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Micha W.

AGRYPNIE: F51.4

Subjektbezogener Post Black Metal


AGRYPNIE: F51.4
Genre: Black Metal
Verlag: Supreme...
Erscheinungsdatum:
September 2006
Medium: CD
Preis: ~17,00 €
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So gerne Black Metal auch stets eine universelle Antihaltung für sich in Anspruch genommen hat und dies bis heute tut, so gerne Musiker wie Fans auch außerhalb der Kunst ihre absolute Hingabe an die bedingungslose Negation mit Wort und Tat zu unterstreichen versuchen - so ist doch ebenfalls festzustellen, dass dieses Konzept in den seltensten Fällen wirklich konsequent verfolgt wird, schleicht sich doch allzu oft eine Art ausgleichender Pol ein: Es gibt wohl kein anderes Genre, dessen Albencover so oft von verschneiten Wäldern, Nebellandschaften oder Nachtimpressionen geziert werden. Auf der Ebene des Visuellen geschieht es, dass der Verleugnung aller Lebens- und Seinsbejahung etwas entgegengestellt wird, das nicht nur die Absolutheit des eigenen Selbstverständnisses untergräbt, sondern auch eine Idealisierung an den Tag legt, die die Natur zu einer Erlöserinstanz stilisiert, die ganz in der Tradition eines HENRY DAVID THOREAU steht. Zwar haben etwa DØDHEIMSGARD oder MYRKSKOG mit dieser Bildsprache zu brechen versucht, indem sie sich steril-trostloser und vor allen Dingen gegenwartsbezogener Darstellungen bedienten, doch durchsetzen konnten sie sich damit nicht. Just diesen Versuch einer 'neuen' Visualisierung unternimmt jedoch auch "F51.4", das Vollzeitdebüt AGRYPNIEs: Das Frontbild zeigt einen menschenleeren U-Bahnhof, der im kalten Licht von Neonröhren wie blank poliert wirkt - eine Tristesse, die im Booklet konsequent weitergeführt wird: ein mit Kacheln ausgelegter, hell erleuchteter Tunnel, ein öder Korridor sowie eine stromlinienförmige Brücke, die von nirgends zu kommen und nirgendwohin zu führen scheint - Passagen ohne Anfang oder Ende, die nur um ihrer selbst, um des Durchschreitens willen existieren.
    Diese nicht ganz so gewöhnliche Art der Präsentation darf allerdings als durchaus gelungen bezeichnet werden, da sie sich weniger in zum Selbstzweck erhobener Innovation erschöpft, sondern gekonnt das unterstreicht, worum es in dieser Rezension eigentlich geht: die Musik in Wort und Klang:  Mit "F51.4" klassifiziert die WHO Pavor nocturnus, "[n]ächtliche Episoden äußerster Furcht und Panik mit heftigem Schreien, Bewegungen und starker autonomer Erregung. Die betroffene Person setzt sich oder steht mit einem Panikschrei auf … . Häufig stürzt sie zur Tür wie um zu entfliehen, meist aber ohne den Raum zu verlassen. Nach dem Erwachen fehlt die Erinnerung an das Geschehen oder ist auf ein oder zwei bruchstückhafte bildhafte Vorstellungen begrenzt." Im Grunde vermittelt diese Definition einen soliden Eindruck von der in den Texten des nach dieser psychischen Störung benannten Albums herrschenden Stimmung. Auch wenn es selten konkret um Träume oder Schlaf geht, ist allen Lyriken ein surreales Moment zu eigen, eine unwirkliche Kontextlosigkeit und ein Bewusstsein für die eigene Isolation. Stets schwankt das lyrische Ich zwischen Selbstungewissheit und Entfremdung von seiner Umwelt, findet sich auf sich selbst zurückgeworfen, ohne aber dort einen Halt zu finden. Zugegeben, wenn sich eine x-beliebige Gothic-Kapelle dieses Themas angenommen hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr groß gewesen, ein weiteres Kitschalbum voller Engel der Finsternis hören zu müssen, die eine blutende Seele auf Flügeln der Nacht in ein Reich jenseits der Tränen tragen. Dass dieser Fall nicht eingetreten ist, verdankt sich verschiedenen Faktoren: Zum einen zeichnet mit MARCEL VA. TR. ein alles andere als Unbekannter für die lyrische Seite des Projektes verantwortlich, textete und komponierte er doch bereits für NOCTE OBDUCTA, bei denen er bewies, dass sich Black Metal und klischeetrunkene Texte keinesfalls zwangsläufig bedingen. Und auch hier zeigt er, dass man sich einem Thema, das geradezu nach Phrasendrescherei schreit, anders als mit den gewöhnlichen Floskeln zu nähern vermag; auch wenn er an seltenen Stellen die eine oder andere Standardvokabel bemüht, fallen diese Ausrutscher im Ganzen betrachtet allerdings nicht ins Gewicht. Zum anderen 'funktioniert' das Thema dank seiner musikalischen Verpackung: TORSTEN HIRSCH, Sänger der bereits erwähnten NOCTE OBDUCTA, präsentiert mit AGRYPNIE seine Vorstellung von Black Metal, ist er doch der eigentliche Kopf der Formation, die letztlich mit Fug und Recht als Soloprojekt bezeichnet werden darf. Und was er so präsentiert, kann sich wirklich hören lassen: Sicherlich ist die Bezeichnung seitens des Labels als melodiöser Black Metal nicht falsch, doch zweifelsfrei ein wenig zu kurz gegriffen.  Das Schwarzmetallische hat definitiv seinen Platz im Klangbild AGRYPNIEs, doch steht es ebenso gewiss nicht allein: Zwar nicht gleichrangig, doch genauso wenig bloßes Beiwerk sind jene zahlreichen Stellen, die am ehesten an den Gothic Metal der 90er denken lassen, an PARADISE LOST zur "Icon"- und "Draconian Times"-Phase wie an SENTENCED in ihren "Down"- und "Frozen"-Zeiten - samt und sonders Reminiszenzen, die den Hörer mit einer Woge der Nostalgie umspülen und einen insgesamt doch sehr 'warmen' Klang erzeugen, der einerseits in starkem Kontrast zur visuellen Gestaltung steht, andererseits aber durchaus mit den Texten harmoniert und die ihnen innewohnende Verzweiflung und Verlorenheit  adäquat zu transportieren weiß.
    Mit "F51.4" haben AGRYPNIE ein überzeugendes und sehr interessantes Post Black Metal-Album abgeliefert, das auf lyrischer Ebene durch seine Subjektbezogenheit am ehesten an DORNENREICH gemahnt, musikalisch allerdings ganz andere Wege einschlägt als die Österreicher.

 
Micha W. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Agrypnie
» Agrypnie @ Myspace
» Nocte Obducta
» Supreme Chaos Records


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Zusammenfassung
Mit "F51.4" haben AGRYPNIE ein überzeugendes und sehr interessantes Post Black Metal-Album abgeliefert, das auf lyrischer Ebene durch seine Subjektbezogenheit am ehesten an DORNENREICH gemahnt, musikalisch allerdings ganz andere Wege einschlägt als die Österreicher.

Inhalt
1. Intro
2. Und führet mich nicht in Versuchung
3. Auf den nackten Korridoren
4. Cogito ergo sum
5. Kerkerseelenwanderung
6. Spiegel?
7. Masken
8. Glas
9. Outro
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