Eine, nicht nur im musikalischen Kontext, mal wieder ganz skurrile Entdeckung hat sich aufgetan dank erfreulicher Koinzidenzen, zu denen allen voran der anscheinend vortrefflich verkorkste Geschmack und das ganz unfreiwillige Gespür des amerikanischen Untergrundregisseurs
Thomas Nöla, der sich zuletzt erst mit seinem Film "The Doctor" und dem dazugehörigen Soundtrack einen szenerelevanten Namen machte, zu zählen sind. Irgendwann vor mehreren Jahren schon fiel ihm ein Demotape einer "was zum Teufel ist das?" - verursachenden Band mit dem selten schönen Namen DUSTMUFFIN & THE ALUMINUM
CANS in die Hände, um nicht zu sagen, es wurde ihm mit Nachdruck in die Hände gelegt. Ein inszenierter Schicksalswink par excellence also, denn von dem Band aus schien ein für bestimmte seltsame Gemüter wirkendes Gravitationsfeld auszugehen.
Thomas Nöla fühlte sich "berührt, wie nie zuvor".
Punch:-Records-Labelchef
Tairy Ceron nannte es später standesgemäß "love at first stroke". Das alles lässt sich noch in die Attribute liebenswürdig-drollig, komödiantisch-hass-geifernd, retro-theatralisch-posierend und nicht-und-niemals-aus-dem-Kopf-gehend aufschlüsseln, und Leute, die so eine "groteske Ader" entwickelt haben, werden sowieso nicht umhinkönnen, sich die "Essential Recordings" dieser Bostoner Soldateska musikalischer Psychosen reinzuziehen. Wer genau hinter dieser mythosbildenden, wahrscheinlich inkonsistenten Truppe steckt, weiß, mal abgesehen von
Nöla vielleicht, eigentlich kein Mensch. Gitarrist
Todd Welch soll inzwischen - und angeblich am 11.September 2001 - verstorben sein, so ein Todesdatum lässt natürlich auch die wildesten Vermutungen zu... (und dass DUSTMUFFIN & THE ALUMINUM
CANS mit dem Thema zumindest etwas anfangen können, zeigt allein schon der Clip zu "U.S.A.").
In den neunzehn kurzen und kürzesten Titeln, darunter mehr als eine Handvoll echter Hits, die sich hier auf essentielle Best-of Weise versammelt haben, wird eine erschreckend große Anzahl an Stilen durchquert, und die mentale Invasion der "Crumbs" - mit denen wohl eher nicht
die alte US-Punkband gemeint ist - bis zum bitteren Ende vollzogen. Analogelektronische Lo-Fi-Köstlichkeiten der alten Schule lassen sich hier zuhauf finden, und sie sind dazu bestens ausgeschmückt mit schmutzigen "home recording"-Gitarren und zuckersüß altmodischen Synthieorgeln, die einen vor Freude erschauern lassen. Manchmal entgleist der DUSTMUFFIN'sche Wahnsinn dann in folk-rockige Psychedelia-Elegien, krankhaft überzogene Disco Beats, downtown-authentische Hip Hop-Ausbrüche und spacige Odysseen, mit anderen Worten, für ein göttliches Amüsement ist hier von vornherein gesorgt. Umso mehr, da im Schmelztiegel der Facetten das elektronisch verklärte Verliererpathos eines
DAVID E. WILLIAMS, die gruftikabarettistischen Karusellpferdchen eines
ROZZ WILLIAMS und der frostig-aggressive Hardcoretypus eines
ALEC EMPIRE zusammentreffen, um sich kräftig zu raufen und dann in einer von
"Nightmare Before Christmas" geschwängerten, stets politisch unkorrekten Gruselatmosphäre einträchtig zu schunkeln. Unglaublich, dass all das unbemerkt und unbeachtet für Jahre unter der Oberfläche des Musikgeschehens brodelte und nur darauf wartete hervorzubrechen. Allein schon Tanzflächenkracher, wie der unübertrieben rockende Industrial-Faustschlag "Hate Is A Shape" oder die alternative Nationalhymne "U.S.A.", an der sich auch
Thomas Nöla selbst beteiligte, schreien geradezu danach, irgendwie auf ein zugängliches Format gepresst zu werden. Danke,
Punch:-Records, dass sich dieses zugängliche Format und mit ihm ein Unterschlupf für mysteriöse Aluminiumdosen noch hat finden lassen. Danke,
Thomas Nöla, für die Konservierung dieser Artefakte und auch für die fünf stilvoll, liebevoll in Szene gesetzten, teilweise lustig-provokanten Videoclips, die der CD angefügt wurden. Irgendwann wird jeder das bekommen, was er verdient. Dann werden DUSTMUFFIN & THE ALUMINUM
CANS in den nicht-existenten Ruinen des World Trade Centers eine Benefizgala für blutrünstige Marionetten, neurotische Roboter, Außerirdische und andere Versager geben. Ihrer Zeit sind sie ja jetzt schon voraus, auch wenn es sich dabei, wie
Nöla meint, nur um 48 Stunden handelt.