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Dominik T.

CAINA: Some People Fall

Post-Rock Ambient Black Metal?


CAINA: Some People Fall
Genre: Black Metal
Verlag: God Is Myth
Medium: CD
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Caina ist ein Begriff aus Dantes “Göttlicher Komödie”. Er bezeichnet einen eher äußeren Teil der Hölle, der den Verrätern und Mördern von Verwandten (Brudermörder Kain) zugedacht ist. CAINA ist aber auch der Name eines recht neuen, englischen Einmannprojekts mit Wurzeln im Black Metal. Der Mann dahinter, der hier wohl tatsächlich auch alle Instrumente selbst eingespielt hat, nennt sich schlicht „A“. Sein Herz scheint nach wie vor für den Black Metal zu schlagen, was man allein daran sieht, dass ihm ein gewisser „hintergründiger Satanismus“ weiterhin wichtig ist, aber sonst, d.h. musikalisch und vom Auftreten her, hat CAINA mit Black Metal nicht mehr viel zu tun. Anders ausgedrückt, für Leser, die die Entwicklung der letzten Jahre im Black Metal halbwegs verfolgt haben, hat das Projekt nach wie vor sehr viel mit diesem zu tun, für Laien auf diesem Gebiet jedoch überhaupt nichts. Im Grunde ist CAINAs hier vorgestelltes Debütalbum „Some People Fall“, welches Mitte des nun zu Ende gehenden Jahres auf GOD IS MYTH veröffentlicht wurde, nicht einmal mehr ein Metalalbum. Dennoch wird hier zweifellos ein Stil zelebriert, der von Black Metal Bands entwickelt wurde und der sich zunehmend zu einem ganz eigenen Genre zwischen Dark Ambient und dem praktischerweise begrifflich sehr schwammigen Post Rock entwickelt.

Dazu eine kleine, subjektiv gefärbte Rückblende zu einem möglichen Ursprung dieser "neuen Klänge", die in CAINA nun besonders weiterleben:
Wenn man im Jahre 1994 begeisterter Leser aller Black Metal Fanzines war, die man in die Finger bekommen konnte, wird man auch irgendwann auf Interviews mit einer englischen Band namens ESOTERIC gestoßen sein, die im besagten Jahr ihr Debüt „Epistemological Despondency“ auf AESTHETIC DEATH veröffentlichten und damals interviewtechnisch sehr redselig waren. Die Interviews waren lang, inhaltlich recht intelligent, aber es wurde auch viel Black Metal-typischer Unsinn schwadroniert über „Satan“ und ums „Überleben des Stärkeren“. Dennoch irgendwas war anders. Zunächst die Musik. Die war extrem finsterer, zähflüssiger Doom, teilweise an der Grenze zu reinen Drones und mit tiefen Death Metal-artigen Stimmeinsätzen unterlegt. Der Kenner weiß, es handelt sich um den sogenannten „Funeral Doom“. ESOTERIC gehörten zu den ersten Bands dieses Genres, welches klanglich so eigenständig ist, dass auch dem Metallaien sofort der Unterschied bewusst wird, dennoch waren die Amis von WINTER und besonders finnische Bands wie UNHOLY oder THERGOTHON noch etwas früher dran als ESOTERIC. Der Stil war also gar nicht so sehr das Besondere an dieser Band, vielmehr war es das Auftreten und das äußere Erscheinungsbild, welches vollkommen „unmetallisch“ war. Die Jungs hatten nämlich sehr kurze Haare, wirkten urban, trugen Bomberjacken und sahen alle so aus, wie man nur in England, Schottland oder Irland aussehen kann, d.h. nicht ganz so hübsch, stämmig wie eine Bulldogge und tieftraurig, ein bisschen so wie WAYNE ROONEY oder in der schlanken Version wie der Typ im Film „Trainspotting“ (1996). Dazu dann sehr psychedelische, labyrinthartige Coverzeichnungen, allerdings nicht im hippiesken, kalifornischem LSD-Stil, sondern, wie die Musik auch, zutiefst klaustrophobisch. Nein, von der ganzen Art her war das kein Metal, auch kein „suizidaler Black Metal“ mehr, obwohl „das Suizidale“ schon ein passendes Stichwort ist. Vielmehr erinnerte das Ganze wieder stark an den Weltangst-Postpunk-Sound von JOY DIVISION in ihren schwärzesten Momenten.

