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Dominik T.
CHAOS AS SHELTER: Dawn Syndrome
"Dedicated To The End Of The Kali-Yuga"
Kategorie: Rezension
Erstellt: 31.07.2006
Wörter: 904
Artikelbewertung:
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"Dawn Syndrome“ erschien schon im Herbst 2005 auf dem israelischen TOPHET REC. Label, doch versprochen ist versprochen, und bei der gebotenen musikalischen Qualität, reiche ich eine Rezension gerne nach. CHAOS AS SHELTER, das Projekt des russischen, in Israel lebenden Juden VADIM GUSIS gibt es seit etwa 2000. Seitdem erschienen bereits rund 20 Vollzeitalben und natürlich eine Reihe von Samplerbeiträgen; die bekanntesten Compilations waren sicherlich "The Infernal Proteus“ und HEIDENVOLKS "Secret Lords“. Vertreten ist das Projekt auch mit einer Single ("New Jerusalem") auf der renommierten Reihe von DRONE Records. In der Neofolk-Szene sollte man VADIM GUSIS als den Künstler registriert haben, der für den Großteil der charakteristischen Drone-Ambient-Seite von AGNIVOLOK zuständig ist und in dieser Rolle auch das DARKWOOD „Lapis“-Kollaborationsalbum miterschuf. Sein charakteristischer Stil ist dem experimentell-organischen Drone-Ambient-Bereich zuzuorden. „Organisch“ meint hier, dass Herr Gusis nicht zu denen gehört, die nur mittels Computer ihr Kram kreieren, nein, seine Musik ist vorallem ein Zusammenspiel verschiedenster Glöckchen und jeder Menge undefinierbarer Geräusche, die durch Reibungen, Schmirgeln, Hin-und-Her-Rollen irgendwelcher Gegenstände usw. entstehen. Ebenso ein wichtiger Bestandteil ist auch desöfteren ein „NICO-eskes“ Harmonium, sowie "field recordings" aus dem heiligen Land . Er schafft es, so eine Atmosphäre zu erzeugen, die nicht, wie man vielleicht annehmen könnte, einer Liveberichterstattung aus einer Werkstatt gleicht, sondern sehr "heilig" (im Gegensatz zu "profan") wirkt. Der CHAOS AS SHELTER-Ambient ist schwer, als Hörer fühlt man sich, als ob man eine Bürde zu schultern hat. In Jerusalem, der „ewigen Stadt“ gleich dreier Weltreligionen, die auch CHAOS AS SHELTER als geistiger Fixpunkt dient, grassiert bekanntlich vor allem unter Touristen das anerkannte Krankheitsbild „Jerusalem- Syndrom“. Der Drone-Ambient des VADIM GUSIS, hat etwas von diesem Syndrom, insofern dieser nicht nur "religiös" ist, sondern stets auch manisch und etwas belastend wirkt. Ungewöhnlich ist weiterhin, wie es VADIM GUSIS schafft, seiner Musik einen „östlichen“ Touch zu versetzen, ohne folkloristisch beeinflusst zu sein. Jedenfalls fühlt man sich geistig nach Jerusalem versetzt, aber ein russisch-eschatologischer Mystizismus im Sinne Dimitri Mereschkowskis schwingt auch immer mit. Diesem Stil ist er auch auf „Dawn Syndrome“ treu geblieben. Ein Aufdruck auf der Innenseite des Digipacks erklärt das Konzept „dedicated to the End of the Kali-Yuga“ heißt es da, angedeutet ist hier natürlich die hinduistische Überlieferung der vier Weltzeitalter in zyklischer Involution, von der auch andere Mythologien erzählen und die verschiedenen heutigen esoterischen Strömungen in unterschiedlicher Akzentuierung als geschichtsphilosophischer Hintergrund ihrer jeweiligen Lehren dient. Übereinstimmend gilt jedenfalls das Kali-Yug als ein besonders gottloses und kriegerisches Zeitalter, in dem durch luziferische Hybris die natürliche Sozialordnung ins Wanken gerät. Hätte man mich vorher gefragt, welches Musikprojekt durch seine geistige und geographische Herkunft denn am besten in der Lage wäre ein „Soundtrack“ für das „Düstere Zeitalter“ abzuliefern, mir wäre vermutlich von selbst CHAOS AS SHELTER in den Sinn gekommen. Das Projekt scheint einfach prädestiniert für diese Aufgabe zu sein. Wie zu erwarten, geht es dann auch auf „Dawn Syndrome“ im typischen CHAOS AS SHELTER Drone-Ambient/Ritual-Stil atmosphärisch-apokalyptisch zu, stets präsent sind hier schon fast hochsequenzartig-unangenehm bimmelnde helle Glöckchen, die wohl auch nochmals darauf hinweisen sollen, dass nun „Zeit ist“. Die meisten der neun Kompositionen sind rein instrumental. „Borders“ bietet einen langgezogenen Sample eines Kaddisch- Gebetes, gesprochen von einem gewissen Isaac Goldfield in den fünfziger Jahren und dann auf LP gebannt, ein Flohmarkt- Zufallsfund von Gusis. Trotz dieses Samples scheint mir "Dawn Syndrome" aber kein jüdisches Album zu sein. Gusis gibt in Interviews an ein Guenon-Leser zu sein, vielleicht ist er auch von Leo Schaya beeinflusst, einem Traditionalisten und Kabbala-Gelehrtem (das im Verweis angegebene Buch gibt es auch auf deutsch), das würde zumindest sehr gut zu CHAOS AS SHELTER passen. Das faszinierendste Stück ist mit Abstand „Now Comes The Prisoner“, welches durch einen weiblichen (hebräischen?) Klagegesang einer HELENA DORSHT und monoton dröhnendem Harmonium (oder Harfe?) sehr rituell wirkt. Die letzte Komposition „Glass Watchers“ ist als „Bonus Track“ gekennzeichnet, vielleicht, weil es zumindest passagenweise durch ein von VERA AGNIVOLOK bedientes Akkordion und Klavier etwas mehr nach traditionellen Liedstrukturen klingt und weil es die unheilschwangere Melodie von „Now Comes The Prisoner“ wiederholt, auch eine langgezogene Reprise dieses Stückes ist.
Fazit: "Dawn Syndrome“ ist eines der wenigen Alben, die wirklich von der ersten bis zur letzten Minute gekonnt eine „apokalyptische“ Atmosphäre entfalten, beim Hören überkommt einen ständig eine Ahnung, die Sonne könnte zu tief stehen, wie es auch auf dem gut passenden, aber schlichtem Cover abgebildet ist. Seltsamerweise erinnert mich „Dawn Syndrome“ zunehmend an ein völlig Genre- fremdes Album, nämlich an "Odium“ der deutschen Death Metal-Pionierband MORGOTH, damals (1993) ein Sonderfall, sowohl in der Bandhistorie als auch in der Geschichte des Death Metals. "Odium“ bekommt man heute "second Hand" hinterhergeschmissen. Ein Kauf lohnt sich, weil mit den Mitteln des Death-Metals eine Stimmung erzeugt wird, die dem frühen NEUROSIS-Meisterwerk „Souls At Zero“ ähnelt. Wir haben also nun, zumindest meiner Empfindung nach, ein apokalyptisches Triumvirat über Genre-Grenzen hinweg vor uns: 1. CHAOS AS SHELTER "Dawn Syndrome“ für den Experimentalbereich, MORGOTH "Odium“ für den Endzeit-Metal an der Grenze zum CARNIVORE-Hardcore und andersherum NEUROSIS "Souls At Zero“ für den Apokalypse-Hardcore an der Grenze zum Freestyle-Schubladebefreitem. Probiert es einmal aus, alle drei Alben haben etwas Verstrahlendes an sich, ein Gefühl von gefährlich hohen Ozonwerten macht sich breit, und dennoch sind es mythologische Alben, bei denen keine "Greenpeace-Assoziationen" auftauchen, vielmehr kündigen sie ästhetisch überzeugend von einer spirituellen Verfinsterung, ganz wie es der Kali-Yuga- Überlieferung entspricht. Genau das richtige für den „Summer of 06“.
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Zusammenfassung
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Inhalt
01.Before The Dawn
02.Awakening
03.Borders
04.Whirling
05.Watch Tower
06.Now Comes The Prisoner
07.Kam Jorra
08.Break Dance
bonus track
09.Glass Watchers
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