2006 jährt sich der Tod des berüchtigten italienischen Kulturphilosophen und traditionalen (um auf den spezifischen Traditionsbegriff hinzuweisen, der in diesem Kontext zentral ist, schreibt man “traditional” statt “traditionell”) Esoterikers JULIUS EVOLA zum zweiundreißigsten Mal. Seitdem wurde aus den Kreisen seiner Anhänger heraus beständig versucht, seinen Mythos zu beschwören, ihn bzw. sein Bild zu einer Art “Gegen-Che Guevara” aufzubauen. Man kann aus zwei Gründen diese Entwicklung etwas unglücklich finden: 1. JULIUS EVOLA ist Vertreter einer Geisteshaltung, bei der es “eigentlich” konstitutiv dazugehört, dass der Autor strikt hinter dem, wovon er Zeugnis ablegen möchte, verschwinden muss. Es handelt sich dem Selbstverständnis dieser Strömung nach um das Erinnern an Ideen, die nicht menschlicher Kreativität entspringen, sondern mythisch-metaphysischen Ursprungs sind. Die Tradition ist also kein Spielplatz für allzumenschliche Eitelkeiten oder gar einen mythenumwobenen Personenkult. 2. Die Versuche, EVOLA als Person wie auch seine biographischen Leistungen zu kultivieren und zu ehren, werden fast immer von Personen aus dem aktionistischen (oft nationalrevolutionären), politisch radikal rechten Spektrum unternommen. In der Regel gerät so der Blick auf EVOLA etwas einseitig, indem z. B. bewusst oder unbewusst versucht wird, ihn aus seinem traditionalen Kontext zu lösen. Tradition wird von Vertretern des “Integralen Traditionalismus” verstanden als Uroffenbarung, die die Menschheit insgesamt betrifft und von der sich die unterschiedlichen Kulturkreise zwar in variierender Geschwindigkeit, doch kollektiv entfernt haben und sich auch wieder zyklisch annähern werden. Insofern lässt sich die Tradition zwar nach Kulturkreisen auffächern, aber dennoch ist sie von universalistischer Natur. Dieser Universalismus beißt sich mit Versuchen vieler politischer Rechter, das Partikulare gesondert hervorzuheben, zumindest wenn eine so verstandene “Identität” als Waffe im vielzitierten “Kampf der Kulturen” gegen andere mit “anderer Identität” eingesetzt wird. (Dies ist auch bei völkischen Kulturkämpfern oft der Fall, die das, was sie als ihre eigene blutsgemäße Religion verstehen, polemisch gegen den angeblich Europa-fremden Monotheismus der Wüste einsetzen und dabei oft genug EVOLA vereinnahmen.) Diese beiden angesprochenen Punkte müssen beachtet werden, will man sich kritisch mit Dokumenten beschäftigen, die die Errungenschaften JULIUS EVOLAS in irgendeiner Weise feiern möchten. Gleichzeitig muss man aber auch eingestehen, dass an dieser personenbezogenen Mythenbildung im Grunde JULIUS EVOLA nicht ganz unschuldig ist. EVOLA wurde natürlich nicht als “Traditionalist” geboren, bevor er diesen als “wahr” erkannte, lebte er das extrovertierte Leben eines Dandys, erfolgreichen “Womanizers” und nicht zuletzt das eines schalkhaften Dadaisten. Kolportierten Gerüchten nach trieb er sich gar mit lila lakierten Fingernägeln in nicht ganz so christlichen Etablissements herum. Zurück zum Thema. Die EVOLA- Mythologie hat also etwas Bedauerliches, ist aber auch logisch, zumal EVOLA selbst sich sicher zeitlebens eine gewisse Eitelkeit bewahrt hat und wohl geschmeichelt war, wenn ihn italienische, jugendliche Neofaschisten als ihren “Marcuse von Rechts” verehrten. Die DVD hat eine Spielzeit von ca. 100 Minuten und ist natürlich nur in italienischer Sprache ohne Untertitelung abspielbar. Letzteres führt unweigerlich dazu, dass der Großteil der nichtitalienischen Konsumenten nur “Bahnhof versteht”, so auch ich. Die Reportage fokussiert sich, wie schon am Titel zu erkennen, einserseits auf die dadaistische Frühzeit EVOLAS, andererseits springt man ganz zum Schlusspunkt und beleuchtet die Umstände der abenteuerlichen Urnen-Bestattung der evolianischen Asche. Seine Urne wurde an einem Gletscher des Monte Rosa-Gebirgsmassivs (auf der Grenze der Schweiz zu Italien) auf gut 4000m zur Ruhe gebracht. ALLERSEELEN widmeten dieser Bestattung einst die gelungene “technosophische” Komposition “Gletscherlicht” (Zunächst auf dem "Cavalcare Le Tigre"- Sampler und jetzt wieder auf "Edelweiss".) Auf der DVD werden nun Interviews mit damals beteiligten Expeditionsteilnehmern geführt und sogar die Expedition selbst wird (wenn ich das richtig verstanden habe) von passionierten Bergsteigern wiederholt und