Bei CAINA ist genau dieses unmetallische, JOY DIVISION-Weltangst-artige und zutiefst englische Element der früheren ESOTERIC-Aufnahmen zurückgekehrt, dennoch sind CAINA auf eine Weise musikalisch recht weit von ihnen entfernt. Ihr Sound hat kaum etwas mit Funeral Doom zu tun, vielmehr ließ man sich hörbar von einigen melancholischen Pop-Bands für Regentage beeinflussen, ohne selbst poppig zu werden. Eine andere CAINA-Rezension spricht in diesem Zusammenhang von „Shoegazer“, dem CONSTELLATION-Sound, erwähnt MY BLOODY VALENTINE, JESUS AND MARY CHAIN, COCTEAU TWINS und sogar WILLIAM BASINSKI.
CAINA selbst hingegen beschreiben auf ihrer Myspace-Seite ihre Musik mit Einflussgrößen wie u.a. MICHAEL GIRA (THE SWANS), RED HOUSE PAINTERS, MOGWAI und RED SPARROWES neben den in diesen Zusammenhang üblichen Verdächtigen wie SUN O))), XASTHUR oder BURZUM.  All das trifft mehr oder weniger zu. Entscheidend sind bei CAINA jedoch vor allem die E-Gitarren-Kaskaden, die man sich aber nicht als „Krachwand“ vorstellen sollte, sondern die immer sehr flockig und PINK FLOYDesk weich wirken, ein bisschen wie bei ANATHEMA bis 1995 (bis ihr damaliger Sänger DARREN WHITE sie verließ um THE BLOOD DIVINE zu gründen). Hinzu kommt dann distanziertes, unwirklich schepperndes, kaputtes Drumming a la EYE HATE GOD und eine Stimme, die durch ihr Gebrüll (nicht Gekeife) den Black Metal-Kontext  doch nicht ganz außer Acht lässt. Klargesang kommt jedoch auch zum Einsatz.
Die Musik wirkt isoliert, wie von Nebelschleiern durchzogen, eher steht Klangforschung als Melodie im Vordergrund. „Some People Fall“ kennt jedoch auch eruptive Ausbrüche heftigsten Ausmaßes, die durch ihr eigentümliches Zusammenspiel aus grenzenloser Wut und seltsamer Unnahbarkeit allenfalls etwas vom legendären DODHEIMSGARD-Erstling „Kronet Til Konge“ (1995) haben.
Offensichtlich zwingt einen das Rezensieren von CAINA zu einer Vielzahl von Querverweisen, aber das soll nicht bedeuten, dass CAINA hier etwas besonders spektakulär Neues gelungen ist, die Querverweise zeigen eher, dass einem die Musik seltsam vertraut vorkommen kann. CAINA ist in diesem Sinne schlicht das Ergebnis gewisser Tendenzen, die sich innerhalb der Black Metal Musik in den letzten Jahren entwickelten und für die ESOTERIC, wie dargestellt, einer von mehreren Ursprüngen ist.
CAINA ist also mit „Some People Fall“ ein Album gelungen, welches einmal ganz grundsätzlich demonstrieren kann, was im Kontext „Black Metal“ inzwischen alles möglich ist. Durch die heillose Unübersichtlichkeit des Black Metals im Jahre 2006 scheint es kaum möglich, definitive Urteile oder Prognosen zu erstellen, aber CAINA sind doch recht offensichtlich eines der Projekte, die den Black Metal in bisher unerforschte Gebiete hineintragen könnten. Ähnlich weit vorgewagt wie CAINA – und das ist nun der letzte musikalische Querverweis, bevor es beginnt lächerlich zu werden – haben sich in jenes neue Drone-, Dark-Ambient-, Postrock-, Shoegazer Black Metal-Gebiet, soweit mir bekannt, sonst nur noch LURKER OF CHALICE, das Nebenprojekt des genieverdächtigen WREST von LEVIATHAN.
Bleibt abschließend nur noch der Hinweis, dass CAINAs Musik tatsächlich ziemlich herunterziehend ist, und das ganz ohne Suizid-Klischees.
A. scheint wohl nun auch angekündigt zu haben, den Black Metal auf künftigen Veröffentlichungen noch weiter hinter sich zu lassen als ohnehin schon. Hoffen wir, dass das Ergebnis dann nicht nur noch bloß „weinerlich“ ist, die Gefahr besteht nämlich.
„Some People Fall“ ist wohl eines der besten Black Metal Alben des Jahres (wenn es überhaupt Black Metal ist.) Es schmerzt, dass so etwas nicht auf PROPHECY bzw. LUPUS LOUNGE erschienen ist. Definitiv ein Tipp für Liebhaber aller in der Rezension genannten Projekte.

 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» CAINA
» CAINA II
» CAINA Myspace


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Zusammenfassung
Symbiose aus Postrock, Ambient und Black Metal.
CAINA ist mit „Some People Fall“ ein Album gelungen, welches einmal ganz grundsätzlich demonstrieren kann, was im Kontext „Black Metal“ inzwischen alles möglich ist.

Inhalt
1. Some People Fall 06:30
2. The Validity of Hate within an Emotional
Vacuum 5:06
3. Black End Time Collapse 04:22
4. Satanikulturpessimis 09:04
5. Abraxas Gate 09:48
6. The Mother 05:46
7. Inside the Outside 07:36
8. Goestic Shadowcabaret 04:56
Total playing time 53:08
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