TEATRO SATANICO (früher auch manchmal mit dem Zusatz CHARLES MANSON) treiben seit den frühen 90er Jahren in der italienischen Post-Industrial-Szene ihr Unwesen. Von ihrer subkulturellen Herkunft her besetzten sie seit jeher genau die Schnittstelle zwischen der glorreichen Tape-Ritualmusick-Kultur ihres Landes und fiesestem Death-Industrial/Power-Electronics, der ja in Italien durch Projekte wie MAUTHAUSEN ORCHESTRA oder ATRAX MORGUE die Grenzen blutrünstiger Phantasie ganz besonders ausweitete oder überschritt. Italien ist außerdem das Land mit den seltsamsten Splatter / Nazi / Nun- Exploitation-Filmen, beherbergt mit den BAMBINI DI SATANA den vielleicht größten Teufelskult in Europa (bei dem auch ein etwas anderer Wind weht als bei Lavey & Co) und war/ist zudem Heimat der wildesten "kulturellen Terroristen", Verwirrspezialisten, Anarchisten, Rechts- und Linksterroristen, nicht zu vergessen der Mafia in Sizillien, sowie wechselnder Regierungen, denen alles zuzutrauen ist. Klischee? Ja, schon irgendwie, aber all das fließt bei TEATRO SATANICO atmosphärisch mit ein. Man könnte TEATRO SATANICO als eine der letzten Projekte der Postindustrial-Kultur bezeichen, das versucht das Ganze noch ein bißchen subversiv oder "gefährlich" zu gestalten. Dazu gehört vor allem ihr eigener Mythos der "Operazione Runa", den ich in der nonpop/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=1152">STEFANO BIASIN TRIO Rezension beschrieben habe. TEATRO SATANICOs Spezialität ist es, konzeptionell die Überlieferung ihrer Heimat rund um Venedig oder fernerer Regionen einzufangen, so erschien vor kurzem zum Beispiel eine CDR namens "Canzoni Alpine", die in Bassano del Grappa aufgenommen wurde und alpine Gesänge beinhaltet. (Das erste Mal, dass DEVI(L)S singt.) GEOFFROY D. von DERNIERE VOLONTE ist hier übrigens als Gast vertreten. Ferner erschienen z.B. ein VHS-Video mit einer afrikanischen Voodoo-Zeremonie und einer "Taranta"-Zeremonie, einem heidnischen Trance-Tanz, der in Süditalien manchmal noch praktiziert wird. Kurz, Ethnologen mit Hang zum Tellurisch-Diabolischen sind bei TEATRO SATANICO genau richtig. Musikalisch waren TEATRO SATANICO hingegen immer ein Fall von Liebe oder Abneigung, und das wird sich auch auf dieser neuesten Veröffentlichung nicht ändern. Geboten wird immer noch ein schwerst irrer Rhythmus-Industrial an der Grenze zum Death Industrial, zu dem italienische Stimmen gefährlichen Phantasien freien Lauf lassen (auf dieser CD im venetianischen Dialekt, wie ich informiert wurde). Ähnlich wie bei ATRAX MORGUE kann das nicht jedermanns Sache sein und immer hören lässt sich so etwas erst recht nicht. Im Vergleich zur letzten mir bekannten LP von 2003, geht man inzwischen deutlicher modern-elektronisch vor. Ich meine manchmal sogar so eine Art Breakbeat der Marke THE PRODIGY herauszuhören, und der Anfang von "Bastardo!" klingt schon fast nach alten DER BLUTHARSCH, wenn das auch kurz darauf durch bandsalatartige Geräusche wieder vorbei ist und der Track sich dann irgendwann sogar Richtung GODFLESH weiterentwickelt, um dann im Chaos zu enden. Alles in allem, kann man sich diesen bedingt neuen TEATRO SATANICO-Klang ein bisschen parallel zu den postindustriellen Versuchen des deutschen STEINKLANG Projektes PAINSLUT vorstellen, wenn auch T.S. schon auf Anhieb ihre Sache besser machen. Das darauffolgende "Programmazione Neurolinguistica" hat hingegen durch seine, für TEATRO SATANICO bisher völlig unbekannten, sphärisch-fibrigen Klängen, fast schon etwas von BAD SECTOR. Sonst bleibt musikalisch alles beim Alten, d.h. in dem Fall gewohnt unheimlich- hinabziehend in eine ganz perverse Welt. Die beiden letzten Stücken "Uomo, Donna, Dio" und "Commandante Bruno" sind Remixe des Kollektivs MUZAKILLER. Laut weiteren Informationen handelt es sich hier in dem Fall um Signore YOUCIDE, der auch mit einer weiteren Person die kindlichen, auf den ersten Blick bilderbuchartigen Zeichnungen im sehr ansprechenden Booklet besorgte. Das Booklet beinhaltet außerdem eine kleine diabolische Geschichte auf Italienisch, in der ALBERTO MARIO KUNDALINI (das zweite Mitglied bei T.S.) über seine "satanische" Philosophie Auskunft gibt. Schlussendlich bietet die CD noch ein Mpeg-Format Videoclip des älteren TEATRO SATANICO-"Hits" "Piccina" (aka "Marta"), der auch von MUZAKILLER realisiert wurde und zu dem ich nur sagen will, dass er gelungen ist. Fazit: Liebhaber von NOVY SVET, STEFANO BIASIN TRIO, ATRAX MORGUE, MAUTHAUSEN ORCHESTRA, LUNUS, SLAUGHTER PRODUCTIONS, AIT! usw. sollten weiterhin zugreifen!
Dominik T. für nonpop.de
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