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Dominik T.

SONS OF OSIRIS: Egyptian Black Metal

Eine DVD-R Reportage


SONS OF OSIRIS: Egyptian Black Metal
Genre: Black Metal
Verlag: Axe...
Medium: DVD-R
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 I.  SONS OF OSIRIS DVD-Reportage
II.  BISMILLAH - Anholy Hate

SONS OF OSIRIS DVD-Reportage über die Black Metal Szene in Ägypten


Folgender Rezensionstext beinhaltet gleich zwei Rezensionen, die ich mir aufgrund des ineinandergreifenden Themas "Black Metal aus islamisch geprägten Ländern" erlaubt habe zusammenzupacken. Zunächst die DVD-R Reportage "Sons Of Osiris" (2004), die die ägyptische Black Metal-Szene, den "Egyptian Black Metal Syndicate" vorstellt. Verantwortlich für diese Reportage  ist AXE-ENTERTAINMENT aus Belgien, die sich, so jedenfalls mein Eindruck beim Besuch ihrer Netzpräsenz, selbst vor allem als Videokünstler begreifen und mit der Black Metal-Szene an sich eigentlich eher wenig zu tun haben. Jedenfalls beschäftigt man sich sonst mit völlig anderen Dingen (siehe Homepage). Um es gleich vorweg zu sagen: Die Reportage ist in jeder Beziehung absolut hervorragend. In den 45 Minuten, die das Ganze dauert, kommt zu keiner Sekunde Langeweile auf. Dazu wirkt alles äußerst professionell, wenn beispielsweise Arte sich mal irgendwann entschließen sollten, in Sendungen wie "Tracks" etwas wirklich Interessantes zu präsentieren, was viel zu selten der Fall ist, dann könnte man sich "Sons Of Osiris" dort problemlos vorstellen. Die Reportage dreht sich hauptsächlich um die Bands AMMATTAMMEN BAS, CRESCENT, HELLCHASM, ODIOUS, OSIRIS und WORM, die entweder aus der Metropole Kairo oder aus Alexandria stammen. Beim Anschauen wird aber schnell klar, dass es nicht so sehr von Bedeutung ist, was jetzt welche Band spielt, was sie erreicht oder nicht erreicht haben etc. (Dementsprechend bin auch ich jetzt nicht so albern, darauf näher einzugehen, zumal ich das gar nicht weiß.), vielmehr geht es darum eine Atmosphäre einzufangen und die musizierenden Jugendlichen etwas von ihren Träumen, Gefühlen und ihrer generellen Lebenssituation in punkto "Black Metal Lifestyle" in Ägypten erzählen zu lassen. Wunderbar ist dabei, dass diese Reportage sich dieser, von Sehnsucht nach "etwas anderem" geprägten Grundstimmung atmosphärisch anpasst, also selbst in keinster Weise trocken, süffisant, sachlich, distanziert oder gar zynisch-kommentierend daher kommt. Ganz im Gegenteil, auf erklärende Kommentare oder eine Einordnung im Kontext der ägyptischen Gesellschaft etc. wird völlig verzichtet, stattdessen gibt man dem Ganzen einen stark filmischen Charakter. Es überwiegen faszinierende Impressionen aus dem "geheimen Ägypten", respektive Kairo, bekanntlich eine der chaotischsten (nicht nur im Straßenverkehr) und widersprüchlisten Städte unseres Planeten. Immer wieder wird zum Beispiel ein kleiner, vielleicht 8-jähriger Junge eingeblendet, der mit der Hand das Teufelszeichen macht und dann schnell wieder in der anonymen Masse eines riesigen Straßenmarktes verschwindet oder ein älterer Herr, der freundlich, aber bedeutungsschwanger Gebeine eines toten Schweins hochhält. Dazu dann das alltägliche Wirrwarr, der Dreck überall, die Muezzin-Rufe - kurz, der Film wirkt und ist von einer schwer greifbaren, spirituellen und zugleich psychotischen Atmosphäre geprägt. Der nur in Sequenzen (Probeaufnahmen etc.) eingespielte, sehr gute, majestätische Black Metal tut sein Übriges dazu. Interessant ist auch, dass die Musiker ganz anders wirken und auch ausschauen als der durchschnittliche Black Metal-Fan aus Europa. Alle haben sie Kurzhaarfrisuren und wirken äußerst gebildet, aufgrund ihrer sehr guten Englischkenntnisse könnte man vermuten, dass sie wohl alle aus reichen Familien stammen. Sie erzählen, wie sie sich die Musik, die sie lieben über das Internet besorgen, wie sie Konzerte organisieren etc. Sie alle bewegen sich dabei an der Grenze zur Illegalität, zumindest in einem unsicheren Grauzonenbereich. Überhaupt ist Ägypten ein Land mit etwas schizophrenen Zügen, hat doch der korrupte, pro-westliche Staatschef Mubarak, der nun auch schon 35 Jahre "demokratisch" an der Macht ist, zunehmend Schwierigkeiten damit, weiterhin den Anschein zu erwecken als würde die Mehrheit der Ägypter ihn in seiner US-freundlichen Haltung stützen. Exemplarisch deutlich wird das anhand eines ägyptischen Pophits, der übersetzt den Titel "Ich hasse Israel" trägt, aber auch Mubarak lobpreisende Strophen beinhaltet. Zum Thema hier.
An einer Stelle ist die Reportage sogar ausgesprochen witzig, als nämlich einer von einem Ereignis vor ueber 20 Jahren berichtet, das so ein bisschen als Gründungsmythos der nordafrikanischen Metalszene im Allgemeinen angedacht war, aber jämmerlich scheitern sollte. IRON MAIDEN beschlossen, so erzählt er, 1984 im Zuge ihrer LP "Powerslave", die sich thematisch um das alte Ägypten dreht, ebendort Station zu machen. Es erschienen aber lediglich 6 (!!) Besucher, während IRON MAIDEN sich wahrscheinlich vorher ausmalten vor tausenden nach ihnen lechzenden Metalfans aufzutreten.
Richtig interessant sind auch die Szenen, in denen es um die spirituelle Bedeutung des Black Metal geht. Für alle Beteiligten ist das offenbar ein wichtiger Punkt. Überraschend ist, dass die Mehrzahl der Befragten ihre Obsession nicht im Widerspruch zu ihrer Religion sehen. Die meisten bekennen sich zum Islam oder auch zum Christentum und sehen Black Metal als Möglichkeit der spirituellen Katharsis. Lediglich eine (schöne) Ägypterin gibt an "Satanistin" zu sein und erzählt sogar was von obszönen Riten im Schatten der Sphinx (oh yeah!). Es gäbe noch vieles zu berichten, gerade weil "Sons Of Osiris" viel Platz lässt für eigene Schlussfolgerungen. Das Wichtigste an all dem ist aber vor allem, dass die Reportage in Erinnerung zurückruft, wie faszinierend Black Metal sein kann, wenn man diese Musik nicht irgendwelchen Deppen überlässt. "Christian Dornbusch", der Schrecken aller Neofolker, weiß in seinem neuesten Streich, dem stellenweise interessanten "Unheilige Allianzen"-Buches, einiges über die "Macht des Blöden" zu berichten.

