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Dominik T.

THELEMA: Burnt Memories

Crowley & Pop'n Neofolk


THELEMA: Burnt Memories
Genre: Neofolk
Verlag: SmallVoices
Erstellt: 03.10.2000
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Die sogenannte "Authentizität" ist in der modernen Welt ein rares Gut, deshalb macht es auch einigen Musikliebhabern mehr Spaß, bestimmte Tonträger zu hören, wenn sie wissen, daß die dahinterstehenden Musiker wirklich das "leben", über was sie singen. Stellt man sich nun, die eigentlich sinnlose, aber auch spannende Frage, welche Bands und Projekte im Dark Wave-Bereich bei dem immerwiederkehrenden Thema "Okkultismus" und hier besonders in der Ausprägung "Aleister Crowley & Thelema" zu denen gehören, die nicht imagebewußt mit der Thematik posieren, sondern "echte" Okkultisten sind ("so richtig zum Anfassen"), wird man zunächst auf all jene stoßen, die personell mehr oder weniger eng mit dem alterwürdigen O.T.O. verwoben sind oder selbst die jüngste Magiegeschichte in ihrer post-crowleyanischen Ausprägung mitgeprägt haben. Man wird aufgrund seiner TOPY-Verdienste auf den GENESIS P'ORRIDGE der frühen PSYCHIC TV- Zeit stoßen, natürlich auch auf COIL und frühere CURRENT 93 (meines Erachtens hat eine gewisse "Crowleyanity" C93 nie verlassen, egal was "David Michael" selbst dazu sagt oder wie oft er von Jesus Christus singt, was sowieso kein Widerspruch ist, denn wenn es anders wäre, hätte er vor allem den Bandnamen geändert, davon abgesehen lebt sie in BILL BREEZE auf jeden Fall weiter, der noch bei manchen der jüngsten Konzerte zum Line-Up gehörte). Weiter wird man auf DIE Kultband WHITE STAINS (heute COTTON FEROX) aus Schweden stoßen, deren Kopf CARL ABRAHAMSSON einst den internen O.T.O.-Newsletter edierte und auch die Ehre hat die "Kirche Satans" für Skandinavien zu repräsentieren (sein kongenialer "partner in crime" DIDRIK SÖDERLIND hilft ihm etwas) und auch auf die Goth-Rocker von CASSANDRA COMPLEX in Gestalt von RODNEY ORPHEUS, sowie ROYAL FAMILY & THE POOR dürfen bei solch einer Aufzählung nicht fehlen. Schlußendlich fehlen bei einer, freilich nicht ganz ernstgemeinten, "Authenzitäts-Top 6" des thelemitischen Okkultismus im Dark Wave-Business noch die Italiener von THELEMA, die ja im Grunde schon mit ihrem Namen alles klar machen und mit denen ich mich hier anläßlich ihres gerade erschienenen Comeback-Albums "Burnt Memories" (nach 7jähriger Pause!) näher beschäftigen möchte. Die Band entstammt eigentlich dem tiefsten Ritual-Industrial-Untergrund, der gerade in Italien besonders interessant und im oben beschriebenem Sinne besonders "authentisch" war. Viele Kassettenlabels widmeten sich damals ritueller Musick, die meisten Namen dieser Zeit sind völlig vergessen und auch nur ganz schwer aus der Versenkung wiederhervorzuholen, selbst wenn man sich wirklich reinkniet. Überlebt haben ins CD-Zeitalter aus diesem Umfeld und meist um den Preis eines völligen, musikalischen Wandels lediglich AIN SOPH, T.A.C., TEATRO SATANICO, GERSTEIN, SIGILLUM S, NIGHTMARE LODGE und LIMBO...und eben auch THELEMA. Die Band gründete sich 1984, zu den Gründungsmitgliedern gehörte u.a. GREGORIO BARDINI, der THELEMA aber schon früh nach Abschluß ihrer rituellen Phase verließ. Den Besetzungskern bilden seit jeher Sänger MASSIMO MANTOVANI und GIORGIO PARMIGIANI. Mantovani übersetzte einige Crowley-Bücher ins Italienische und ist auch sonst durch einen offenbar zumindest in Italien recht wegweisenden Versuch einer Synthese aus Voodoo und Crowley-Magick auf dem Esoterikbuchmarkt präsent. Da die rituellen THELEMA-Aufnahmen praktisch unauffindbar sind, kennt man ihre Musik meist erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie versucht haben einen wavigen Post-Punk-Stil zu entwickeln, der sich recht stark an frühe DEATH IN JUNE bzw. den etwas früher agierenden ROYAL FAMILY & THE POOR orientierte. Später gab es noch etwas unbeholfen wirkende Versuche, auf der einen Seite mehr (neo)folkloristische Elemente und im Gegensatz dazu aber auch eher gruftig-tanzbare Elektro-Elemente in den THELEMA-Sound zu integrieren. Alles in allem strandete man damit aber irgendwo im Niemandsland zwischen IN MY ROSARY und CASSANDRA COMPLEX, obwohl z.B. auf dem Album "The Vision and the Voice" auch die Metaller und "Glaubensbrüder" PAUL CHAIN und STEVE SYLVESTER von DEATH SS und auch SIMONE BALESTRAZZI (T.A.C.) als Gäste vertreten waren und ständig irgendwas DOUGLAS P. gewidmet wurde.