gefilmt. Man kann davon ausgehen, dass der Audio-Kommentar währenddessen Worte zur metaphysischen Bedeutung des Bergsteigens findet, EVOLA schrieb bekanntlich dazu ein Buch, welches unter dem Titel “Meditation On The Peaks” auch auf Englisch erschienen ist und auch von REINHOLD MESSNER sehr gelobt wurde. Nun der 2. Teil - EVOLA als Künstler. Es wird sein Verhältnis zu TRISTAN TZARA beleuchtet und – besonders interessant – vermutlich all seine Gemälde, die abstrakten, futuristisch beeinflussten, wie auch die gegenständlichen Werke, letztere sind fast ausschließlich weibliche Akte, gezeigt. Höhepunkt der DVD ist sicherlich ein Interview mit EVOLA selbst, welches vermutlich aus den frühen siebziger Jahren stammt und einen gutgelaunten Herrn (trotz Behinderung) mit wachen Augen und beträchtlich klaffenden Zahnlücken zeigt. Dankenswerterweise ist genau dieses Interview auf Französisch geführt, so dass ein paar Menschen mehr außerhalb Italiens dieses verstehen werden. Das Interview ist nicht lang, aber in dieser Form einmal einen Eindruck des so berüchtigten JULIUS EVOLA zu erhalten, ist ungeheuer wertvoll. Der gute Mann, wirkt in sich ruhend, ein gewisser Schalk ist ihm ins Gesicht geschrieben, und er berichtet mit angenehmer Stimme gerne aus seinen wilden Jahren. Spätestens hier wird dann auch offensichtlich, was schon die ganze Zeit (unfreiwillig?) diese Reportage begleitet. Sie ist nämlich ausgesprochen witzig und oft das reinste Pop-Vergnügen. Die interviewten Herren sind durchweg trotz ihrer Seriösität nicht wenig skuril und liebenswert. Die Bilder stehen dem nicht nach, etwa, wenn in einer Sequenz, in der es um das Verhältnis der Intellektuellen zum Faschismus geht, ein D’ANNUNZIO zu “kaisertreuen” Techno-Musik durchs Bild watschelt oder die Kamera ein paar Impressionen einer Veranstaltung im “Casa Pound” einfängt. Das “Casa Pound” ist eines von mehreren besetzten Häusern in Rom, die unter der Kontrolle einiger umtriebiger Menschen aus dem Umfeld von ZETAZEROALFA stehen, die hier in einer Parallelwelt völlig begeistert die “Republik von Salo” bzw. die linken, syndikalistischen Ursprünge des Faschismus (beliebt auch der “Dritte Weg” einer EVITA PERON) wieder aufleben lassen, indem sie Obdachlosen eine warme Mahlzeit zubereiten und eben ab und an zu solchen “Kongressen” einladen. Skurril auch die gezeigten Jugendbilder von JULIUS EVOLA (der allein unter Frauen aufwuchs), auf einem sieht man ihn etwa elfjährig mit einem Gewehr in der Hand, offenbar wollte er schon immer ein “Kshatriya” sein. Schlussendlich ist der Soundtrack eine Erwähnung wert, gespielt wird manch eine AIN SOPH-Coverversion (des “Tutti A Casa!”- Albums), weiter ein paar fetzige ZETAZEROALFA-Stücke, KAISERBUND aus Frankreich (muss man sich nicht merken), sowie ein ominöses Projekt namens “ROMA, WIEN”, der Kenner wird wissen, was gemeint ist, zumal dieses Projekt im Abspann seinen echten Namen zurückerhält. Vielleicht geschah(en) diese (und andere) Verwechslung(en) aus Absicht (“Antifa is watching you”), wahrscheinlich handelt es sich aber eher um einen jener typischen Fehler, die immer dann passieren, wenn sich Menschen ohne “Szene-Stallgeruch” wie die Aasgeier auf eine Musik stürzen, als deren Verbündete sie sich begreifen, ohne sie letztendlich verstehen zu können. Sei’s drum. Fairerweise sei angemerkt, dass derjenige, der laut Nachspann die Musik auswählte, ein “Szene-Insider” ist. Fazit “Dalla Trincea A Dada” bietet, nachdem man einmal begriffen hat, dass man es hier mit Pop zu tun hat, hervorragende Unterhaltung. Je mehr man der italienischen Sprache mächtig ist, desto umfassender wird man hier auch auf solider Grundlage etwas über die künstlerische Seite EVOLAS erfahren.
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Texte zum Thema Julius Evola Themenbezogene Artikel: » J. EVOLA-Tribute - The Spirit of Europe Themenbezogene Newsmeldungen: » Julius Evola - Cavalcare La Tigre
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Zusammenfassung
Fazit “Dalla Trincea A Dada” bietet, nachdem man einmal begriffen hat, dass man es hier mit Pop zu tun hat, hervorragende Unterhaltung. Je mehr man der italienischen Sprache mächtig ist, desto umfassender wird man hier auch auf solider Grundlage etwas über die künstlerische Seite EVOLAS erfahren.
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