofolkstück...JOSEF KLUMB von seiner „sensiblen“ Seite. „Die Kirche ist Königin“ und überhaupt „Democracy...“. Musikalisch Geschmacksache.
Fazit: Vier bis fünf Stücke sind richtig schön, der Rest tut zumindest nicht weh, und man kann ihn gut anhören. Der Sampler ist mit Liebe gemacht, all das ist irgendwie nerdig, aber auch sympathisch, nachdem sich Christen immer so beschimpfen lassen müssen von diversen Neuheiden und Black Metallern. Christians have feelings too...! Und ein Europa ohne Christentum? Wer es nicht schon tut, bitte wenigstens mal nachdenken! Zum Nachdenken gibt auch das beigefügte, durchaus seriös erscheinende Büchlein Anlass. Jedes Projekt teilt, mal mehr, mal weniger, seine Gedanken zum Thema mit...und jetzt ratet mal, welcher philosophische Exkurs, neben BARDINIS, am meisten Platz beansprucht? „This is just one voice from CATHOLIC and ORTHODOX Underground.“
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Verweise zum Artikel:
» Christliche Leitbilder-Die Tradition im Abendland
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Zusammenfassung
Ein christlich geprägter Sampler!
Vier bis fünf Stücke sind richtig schön, der Rest tut zumindest nicht weh, und man kann ihn gut anhören. Der Sampler ist mit Liebe gemacht, all das ist irgendwie nerdig, aber auch sympathisch im normalerweise unchristlichen Neofolk-Kontext.
Inhalt
Tracklisting:
1 Oda Relicta Fraternity And Motherhood (5:53)
2 Lonsai Maikov Regnum (7:20)
3 Rose Rovine E Amanti Jerusalem (4:28)
4 Von Thronstahl Mutter Der Schmerzen (2:54)
5 Days Of The Trumpet Call, The Satan's Trick (2:06)
6 Zebaoth Maranatha! (6:13)
7 Militia (2) Quando L'Angelo Muove Le Acque (3:57)
8 Our God Weeps In The Heart Of The Creator (5:14)
9 Thorn Agram Majadahonda (5:50)
10 Kriegsfall-U The Personal Mistery Of Conversion (6:35)
11 Gregorio Bardini La Bottega Dell'Orefice (5:04)
12 Kayno Yesno Slonce Aum (6:52)
13 Parzival Bewahre Den Glauben (4:59)
14 Hidden Place Euritmia Del Fulgore (4:30)
15 Von Thronstahl Mother Of Mercy (4:29
+ Büchlein von 62 Seiten, etwa DIN A5, Hochglanz
mit "starken" Symbolen der beteiligten Projekte und Reflexionen, Erläuterungen, Gedichte, Manifeste. Betont nicht liberal, aber nicht fanatisch. Texte sind von unterschiedlicher Qualität.
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...und nur so nebenbei oder für eine Diskussion im Forum:
Mensch kann der Religion nicht entgehen.
Macht doch nichts, ich lasse mich dann weiterhin
(& lieber) von David Eugene Edwards vergiften.
@Nemesis,
lustig, dachte mir, daß ein Kommentar der Art kommt, aber Opium ist ersteinmal alle, wüßte keine weitere Neuerscheinung mit vergleichbarem Opiumgehalt. Mea Culpa
Opium, gebt mir mehr Opium!