Damit soll keineswegs gesagt sein, daß die THELEMA-CDs schlecht sind, ein gewisser Charme ist durchaus vorhanden. Im besonderen Maße gilt dies für die bierseelige Bandhymne "Glory Of The Hawk", die auch auf diversen Midprice-Gruftiesamplern auftauchte und zu der man hervorragend mitsummen, pfeifen oder gröhlen kann, für mich jedenfalls in punkto Eingängigkeit die italienische Antwort auf ERNTES "Sonnenwende". (Es gibt von dem Song noch eine zweite Version, auf der man das gewohnt furchtbare Gekreische von FRANCESCA NICOLI (ATARAXIA) ertragen muß). Soviel zur Vorgeschichte. Was hat sich nun nach sieben Jahren Funkstille bei THELEMA verändert? Im Grunde nicht viel. Man versucht immernoch dem Hörer eine eingängige Form des poppigen Neofolk vorzusetzen. Die tanzbaren Gruftie-Elektro-Elemente sind deutlich zurückgefahren und auch bezüglich der vorher alles beherrschenden Magick scheint man sich zurückhalten zu wollen, jedenfalls handeln nun die 12 kurzweiligen Lieder alle von mindestens genauso wichtigen Themen wie Liebe, Frauen oder (Alp)träumen, "zaubern kann ich immernoch privat", wird sich Mantovani gedacht haben. So wirkt  auch "Burnt Memories" ungeheuer entspannt und nachdem nach den ersten drei, vier Liedern klar wird, daß dieser Tonträger sicher nicht zum "Klassiker" avancieren wird, kann man ihn wunderbar genießen, vielleicht gerade deshalb, weil man desöfteren das Gefühl hat, dieses und jenes schon einmal irgendwo gehört zu haben. THELEMA verströmen eine locker-süßliche Melancholie, die sich hervorragend als Begleiter zu einem sonntäglichen Frühstück macht und bei der man nicht so recht weiß, ob es eher an (an weniger synthetische) IN MY ROSARY oder sogar an OSTARAS "Operation Valkyrie" erinnert. Im Endeffekt liegt man aber vor allem nicht falsch, wenn man sie in der Nähe der Liverpooler Magick-Kollegen von ROYAL FAMILY & THE POOR verortet. Genau wie bei diesem Projekt gilt es immer mal wieder ein paar langweilige Nummern zu ertragen bis man sich beim Mitwippen erwischt und merkt, daß das alles doch mehr als nur "okay" ist und sogar ein paar "Hits" dabei sind. Speziell erwähnenswert ist die hervorragende THE STRANGLERS-Coverversion "The European Female", eine Ode an die Schönheit der europäischen Frau (zu finden auf dem Album "Feline", 1983). Vorstellbar ist auch, daß sich einige eingefleischte Neofolkfans bei "Burnt Memories" etwas an SPIRITUAL FRONT oder sogar INNER GLORY erinnert fühlen, dem muß ich schon jetzt widersprechen, THELEMA fehlt es etwas an Crooner-Qualitäten und auch das tragische Element fehlt völlig, alles bewegt sich hier eher in luftigen Gefilden, aber auch das hat seinen Reiz. Kaufempfehlung für alle, die diese Band von früher kennen, aber auch für diejenigen, die in der Sparte des unprätentiösen, entspannenden Sympathie-Pop-Neofolks ohne Bildungshuberei Nachschub brauchen. 
Wer Lunte gerochen hat, sollte sich aber unbedingt die LP-Version dieses Albums zulegen, da auf diesem vier Bonusstücke zu hören sind. Eines davon ist eine Coverversion des DEATH IN JUNE-Klassikers "Heavenstreet", die sicher ähnlich Spaß macht, wie die Coverversionen von CADAVEROUS CONDITION, IKON, IN MY ROSARY oder ECODALIA  (sehr gute "Come Before Christ and Murder Love" Interpretation auf dem 1995er Album "Angel's Candour") und was es sonst noch so gibt (gibt es denn noch mehr Coverversionen?)
p.s. THELEMA bitte nicht mit dem gleichnamigen Ritualprojekt (CD u.a. auf MEMBRUM DEBILE PROPAGANDA) eines STURMPERCHT/ SOULSEARCH Mitgliedes verwechseln.


 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» THELEMA
» SMALL VOICES Label

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» Thelema :: Tantra


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