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Saw II- Original Score


Saw II- Original Score
Genre: Film
Verlag: Trisol
Vertrieb: Trisol
Medium: 2xCD
Preis: ~18,00 €
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Saw II ist der Name des schon im Februar dieses Jahres in deutschen Kinos angelaufenen Nachfolgers (man sagt heutzutage wohl eher Sequel) des gleichnamigen, im letzten Jahr wohl recht erfolgreichen Horrorstreifens, in dem der natürlich vollkommen geisteskranke, psychopathische und krasse Serienmörder Mr. Jigsaw das Leben einiger seiner Mitmenschen schier zur Hölle macht. Immerhin schaffte es Saw II für einige Tage auch die Gemüter einiger Feuilletonschreiberlinge zu erregen, welche in den recht ausführlich und blutig geschilderten Folterszene des Filmes Referenzen an die Greueltaten in Abu Ghraib erkannt zu haben glaubten, und Saw II wahlweise als Versuch der Aufweichung der Schock- und Entrüstungsgrenzen der vor den heimischen Fernsehern weilenden Zivilbevölkerung oder einen post-traumatischen Verarbeitungsversuch der linksliberalen Hollywood-Society deuteten. Wie auch immer, die Wahrheit wird wie immer irgendwo in der Mitte oder ganz wo anders liegen, Fakt ist, daß zu diesem Streifen auch Filmmusik komponiert wurde. Über Trisol erschienen zwei Versionen, ein „Soundtrack“ und ein „Score“, fragt mich jetzt nicht nach dem Unterschied, vorliegende Rezension beschäftigt sich mit dem Letzteren.

 

Die offizielle Filmmusik wurde, wie schon die des ersten Teils, vom ehemaligen Nine Inch Nails-Mann Charlie Clouser unter Mithilfe von unter anderem Danny Lohner (ex-Killing Joke, ex-Nine Inch Nails) und Wes Borland (ex-Limp Bizkit) erschaffen und befindet sich, unterteilt in 56 Abschnitte, auf der ersten Scheibe dieser Doppel-CD. Wie fast nicht anders zu erwarten, haben wir es hier mit recht typischer Hollywood-Filmmusik zu tun. Die evozierte Stimmung ist spannungsgeladen, nach vorne treibend, aber eben auch leicht konsumierbar und nicht gerade tief. Die Länge der Stücke liegt zwischen sechs Sekunden und knapp über drei Minuten, in den meisten Fällen aber deutlich unter einer Minute. Es liegt natürlich in der Natur des Genres, daß hier Suspense schnell auf den Punkt gebracht werden muß. Das mag im fertigen Endergebnis auf Leinwand überzeugend wirken, dem Hörgenuß vor der heimischen Stereoanlage sind derartig vorgebrachte Stimmungshäppchen und emotionalen Sprünge jedoch nicht gerade zuträglich, woran auch die Tatsache, daß die Stücke fließend ineinander übergehen, wenig zu verändern vermag.

 

Interessanter scheint da schon die Bonus-CD, die 14 Stücke verschiedener Musikprojekte vereinigt, die für sich selbst beanspruchen, vom Film in irgendeiner Form beeinflußt zu sein. Darunter befinden sich auch Stücke von Gruppen wie Ostara, Spiritual Front, Sieben oder Kirlian Camera. Los geht’s mit Sieben, die mit Oh Yes, There Will be Blood! im von Matt Howden so bekannten und geschätzten Stil sicherlich einen der besten Titel dieser CD abliefern. Das Stück kann sich durchaus mit dem Gesamt-Oeuvre dieses Ausnahmekünstlers messen lassen. Ungewohnt elektronisch und cineastisch präsentieren Spiritual Front mit The Gift of Life vermutlich direkt auch einen kleinen Vorgeschmack auf den Stil ihres in Bälde erscheinenden neuen Albums Armageddon Gigolo. Mit Hilfe diverser rotierender Uhren- und Glockenklänge erschafft Hellvis hier eine wahrhaft klaustrophobisch-orchestrale Angststimmung. Auch hier beide Daumen hoch! Das französische Duo Rosa Crvx (Lethali) bietet recht durchschnittlichen, keyboardbetonten Ambient, eine Linie, die :Golgatha: unter anderen instrumentalen Vorzeichen fortsetzen. Deren Shred your Skin kann mich immer noch nicht von den Qualitäten des Projekts überzeugen und dem Wirbel um die Hessen, die wohl nur Dank der Äppelwoi-Connection zu Trisol ihren Platz auf SAW II gefunden haben, stehe ich immer noch etwas fassungslos gegenüber. Mit Lux Occulta II bieten die Gotenrocker von Garden of Delight eine Fortsetzung des ersten Teils des gleichnamigen Titels von ihrem aktuellen Album Lutherion II. Damit hätte sich dann allerdings auch die Frage beantwortet, in welchem Kontext die Lieder insgesamt zum Film stehen sollen. Da man diese Art der musikalischen Resteverwertung auf Gemeinschaftstonträgern verschiedenster Art aber auch, wenn nicht gerade, von vermeintlichen Konzept-/Tributalben der Untergrundszene her kennt (schöne Grüße von hier aus auch an VAWS und Co.) wollen wir auch bei den Großen nicht kleinlich sein, musikalisch weiß das Stück nämlich zu überzeugen. Das gilt in meinen Ohren weniger für Mind.In.A.Box (The Game), die ihren Stil zu Recht selber als „Techno-Pop“ bezeichnen (was in diesem Fall aber nicht als Referenz auf Kraftwerk zu verstehen ist…). Das Generation X-ed-Nachfolgeprojekt Muéller of Death!, auf deren Debut es vor wenigen Wochen noch kräftig auf die Ohren gab, präsentieren sich mit Écrases L’Infâme von ihrer ruhigen, ambient-betonteren Seite, doch auch auf diesem Terrain bleiben die Aggro-Berliner Durchschnitt.

