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Dominik T.

WALDTEUFEL: Rauhnacht


WALDTEUFEL: Rauhnacht
Genre: Neofolk
Verlag: Terra Fria
Medium: CD
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TERRA FIA, ein kleines, sympathisches Neofolkszenelabel bzw. ein Konzertveranstalter aus Portugal, begründeten vor einiger Zeit eine eigene kleine, liebenswerte Tradition: Zu jedem Konzertereignis, das von ihnen organisiert wird, erscheint im Vorfeld ein Minialbum des eingeladenen Künstlers.
Bisher erschienen in dieser Reihe u.a. CDs von z.B. ALLERSEELEN, eine NAEVUS/KNIFFELADDER- Split- Veröffentlichung, sowie, ganz aktuell, ein CHANGES/ANDREW KING- Splitalbum. Im Herbst 2005 war nun auch der WALDTEUFEL an der Reihe, allerdings fiel das Konzert in Portugal vorerst aus verschiedenen Gründen ins Wasser, man entschloss sich aber, diese 4- Lied- CD dennoch zu veröffentlichen. Glücklicherweise, muss da der bekennende WALDTEUFEL- Fan sagen, denn die vier Stücke haben es, wie man so sagt, absolut  "in sich". Zunächst kurz zur Aufmachung. Sie ist, wie alle TERRA FRIA- Veröffentlichung sehr einfach gehalten, eine graue Plastikhülle und ein schönes Cover, das war's. Wie immer ist bei WALDTEUFEL eine "heidnische" Maske zu bestaunen, die vermutlich im direkten Zusammenhang zum Titel zu sehen ist, denn die zwölf Rauhnächte sind die Zeit der "Wilden Jagd". "Rauhnacht" beinhaltet alle Merkmale für die WALDTEUFEL steht und die dieses Projekt in der Neofolkszene und weit darüberhinaus so absolut unverwechselbar und einzigartig klingen lassen. An erster Stelle zu nennen wäre hier der tiefstmögliche Gesang des WALDTEUFEL- Gründers MARKUS WOLFF, der zusammen mit den weiteren Zutaten, hier vor allem Schlagwerk, Flöte, Blechblasinstrumente und collagenartigen Natur- "Field recordings", jene Atmosphäre erzeugt, die immer zwischen psychedelischer Naturmystik und purer Outsider- Kunst bzw. Kauzigkeit balanciert. Der Begriff "Naturmystik" wird seit einigen Jahren, besonders bei Pagan Metal- und Folklore-Besprechungen recht inflationär eingesetzt, meist ohne dass recht klar ist, was damit gemeint sein könnte. Deshalb spezifiziere ich: "Mystik" ist ja in der Regel ein Begriff, der das Erfahren einer anderen Wirklichkeit kennzeichnen soll (oder das Streben danach) und eigentlich meine ich genau das. Schon allein das Hören waldteuflischer Musik stößt die "Pforten der Wahrnehmung" etwas weiter auf, und man glaubt, wie ich es in einer früheren Rezension mal beschrieb, "das Gras wachsen zu hören". Dies ist aber nur die eine Seite des WALDTEUFELS, ein anderer, eher den Intellekt ansprechender Aspekt besteht  bekanntlich darin, daß MARKUS WOLFF und sein mitmusizierender Freund TYRSON meist (immer?) längst vergessene, deutsche, neuromantische Dichtungen vertonen. Auf  "Rauhnacht" sind dies, der besonders in der Neofolkszene nicht so ganz unbekannte FRIEDRICH HIELSCHER ("Allerseelengebet"), HUGO KRAEKER ("In den Zwölften"), LEOPOLD WEBER ("Hexe Hild") und KARL WOLFSKEHL ("Ur Odin"). Mir war neben Hielscher lediglich Wolfskehl als Münchner Kosmiker und Mitglied des "Georgekreises" bekannt, bei den anderen musste ich passen, und weil ich da sicher nicht der Einzige bin, finde ich diesen waldteuflischen "hören bildet- Aspekt" ebenfalls großartig!