"Sons Of Osiris" verdient eine besondere Empfehlung, die nicht einmal nur an Freunde des Black Metals gerichtet sein muss, da es um viel mehr geht und der Film auch einem allgemein künstlerischen Anspruch mehr als gerecht wird. Mir ist nur ein Mailorder bekannt, bei dem man diesen Film beziehen kann (siehe Adresse unten). Ansonsten einfach bei AXE ENTERTAINMENT direkt anfragen.

 

BISMILLAH "Anholy Hate" MCD (Ars Funebris Rec., 2006)


BISMILLAH bedeutet "Im Namen Allahs" und ist kurioserweise auch der Name eines neuen Black Metal-Projekts, bei dem der "Sänger" aus Marokko und Gitarrist sowie Schlagzeuger aus Singapur stammen – Ja, ja, die Globalisierung macht es möglich. Sie spielen auf ihrer knapp 24-minütigen Debütscheibe ganz stark BURZUM beeinflussten, ungeheuer verzweifelt wirkenden, teilweise aufreizend monotonen Black Metal, der für mein Geschmack höchsten Ansprüchen genügt. Das erste Stück "Hate Noble" ist gleich ein etwas orientalisch und vor allem rituell angehauchtes Instrumental, was mich etwas an EMPERORs "The Wanderer" (vom "Anthems To The Welkin At Dusk"- Album, 1997) erinnert, ebenfalls ein Instrumental. Die beiden anderen Kompositionen "Cold Smill" und das 10-minütige "Anholy Hate" (sic!) verströmen im Anschluss die pure Verzweiflung. Wie erwähnt, ist das Ganze sehr BURZUM- bzw. frühe MANES-nahe, wenn auch BISMILLAH weniger aggressiv wirken. Dem Ganzen wohnt eher ein mysteriöser, Nebelschwaden durchzogener, verhaltener Touch inne, der auch etwas an die Finnen von DECORYAH erinnert. Selbst der Sänger schreit nicht, sondern ist eher am Schluchzen. Da aber BISMILLAH an keiner Stelle Weltschmerz der peinlichen Sorte verbreiten, kann ich dieses interessante Projekt Anhängern genannter Musik und auch MONUMENTUM "In Absentia Christi"-Liebhabern empfehlen. Faszinierend und auf 100 Einheiten limitiert!


 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» LEGION OF DEATH Mailorder und Label für "exotischen" Black Metal
» AXE-ENTERTAINMENT Trailer zu "Sons Of Osiris"
» BISMILLAH
» ARS FUNEBRIS Records


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Zusammenfassung
Sehr gute Reportage über die Black Metal Szene Ägyptens. 45 Minuten. DVD-R

BISMILLAH Orientalischer, BURZUM-artiger Black Metal, 24 Minuten, 3 Songs, lim. 100

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