RITUAL FRONT ist ein noch recht junges, martialisches Neofolkprojekt zweier grimmig dreinblickender Russen, die hier auf dem ebenfalls russischen Kulturguerrilla-Label DER ANGRIFF, bekannt durch seine "Heilige Feuer"-Reihe, kürzlich ihr Debüt vorlegte, nachdem bereits eine 7" "Advayata", ebenfalls auf DER ANGRIFF, und zwei Samplerbeiträge erschienen. Irgendwie ergab es sich so, dass ich jeden musikalischen Mucks dieser Jungs mit dem "originellen" Namen kenne, so dass ich mich entschloss, ihre "Karriere" weiter zu verfolgen, obwohl eigentlich alles bisher in meinen Ohren mehr oder weniger enttäuschend klang. "Lightnings Over Crimson Hill" wird vom Label als ein Album angekündigt, welches angeblich den allzu selten aufgenommenen "Neofolkfaden", den DEATH IN JUNE einst mit ihrem hauptsächlich von PATRICK LEAGAS geprägten Klassiker "Nada" (1985) hinterließen, weiterspinnt. Dies hieße, düstere, kalt-urbane Elektronik mit einem Hauch von Akustikgitarren und, laut Info, russischem Gesang. Reizvoll!, wenn es denn so wäre, denn leider stellt sich die angebliche "Nada"-Beeinflussung alles in allem doch eher als Mogelpackung heraus. Was man vielmehr zu hören bekommt, ist ein etwas bemüht finster klingender synthetischer Neofolkstil, der sich irgendwo zwischen SCIVIAS, CAWATANA, einer russischen Version von LEGER DES HEILS oder sogar BELBORN und zugegebenermaßen etwas "Nada"-DEATH IN JUNE und SIXTH COMM in die Nesseln setzt. Allerdings fängt das Album ziemlich gut (und politisch unkorrekt) mit einem altbekannten CORNELIU CODREANU-Sample und "faschistischen" Akklamatio-Zurufen an. Das Ganze klingt, wie man so schön im Rezensionsdeutsch sagt, ausgesprochen affirmativ, also bei dementsprechend Infizierten "aufrichtend". RITUAL FRONT gelingt es hier mit ein paar gezielten Trommelschlägen, pathetischen Keyboardflächen und sehnsüchtig-russischem Gesang den faschistischen Todeskult (bekanntlich mehr Stil als Theorie) ins heimische Sesselfurzer-Wohnzimmer zu zaubern, Dankeschön! Ab dem zweiten Song "Day Of The Lords" (es wird russisch gesungen, die Songtitel sind übersetzt) wird es dann etwas folkiger. Erstmals fällt hier dann etwas auf, was sich fortan durch die gesamten 50 Minuten Spielzeit ziehen wird, nämlich ein recht ausgeprägter Kitsch, der von Kulturguerrillos dieser Art oft als besonders "romantisch" missverstanden wird. Dieser entsteht hier vor allem durch den Dauereinsatz eines pathetischen Keyboardteppichs und sogar so etwas wie einer, vermutlich ebenfalls synthetisch erzeugten Panflöte. Langsam aber sicher kommen mir die Tränen! Nun drängt sich allmählich auch eine weitere Parallele auf: RITUAL FRONT klingen als wären sie eigentlich eine Black Metal Band aus dem besonders finsteren russischen Untergrund auf Abwegen, soweit ich weiß, sind sie das aber nicht. Die hier ausgebreitete Gefühlswelt ist aber sehr typisch für das Neofolkverständnis von Black Metallern und wird in dieser Ecke auch sicherlich viele Anhänger finden. Vieles erinnert an die folkigen Parts einschlägiger Bands wie NOKTURNAL MORTUM oder KRODA (beides Ukraine). Nun ist es aber eigentlich unnötig weiterzulästern, denn die schreckliche Wahrheit ist, dass mir dieses Album eigentlich doch relativ gut gefällt. Sicher, man muss sich etwas an den Pathos gewöhnen und nicht jedes Lied ist "das Gelbe vom Ei", aber auf der Habenseite steht auch einiges. So sorgen RITUAL FRONT immer für sehr viel Abwechslung und unerwartete Tempowechsel. Schön auch der russische Akklamationsgesang, der oft eher ein Sprechen ist, und für uns Deutsche, ähnlich wie das bei den bekannten ungarischen Neofolkprojekten der Fall ist, eher lautmalerische Qualitäten aufweist. Alles in allem versteige ich mich zu der Behauptung, dass RITUAL FRONT gegenüber den etwas vergleichbaren CAWATANA, OUR GOD WEEPS oder der Monty Pyton-artigen Komikertruppe PARZIVAL klar im Vorteil sind, vor allem weil sie eine bessere Balance zwischen unterkühlten, von mir aus "Nada"-artigen Passagen und martialischer Kraft gefunden haben. Sollten in Zukunft die pathetischen Keyboardsounds weniger dazu dienen, kompositorische Schwächen zu übertünchen, haben wir vielleicht ein noch ernsterzunehmendes Projekt in der Neofolkwelt hinzugewonnen. Von der russischen Größe NEUTRAL ist man indes noch weit entfernt, von SCIVIAS ebenso. Thematisch ist das Album anscheinend teilweise inspiriert von Vottovaara, dem höchsten Berg des karelischen Gebirges, wohl Schauplatz einiger Gefechte im Zweiten Weltkrieg, weshalb der Berg auch "Todeshügel" genannt wird.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » RITUAL FRONT Homepage Themenbezogene Artikel: » SPIRITUAL FRONT: Amour Braque » September Warning Festival 15.9.06 » Rückschau: Spiritual Front in Bochum » Spiritual Front: Armageddon Gigoló » Naevus/Spiritual Front - Bedtime/... » Ordo Rosarius Equilibrio & Spiritual Front ::... » Ein Gespräch mit IANVA
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Zusammenfassung
Recht interessanter, synthetischer, martialischer Neofolk aus Russland mit russischem Gesang, dennoch nichts Besonderes
Inhalt
1 Battle For The Crown (3:26)
2 Day Of The Lords (6:08) 3 Crimson Death-Hill (3:56) 4 Being Born (8:50) 5 The Bridges (3:52) 6 The 8th Seal (9:05) 7 Two Lightnings (7:08) 8 Death Is Our Sister (7:23) Im Digifile |