Wenn wir uns nun von der Betrachtung des WALDTEUFELS im Allgemeinen lösen und uns der "Rauhnacht"- Musik im Speziellen zuwenden, fällt als musikalische Neuerung vor allem auf, daß sich der WALDTEUFEL  hier etwas mehr als sonst dem musikalischen Feld der organischen Klangcollage zuwendet. "Rauhnacht" bietet mit dem einleitenden "Allerseelengebet", sowie dem abschließenden 12-minütigem "Ur Odin" gleich zwei Collagen dieser Art, die aber "songorientierteren"  WALDTEUFEL- Stücken keineswegs nachstehen. Auf "Allerseelengebet" hört man vor allem verschiedene Blechblasinstrumente aus dem "off", die sich entweder einspielen, zur Jagd blasen oder ganz zünftig zu einer Hymne ansetzen, während MARKUS WOLFF einen liturgischen Text Hielschers vorträgt. Die  "Ur Odin"- Collage  setzt sich weitestgehend aus der "Sprache"  von Eulen, Grillengezirpse, dem Quaken der Frösche, beschwörendem MARKUS WOLFF- Monolog und - am Ende -  durch die Musik eines vorbeiziehenden Spielmannszug zusammen, spätestens seit  GRUNDIK & SLAVAs (Israel, bekannt durch eine hervorragende CD auf STATEART) "Frogs"- Album weiß man, wie faszinierend solche Naturaufnahmen  klingen können. Die beiden Lieder zwischen diesen Collagen sind da schon WALDTEUFEL- typischer. Vor allem "In den Zwölften", ein Text über Frau Holle, hätte mit seinen lieblichen Flötentönen, dem Schlagwerk und dem unnachahmlichen Wolffschen Spuk- Geraune so auch auf WALDTEUFELS Vollzeit-Debüt "Heimliches Deutschland" erscheinen können, während "Hexe Hild" neben Schifferklavier und Percussions auch aggressive Metalgitarren einbaut und damit direkt an seinen grandiosen Flammenzauber Auftritt 2004 anknüpft, der gerade aufgrund dieser, in diesem Zusammenhang wirklich unerwarteten Neuerung des Klangspektrums in Richtung Metal neben Begeisterungsausbrüchen auch echtes Stirnrunzeln hervorrief. Für mich ist dieses behutsame Einsetzen aggressiver Metalriffs, für die natürlich der später zu WALDTEUFEL hinzugestoßene Gitarrist TYRSON verantwortlich ist, der einen Grindcore- bzw. Death Metal-  Hintergrund hat; im WALDTEUFEL- Kontext absolut stimmig, ohne daß ich das jetzt großartig begründen könnte. Zusammenfassend lässt sich ganz simpel und ohne Umschweife feststellen: "Rauhnacht" ist selbstverständlich eine Pflichtanschaffung für WALDTEUFEL- Liebhaber. "Mehr" lässt sich leider nicht sagen, weil WALDTEUFEL absolut einmalig sind und jeder Vergleich zu Projekten der Gegenwart oder der Vergangenheit, egal wie tief man meinetwegen im obskursten deutschen Krautrock stöbert, vollkommen sinnlos ist. Gerade das ist eigentlich das Tollste am WALDTEUFEL, diese Unvergleichbarkeit und dieses wohlige Befriedigtsein, welches beim Hören dieser schrägen Folklore entsteht, weil man endlich mal wieder das Gefühl hat einer Musik zu lauschen, die man NICHT "irgendwo schon einmal gehört" hat.  Übrigens, wenn die WALDTEUFEL- Musik so etwas wie einen "Bruder im Geiste"  hat, dann ist es die Tonkunst von MOONDOG (obwohl sie völlig anders klingt). MOONDOG war ein us-amerikanischer "Outsider"- Komponist, der lange Zeit auf den Straßen New Yorks lebte, von sich behauptete ein Wikinger zu sein (sein Rauschebart ließ das sehr glaubhaft erscheinen) und der gerade in den letzten Jahren in Avantgardekreisen zunehmend wiederentdeckt wird. JOHN CALE (VELVET UNDERGROUND) nannte ihn den wahren Erfinder der Minimal Music. Weitere Informationen hier.
Bleibt zu wünschen, daß das nächste Album von MARKUS WOLFF und TYRSON bald auf BETA-LACTAM RING erscheint, und vor allem, daß sie noch mehr auch in neofolkfremden Hörerkreisen Beachtung finden werden.

 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» WALDTEUFEL Heimatseite
» HEIDNISCHWERK (Skulpturen etc. von Markus Wolff)
» JULIAN COPE über WALDTEUFEL
» TERRA FRIA Label


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Zusammenfassung
Typische Waldteufel Veröffentlichung, 4 Lieder, ca. 30 Minuten

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