Wenn es ein Projekt auf dieser Welt gibt, das mich regelmäßig zur Weißglut bringt, ist es vermutlich die „Underground-Legende“ (O-Ton Trisol) Alexander Kaschte und sein bzw. Samsas Traum. Auf Sequence 26 (Saw II-Edit) tobt er sich dankenswerterweise aber nur mit seinem Cubase-Programm aus und bleibt so relativ harmlos. Das einzig exotische der folgenden Punto Omega ist wahrscheinlich ihre argentinische Herkunft, falls Sawtooth stellvertretend für ihren Stil sein sollte: gefälliger, aber unaufregender EBM mit E-Gitarrenuntermalung. Die Form bieten mit The Saw genau die Art unterkühlten, tanzbaren Elektros, den zumindest ich von ihnen genauso erwarte. Kirlian Camera arbeiten auf New Intruder weiter fleißig an der Selbstdemontage des eigenen Ruhms. Es steht indes zu befürchten, daß Elena Fossis rhythmisch unterlegtes Stöhnen, welches final in eine Art operettenhaften Gesang übergeht, der halbherzigen Umsetzung zum Trotz auch seine Freunde finden wird. XPQ-21 haben mit See.Saw.Seen nicht nur ein geiles Wortspiel am Start, sondern auch ein intelligent arrangiertes Stück Ambienttechno. Das folkige Cinema Strange-Nebenprojekt The Deadfly Ensemble eröffnete in den Staaten schon für so unterschiedliche Gruppen wie Death In June oder Faith and the Muse, was auch ungefähr die Richtung von Smaller and Smaller vorgibt: Surreal-fragile Folkelemente treffen auf den in den Staaten gerade tierisch angesagten Gothic Cabaret, das Ergebnis erscheint alpin und großstädterisch-amerikanisch zugleich. Für mich die Entdeckung dieser Scheibe. Ostara sinnieren zum Abschluß, was denn wäre, If the Dead Could See. Man fragt sich unwillkürlich, was denn wäre, wenn sie hören könnten! Richard Leviathan und Stu Mason steuern nämlich lediglich ein uninspiriert wirkendes Instrumental zu Saw II bei: Akustikgitarre mit leichten „Elektrobeats“. „Yesterday the living mourn the dead, today, the dead mourn the living“, würde Boyd Rice wohl dazu sagen…

 

Fazit: Hier haben wir es mit einem ganz netten Stück Filmmusik zu schaffen, der eine Label-Kompilation von Trisol beigefügt ist, auf der sich, das liegt in der Natur der Sache, Licht, Schatten und Durchschnitt tummeln. Insgesamt ganz nett, aber nicht zwingend.


 
für nonpop.de



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Zusammenfassung
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Inhalt
CD I:

Filmmusik des Charlie Closer, unterteilt in 56 Titel, die aufzuzählen ich mich weigere.

CD II:

I. Sieben – Oh Yes, There Will be Blood
II. Spiritual Front – The Gift of Life
III. Rosa Crvx – Lethali
IV. :Golgatha: – Shred your Skin
V. Garden of Delight – Lux Occulta II
VI. Mind.In.A.Box – The Game (Introspection)
VII. Muéller of Death! – Écrases L’Infâme
VIII. Samsas Traum – Sequence 26 (Saw II-Edit)
IX. Punto Omega – Sawtooth
X. Die Form – The Saw
XI. Kirlian Camera – New Intruder
XII. XPQ-21 – See.Saw.Seen
XIII. The Deadfly Ensemble – Smaller and Smaller
XIV. Ostara – If the Dead Could See
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